Wird alles gut? Dow & Co. klettern
14.11.2002, 22:20 UhrDie Anleger in New York waren bester Laune. Nach den Friedenssignalen aus dem Irak vom Vortag gab es am Donnerstag besser als erwartete Konjunkturdaten, vor allem vom Einzelhandel. Und der macht schließlich einen großen Teil der US-Wirtschaft aus. Für die Anleger schien klar: Alles wird gut. Aber es gab nicht nur Optimisten an der Wall Street. Der Dow Jones gewann 1,7 Prozent auf 8.542 Zähler, die Nasdaq verbesserte sich um 3,7 Prozent auf 1.412 Punkte.
Die Gewinne seien erfreulich, so der allgemeine Tenor auf dem Parkett. Und sie kommen zu einem großen Teil durch Umschichtungen vom Renten- in die Aktienmärkte zustande. Skeptiker zeigten sich allerdings vorsichtig: der Aufschwung sei fundamental nicht begründet, die Wirtschaft müsse erst noch zeigen, ob und wie schnell sie wachse. Und die Zinssenkungsphantasie sei nach dem überraschend hohen Zinsschnitt der amerikanischen Notenbank in der vergangenen Woche erst einmal raus aus den Märkten.
Auch in Sachen Irak sind wohl noch nicht alle Messen gelesen. Saddam Hussein müsse erst beweisen, dass es ihm mit der Annahme der UNO-Resolution ernst sei. Das werde sich aber erst zeigen, wenn die Waffeninspekteure vor Ort sind, so ein Händler. Die Technik der Märkte spreche zumindest für eine kurzfristige Konsolidierung der Märkte. Diese seien nach dem jüngsten, kräftigen Aufschwung überkauft, so ein technischer Analyst an der Wall Street.
Hoffnung auf weiter steigende Kurse schöpfen die Anleger aber aus den jüngsten Konjunkturdaten: Das US-Handelsministerium in Washington hatte am Nachmittag für den Monat Oktober unveränderte Einzelhandelsumsätze gemeldet. Lässt man allerdings die Auto-Verkäufe außer acht, die in der jüngsten Zeit durch starke Zinsvergünstigungen seitens der Autobauer massiv angekurbelt worden waren, dann ergibt sich eine Zunahme von 0,7 Prozent. Volkswirte hatten dagegen mit einem leichten Minus von 0,1 Prozent gerechnet.
Auch die Importpreise entwickelten sich im vergangenen Monat erfreulich: Während Experten mit einem Anstieg um 0,2 Prozent gerechnet hatten, war er nach Angaben des Washingtoner Arbeitsministeriums mit tatsächlich 0,1 Prozent im Oktober nur halb so hoch.
Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe waren in der Woche per 9. November zum zweiten Mal hintereinander gefallen. Mit 388.000 lagen sie um 8.000 unter der Zahl des Vormonats. Die Zahlen der Vorwoche mussten allerdings von 390.000 auf 396.000 nach oben revidiert werden.
Der weltgrößte Ausrüster von Chipfabriken Applied Materials hat in seinem vierten Geschäftsquartal die Analystenprognosen übertroffen. Der Konzern hat 9 Cent je Aktie verdient, nachdem ein Jahr zuvor noch ein Verlust angefallen war. Erwartet worden war lediglich ein Gewinn von 8 Cent. Eine neue Generation von Werkzeugen habe zu dem positiven Trend beigetragen, verlautete aus dem Unternehmenssitz im kalifornischen Santa Clara. Pessimistisch äußerte sich Applied Materials aber zum laufenden Quartal: der Auftragseingang dürfte um rund ein Fünftel zurückgehen. Dennoch legte die Aktie um 7,2 Prozent auf 15,76 Dollar zu.
Die Zahlen von Applied Materials gelten als Gradmesser für die gesamte Chipbranche. So verbesserten sich Applied Microcircuits um 5,3 Prozent auf 4,38 Dollar, KLA Tencor stiegen um 6,1 Prozent auf 37,32 Dollar, nVidia schlossen 6,6 Prozent fester bei 12,55 Dollar und Vitesse Semiconductor schossen um 10,1 Prozent auf 1,97 Dollar nach oben. Der Chipgigant Intel profitierte zudem von der Ankündigung zusätzlich 480 Millionen eigene Aktien zurückzukaufen. Die Aktie verbuchte ein Plus von 6,0 Prozent auf 19,21 Dollar.
Der weltgrößte Computerkonzern IBM sieht sich für das kommende Jahr gut gerüstet. Auf einer Analystenkonferenz sagte Finanzchef John Joyce, das Unternehmen erwarte Umsatz und Gewinn im Rahmen der aktuellen Marktprognosen. Und die gehen von einem Wachstum für 2003 aus, nachdem IBM in diesem Jahr unter den schwachen Technologieausgaben der Wirtschaft gelitten hatte. Die Investoren zeigten sich angetan von so viel Optimismus und setzten den Kurs um 1,7 Prozent hoch auf 80,72 Dollar.
Der Pensionsfonds der Technologiekonzerns Honeywell leidet unter Schwindsucht. Das Defizit könnte zum Jahresende auf bis zu 1,7 Milliarden Dollar anwachsen, erklärte das Management in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC. Grund sind die Kursverluste an den Finanzmärkten, die den Wert des Portfolios in diesem Jahr um rund 15 Prozent schrumpfen ließen. Um trotzdem den Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Ex-Mitarbeitern nachkommen zu können, schießt Honeywell jetzt 900 Millionen Dollar nach, die natürlich in der Bilanz als außerordentliche Belastung auftauchen werden. Den Anlegern schmeckte dieser Braten überhaupt nicht, sie schickten die Aktie um 8,3 Prozent in den Keller auf 23,16 Dollar.
Der US-Finanzkonzern Household International bekommt einen neuen Eigentümer. Die transnationale Bank HSBC will im Zuge eines Aktientauschs die Mehrheit an den Amerikanern übernehmen. Das Volumen der Transaktion liegt zwischen 13 und 14 Milliarden Dollar. Durch das Übernahmeangebot wird Household International mit etwa 30 Dollar je Aktie bewertet. Und genau in diese Richtung bewegte sich auch der Kurs: plus 22,4 Prozent auf 27,50 Dollar.
Quelle: ntv.de