Brandherd Spanien Dax schmort in der Krise
17.11.2011, 17:38 Uhr
Wer reicht der Eurozone die helfende Hand?
(Foto: picture alliance / dpa)
Der deutsche Aktienmarkt spürt den Würgegriff der europäischen Schuldenkrise. Erholungsansätze werden im Keim erstickt, zuletzt von einer schwachen Nachfrage in einer Auktion spanischer Staatsanleihen. Die Nachfrage nach den als sicher geltenden Bundesanleihen steigt unterdessen weiter an.
Die Schuldenkrise der Eurozone hat die deutschen Standardwerte wieder einmal ins Minus gedrückt. Händler verwiesen auf die angespannte Lage an den meisten europäischen Anleihenmärkten mit steigenden Renditen, die die Unsicherheit um eine Lösung der Eurozonen-Probleme widerspiegele. Was viele Anleger vom Aktienmarkt fernhielt, verstärkte gleichzeitig das Interesse am deutschen Rentenmarkt. So schienen Bundesanleiihen wieder einmal die Gewinner der Krise zu sein. Deutschland konnte sich noch nie so billig mit Geld versorgen.
Der deutsche Leitindex Dax gab am Ende 1,2 Prozent auf 5.841 Punkte nach. Zwischenzeitlich hatte er mal kurz den grünen Bereich getestet. Im Einklang mit einem steigenden Euro profitierten auch die Aktienmärkte von einer steigenden Risikobereitschaft, hieß es dazu im Handel.
Der MDax mittelgroßer Werte verlor 1,7 Prozent auf 8.712 Punkte und der Technologieindex TecDax gab 1,1 Prozent auf 680 Punkte nach.
Schon vor der Anleiheauktion in Spanien hatte eine Reihe von Hiobsbotschaften den Trend gesetzt und den Markt gehörig unter Druck gesetzt. Ein Händler sprach von einem "Trio Infernal". Er verwies dabei auf die Warnung der Rating-Agentur Fitch vor einer Ansteckung der US-Banken durch die europäische Schuldenkrise, desweiteren auf die Abstufung der Kreditwürdigkeit deutscher Landesbanken durch die Ratingagentur Moody's sowie auf neuerliche Gerüchte um einen Verlust der Bestnote für die französische Kreditwürdigkeit. Die spanische Anleiheauktion setze dem gewissermaßen noch die Krone auf.
Spanische Anleihen "zu Strafzinsen"
Die Versteigerungen neuer Staatsanleihen fielen allerdings gemischt aus: Die jüngste Auktion französischer Staatsanleihen lief nach Einschätzung aus dem Handel noch einigermaßen zufriedenstellend. Von Spanien wollte das keiner behaupten. Zum Teil wurden Langläufer verkauft, was wegen des fehlenden Anlegervertrauens als besonders schwierig gilt.
"Die Lage bleibt fragil, denn das Interesse an europäischen Staatsanleihen scheint immer geringer zu werden", schrieb ein Analyst von der Landesbank Hessen-Thüringen. "Das Vertrauen auf eine Lösung der Schuldenkrise durch die Politik ist gering", so ein weiterer Händler.
Frankreich begab Staatsanleihen (BTAN) mit unterschiedlichen Laufzeiten im Gesamtvolumen von 6,976 Mrd. Euro. Die Durchschnittsrenditen legten im Vergleich zur vorangegangenen Auktion zwar leicht zu. Bei den Titeln mit Laufzeit bis Februar 2016 ging die Rendite aber zurück. Das Volumen lag am oberen Ende der erwarteten Spanne zwischen 6,0 und 7,0 Mrd. Euro. Die Auktion sei nicht großartig ausgefallen, es sei allerdings auch nichts angebrannt. Mit dem Resultat könne der Markt leben, sagte ein Händler.
Womit er allerdings nicht leben könnte, sei die spanische Auktion. Diese konnte nur zu Rekordzinsen platziert werden. Neben Italien entwickele sich Spanien zunehmend zum Hotspot, sagte ein Teilnehmer. Die spanische Regierung musste bei ihrer Anleiheauktion tief in die Tasche greifen und die höchsten Renditen für zehnjährige Titel seit Start des Euro bezahlen. Die Maximalrendite kletterte bis auf 7,088 Prozent, die Durchschnittsrendite lag bei 6,975 Prozent.
Hoffen auf EZB und Politik
Der Trend der vergangenen Auktionen setze sich fort, sagte ein Händler. "Nur zu Strafzinsen können Titel noch platziert werden." Der Druck auf die EZB dürfte mit der Auktion weiter zunehmen. Jeder wisse, dass sich Spanien dieses Niveau nicht leisten könne.
Im Blick stand in diesem Zusammenhang auch die Sitzung der europäischen Zentralbank EZB. Repräsentanten aus der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds (IWF) sprachen einem Agenturbericht zufolge über eine weitere Option, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen.
Die EZB könnte in diesem Fall Kredite an den IWF vergeben, sodass sogar die größten Euro-Staaten gerettet werden könnten, hieß es unter Berufung auf Personen, die Kenntnis über diese Gespräche haben. Auf diese Weise könnten die rechtlichen Beschränkungen der EZB umgangen werden. Der EZB ist die direkte Staatsfinanzierung verboten. Allerdings sträubt sich Deutschland beharrlich dagegen, die Rolle der EZB in der Bekämpfung der Schuldenkrise noch weiter auszudehnen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte die Euroländer derweil vor übertriebenen Hoffnungen an die EZB als Retterin in der Schuldenkrise. Ein Einsatz der EZB als Kreditgeber der letzten Instanz ("Lender of Last Resort") sei keine Lösung, sagte Merkel bei einem Führungskräftetreffen der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin. Wenn die Politik glaube, die EZB könne die Probleme der Eurozone lösen, rede sie sich etwas ein. Marktunsicherheiten könnten nur durch "feste politische Lösungen" überwunden werden.
Sicherer Hafen Bundesanleihen
Profiteur der Turbulenzen am Anleihemarkt schien wieder einmal die Bundesrepublik. Im Unterschied zu den Krisenländern and er Peripherie kann sie so billig wie nie zuvor bei Investoren Geld einsammeln. Die hohen Renditen bei französischen und spanischen Renten waren auch am Donnerstag regelrechter "Treibstoff" für deutsche Staatsanleihen. Hatte die Warnung der Rating-Agentur Fitch die Nachfrage nach den als sicher geltenden Bundesanleihen bereits deutlich angefacht, konnten die Papiere nach den Auktionen am Anleihemarkt ihren Höhenflug erst recht noch einmal fortsetzten. Die Bund-Futures kletterten auf 138,61 Prozent nach 138,41 Prozent im Vorfeld der Auktion.
Es gibt aber auch die Kehrseite der Medaille: Renditen von unter einem Prozent sind für Investoren nicht gerade eine große Verlockung, wenn die Inflation deutlich darüber liegt. Zum anderen haben angesichts des seit Monaten anhaltenden Runs viele Anleger ihre Portfolios inzwischen randvoll mit deutschen Staatspapieren, so dass sie sich bei Neuemissionen doch eher zurückhalten. So warten jetzt viele Anleger ab, ob die Europäische Zentralbank (EZB) wieder italienische und spanische Bonds stützen wird. "Die EZB hat gestern recht aggressiv gekauft," sagte ein Händler. Jeder Aufkauf durch die EZB bedeutet ein Stück mehr Sicherheit, dass die Eurozone nicht auseinanderbricht.
Finanztitel kämpfen
Bei den Einzeltiteln am deutschen Aktienmarkt standen erwartungsgemäß die Aktien der Banken unter Druck. Commerzbank oder Deutsche Bank verloren 4,3 bzw. 3,7 Prozent an Wert. Sie litten einmal mehr unter der anhaltenden Unsicherheit am Markt und der Sorge um die Schuldenkrise in der Eurozone.
Die steigenden Renditen an den Anleihemärkten schürten die Furcht vor Ausfällen in den Anlagen der Banken und Versicherer, sagten Händler. Die Allianz-Aktien notierten 0,9 Prozent leichter.
Die Verlierer allerdings wurden von ThyssenKrupp angeführt. Die stark konjunkturabhängigen Stahlaktien verloren nach einer Prognosesenkung von Voestalpine 5,9 Prozent.. Daimler fielen um 1,8 Prozent, nachdem die Analysten der Credit Suisse die Aktien auf "Neutral" zurückgestuft haben. Infineon gaben 3,3 Prozent nach, nachdem die Analysten von Goldman Sachs haben Infineon von einer Liste besonders aussichtsreicher Aktien gestrichen haben.
Die Papiere von Metro stiegen als als Gewinner im Dax um 0,8 Prozent. Händler sprachen von einem positiven Einfluss auf die Aktien des Handelskonzerns durch Zahlen des niederländischen Wettbewerbers Ahold , die besser als erwartet ausgefallen waren.
In der zweiten Reihe fielen Heidelberger Druck um 6,5 Prozent. "MAN und die Allianz suchen einen Großinvestor aus dem europäischen Anlagenbau für MAN Roland. "Nun könnten diejenigen aufgeschreckt worden sein, die auf ein Zusammengehen von Heideldruck und MAN Roland gesetzt hatten", sagte ein Händler.
Im SDax gaben Air Berlin um 2,1 Prozent nach. Die Fluggesellschaft hat das Ziel eines positiven Ebit im laufenden Jahr kassiert. "Dass die umfangreichen Umbaumaßnahmen unter Mehdorn kurzfristig erst einmal Geld kosten, war zu erwarten", wiegelte ein Händler allerdings ab.
Quelle: ntv.de, ddi/DJ/rts/dpa