Marktberichte

Inside Wall Street Gerüchte um NYSE-Chef

An der Wall Street dreht sich das Personalkarussell. Merrill Lynch und Citigroup haben binnen weniger Tage ihre Vorstandsvorsitzenden gefeuert, nun sind zwei der wichtigsten Positionen im US-Finanzsektor neu zu besetzen. Eine soll sich John Thain sichern, der Chef der New York Stock Exchange.

Die NYSE soll noch für Mittwoch eine außerplanmäßige Vorstandssitzung einberufen haben. Entsprechende Gerüchte werden zwar offiziell nicht bestätigt, doch sind sich Insider auf dem Parkett sicher: John Thain dürfte schon in den nächsten Tagen seinen Rücktritt bekanntgeben. Thain selbst hatte in den letzten Wochen mehrere Interview-Anfragen abgelehnt – ein sicheres Zeichen für wichtige Bewegungen, die noch nicht an die Öffentlichkeit sollen.

So deutet vieles darauf hin, dass Thain von der Börse zu einem der zur Zeit führerlosen Finanzriesen wechseln dürfte. Ein zunächst diskutierter Job bei der Citigroup gilt dabei zunehmend als unwahrscheinlich. Die Großbank soll zwar seit dem Abgang von Bankchef Chuck Prince den NYSE-Chef auf ihrer Kandidatenliste gehabt haben, doch soll diese Option innerhalb des Unternehmens umstritten gewesen sein. Vor allem der einflussreiche Chef des Investmentgeschäfts, Vikram Pandit, soll sich gegen Thain ausgesprochen haben. Pandit selbst gilt in Finanzkreisen als aussichtsreicher Kandidat für den Chef-Posten, für den Spekulationen zufolge auch die Vorstandsvorsitzenden von AIG und J.P. Morgan in Frage kommen sollen.

Die meisten Beobachter rechnen an der Wall Street damit, John Thain schon bald im Chefsessel von Merrill Lynch zu sehen, den gerade Stan ONeill frei gemacht hat. Entsprechende Spekulationen sind weder von Thain noch von der NYSE dementiert worden – im Gegensatz zu ursprünglichen Citigroup-Gerüchten.

Merrills Gewinn wäre der NYSE Verlust und für die weltweit wichtigste Börse nicht einfach zu verkraften. Unter John Thain hat das Unternehmen in wenigen Jahren einen sensationellen Aufstieg erlebt. So wurde aus dem krisengeschüttelten und von Skandalen geplagten Altherren-Club, den sein Vorgänger Dick Grasso hinterlassen hatte, durch die Fusion mit Archipelago ein gewinnorientierter Konzern und durch die Fusion mit der Euronext ein Global Player mit stabiler Zukunftsperspektive. Seit dem Börsengang vor zwei Jahren hat das Papier der NYSE Euronext um mehr als 25 Prozent zugelegt.

Mit dieser Geschichte kommt Thain beim krisengeschüttelten Brokerhaus Merrill Lynch bestens an, das nach Milliardenabschreibungen und teuren Wetten auf Subprime-Kredite dringend einer Restrukturierung bedarf. Die traut man dem Mann von der NYSE zu, zumal der genug Broker-Erfahrung hat. Bevor er sein Büro im sechsten Stock der New Yorker Börse bezog, war Thain Präsident und Chef des Operativen Geschäfts bei Goldman Sachs, der Kaderschmiede im amerikanischen Finanzwesen.

Die New York Stock Exchange wäre indes nicht völlig unvorbereitet, wenn sich John Thain in den nächsten Tagen verabschieden würde. Schon bei seinem Amtsantritt im Januar 2004 hatte Thain eine Dienstzeit „von drei bis fünf Jahren“ angepeilt. Entsprechend baute die Börse für den Ernstfall vor und installierte vor einem Jahr mit dem ebenfalls von Goldman Sachs abgeworbenen Duncan Niederauer einen Vize an Thains Seite, der nun als sein aussichtsreichster Nachfolger gilt.

Quelle: ntv.de

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