Marktberichte

Freude über Zypern verflogen Dax schließt im Minus

"Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Ich glaube, da ist vielen nicht wohl."

"Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Ich glaube, da ist vielen nicht wohl."

(Foto: picture alliance / dpa)

Konjunktur verdrängt Zypern-Rettung: Die deutschen Wirtschaftsweisen sorgen mit ihrer Senkung der Wachstumsprognose für fallende Kurse. Der Fall Zypern erfreut die Börsianer nur für kurze Zeit. Hinsichtlich der Eurokrise gibt es noch sehr viele Baustellen.

Wie gewonnen, so zerronnen: Die Freude über Rettung Zyperns hat den deutschen Aktienmarkt nur kurzzeitig beflügeln können. Der Dax legte am Vormittag kräftig zu und überschritt die Marke von 8000 Punkten. Am Nachmittag trat der Leitindex den Rückzug an und rutschte in die Verlustzone. Die zyprische Beinahe-Pleite scheint in den Augen der Börsianer zu belegen, dass die Schuldenkrise in der Eurozone mitnichten ausgestanden ist.

Dazu kam eine düstere Prognose der Wirtschaftsweisen: Die Berater der Bundesregierung rechnen im laufenden Jahr nur noch mit einem Mini-Wachstum in der Bundesrepublik. Der Sachverständigenrat senkte seine Konjunkturprognose für 2013 von bisher 0,8 auf nunmehr 0,3 Prozent. Damit verliert die Wachstumslokomotive deutlich an Fahrt.

Kräftige Kursverluste bei Euro und Bank-Aktien lösen Aussagen des niederländischen Finanzministers Jeroen Dijsselbloem aus. Der Leiter der Eurogruppe sagte, die Zypern-Hilfe könnte als Mustervorlage für andere Probleme im europäischen Bankensektor dienen.

Der Dax verlor 0,5 Prozent und schloss bei 7871 Punkten. Der MDax fiel um um 0,2 Prozent auf 13.340 Zähler. Der TecDax verzeichnete dagegen ein Plus von 0,7 Prozent und wies 920 Punkte auf. Selbst ein zwischenzeitliches Rekordhoch an der New Yorker Börse half nicht, im Dax die Gewinne aus dem Verlauf zu halten. Der Euro geriet ebenfalls unter Druck und sank zuletzt auf 1,2858 US-Dollar. Nach dem zähem Zypern-Kompromiss war der Euro noch auf über 1,30 US-Dollar gesprungen.

Warnung vom Eurogruppenchef

Die schwierigen Verhandlungen um die Rettung eines Eurolandes mit nur wenig Wirtschaftskraft zeige, dass die Eurozone ihre Krise noch längst nicht überwunden habe, hieß es. Die Verunsicherung an den Märkten wurde durch die Aussagen Dijsselbloems verstärkt.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, sieht Zypern vor harten Zeiten: "Nun beginnt das, was bereits Irland, Portugal und Griechenland schmerzlich haben erfahren müssen: jahrelanges Sparen mit tiefen Einschnitten." Die Rezession habe gerade erst begonnen. "Euphorie ist deshalb fehl am Platze."

Natürlich sei der Zypern-Deal eine gute Nachricht, meinte dagegen Francois Duhen, Stratege bei CM-CIC Securities. Dennoch blieben viele Unsicherheiten bestehen, vor allem hinsichtlich der Wachstumsaussichten für Zypern.

Schon am Morgen hatte sich trotz der anfänglichen Kurssteigerungen keine Euphorie einstellen wollen. Im Mittelpunkt des Rettungsplans für Zypern stehen die größten Geldhäuser des Landes, die Bank of Cyprus und Laiki. Letztere soll geschlossen werden, erstere verkleinert. "Das ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Ich glaube, da ist vielen nicht wohl", erklärte Richard Griffiths von Berkeley Futures in London. Dies habe am Terminmarkt vor allem die Dax-Future unter Druck gesetzt.

Auch die Analysten der LBBW äußerten sich eher skeptisch: "Ob mit dem Rettungspaket die erhoffte Stabilisierung der Banken erzielt und eine Insolvenz des Staates abgewendet wird, hängt maßgeblich davon ab, inwiefern die Kapitalflucht aus Zypern (...) gestoppt werden kann", schrieben die Experten in einem Kommentar. Zudem sei angesichts der Erfahrungen mit Griechenland eine gewissen Vorsicht angebracht - insbesondere, was die mittelfristige Stabilisierung Zyperns und Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit angehe.

Die Regierung Zyperns und ihre Geldgeber hatten sich in der Nacht zu Montag in letzter Sekunde auf einen neuen Plan verständigt. Insbesondere Gläubiger und Kunden der beiden größten Banken sollen nun zur Sanierung des Landes und seiner Geldinstitute beitragen - nicht jedoch die Sparer mit Einlagen von bis zu 100.000 Euro. Ein erstes Rettungspaket war wegen der umstrittenen Sonderabgabe auf Bankeinlagen in der vergangenen Woche vom Parlament in Zypern abgelehnt worden.

In Schieflage ist Zypern vor allem durch seinen überdimensionierten Banken-Sektor geraten, der spätestens seit dem Schuldenschnitt für Griechenland mit extremen Problemen kämpft. Ob die Bürger ihr Geld nach dem Rettungsdeal in großem Stil von den zyprischen Banken abziehen, dürfte sich am Dienstag zeigen. Dann sollten die Institute nach gut einer Woche wieder öffnen.

Im Aktienhandel bekamen die Finanztitel die Risikoscheu zu spüren: Der Banken-Branchenindex für die Eurozone brach um 3,8 Prozent ein, nachdem er zuvor noch um 2,6 Prozent zugelegt hatte. Im deutschen Aktienhandel ging es für die Bankentitel nach anfänglichen Gewinnen ebenfalls kräftig bergab. Deutsche Bank verloren 3,2 Prozent. Commerzbank verbilligten sich um 1,7 Prozent.

Damit kamen die beiden deutschen Schwergewichte noch vergleichsweise glimpflich davon: In Mailand stürzten Unicredit um 5,8 Prozent und Intesa Sanpaolo um 6,2 Prozent ab. Auch die französischen Banken gerieten unter die Räder: Societe Generale büßten 6 Prozent ein, BNP Paribas gaben 3 Prozent ab.

Deutlich im Plus lagen am deutschen Aktienmarkt Bayer: Die Anleger setzten auf mehr Umsatz durch die Zulassung des Krebsmedikaments Stivarga in Japan. Der Pharma- und Chemiekonzern traut der Arznei in der Behandlung von Darmkrebs und Gist - einer weiteren Tumorart des Verdauungstrakts - einen jährlichen weltweiten Spitzenumsatz von bis zu 500 Millionen Euro zu. Die Titel rückten im Dax um 1,0 Prozent vor.

Die Aktien des von der Konjunktur unabhängigen Gesundheitskonzerns Fresenius profitierten vom Sicherheitsstreben der Anleger und legten um 2 Prozent zu.

Ebenfalls nach oben ging es für Lufthansa. Die Analysten von Davy stuften die Titel auf "outperform" von "neutral" und erhöhten das Kursziel auf 20,70 Euro von 15 Euro. Zudem kündigte die Gewerkschaft Verdi an, im Tarifstreit mit der Fluggesellschaft auf Warnstreiks über die Osterfeiertage zu verzichten. Die Titel verteuerten sich um 0,5 Prozent.

Auf der Verliererseite standen Lanxess. Den Aktien machten Kurszielsenkungen von UBS und Exane BNP zu schaffen. Sie verloren 2,1 Prozent.

An den Anleihemärkten gerieten sichere Anlagen, insbesondere deutsche Schuldtitel, nach der Zypern-Einigung moderat unter Druck. Riskantere Papiere profitierten hingegen. Die deutlichsten Kursgewinne verbuchten zehnjährige Staatsanleihen Griechenlands, das wirtschaftlich wie finanziell eng mit Zypern verbunden ist. Versicherungen gegen eine Staatspleite Zyperns (Credit Default Swaps, CDS) kosteten zu Wochenbeginn etwas weniger, allerdings immer noch mehr als vor dem Rettungsfiasko von vergangener Woche.

Der Preis für eine Feinunze (etwa 31 Gramm) Gold, das als Absicherung gegen krisenhafte Entwicklungen gilt, lag am Nachmittag mit 1599 US-Dollar leicht im Minus.

Die deutsche Kreditbranche reagierte positiv auf das Zypern-Rettungspaket. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, sagte, die Sicherung von Kleinsparerguthaben sei ein wichtiges Signal. Zypern stabilisiere durch die Abwicklung seiner zweitgrößten Bank und die Restrukturierung der größten seinen Finanzsektor: "Damit begrenzt Zypern seinen Finanzsektor auf ein vertretbares Maß."

Quelle: ntv.de, wne/DJ/dpa/rts

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