Marktberichte

Inside Wall Street Klebrige Preise im Supermarkt

Vor lauter Angst um eine globale Rezession ist ein Schlagwort an der Wall Street zuletzt untergegangen: die Inflation. Die hat vor einem halben Jahr eine massive Rolle in jedem Konjunkturgespräch gespielt, weil die steilen Preisanstiege - vor allem bei Öl und Lebensmitteln - die Amerikaner massiv unter Druck brachten.

Der Inflationsdruck ging so weit, das man an der Wall Street allen Ernstes darüber diskutierte, eine alte Messeinheit ganz abzuschaffen und zur Berechnung der Preisanstiege statt der "Kernrate" künftig die Gesamtrate zu lesen. Das wäre durchaus sinnvoll. Denn die Kernrate konnte viele Jahre lang nur deshalb als Maßstab gelten, weil sie von der Gesamtrate - mit Energie- und Lebensmittelkosten - nicht allzu sehr abwich.

Zuletzt indes litten amerikanische Konzerne und Bürger allerdings unter ungewöhnlich steilen Anstiegen bei den Energie- und Lebensmittelkosten. Hohe Ölpreise machten nicht nur das Autofahren und im Winter das Heizen teurer, sondern schlugen sich auch auf viele andere Bereiche durch. Alles aus Plastik wurde etwa deutlich teurer, dazu alle Waren, die irgendwie in die Läden gekarrt werden mussten und plötzlich teure Fracht- oder Versandaufschläge mit sich brachten.

Im Supermarkt bekamen Verbraucher doppelt auf die Mütze: Nicht nur die hohen Transportkosten machten den Einkauf teurer, sondern auch die gestiegen Rohstoffpreise für Weizen und Zucker, Baumwolle, Mais, Sojabohnen, Milch, Fleisch und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die wurden von den verarbeitenden Herstellern nämlich nicht absorbiert, sondern schleunigst an den Kunden weitergegeben.

Und jetzt? Trotz deutlich gesunkener Rohstoffpreise zeichnet sich für den amerikanischen Verbraucher keine Erleichterung ab. Die Preisschilder im Supermarkt spiegeln nicht wieder, dass der Ölpreis in den letzten Wochen um die Hälfte eingebrochen ist. Die Preise für Fertiggerichte und Sodapops spiegeln nicht wieder, dass der Preis für Weizen um 30 Prozent gesunken ist, für Sojabohnen um 40 Prozent und für Mais um 50 Prozent.

Experten schieben diesen Umstand auf das Phänomen der "sticky prices" - die Preise kleben fest. "Einmal erhöht, werden sie von den Unternehmen nicht mehr gesenkt", meint Chris Lafakis von Moody's. Das hängt ein Stück weit damit zusammen, dass sich die Unternehmen anfangs schwer tun, die Preise anzuheben; zu hoch ist oft die Angst, der Kunde könnte zur Konkurrenz überlaufen.

Umso länger halten sie dann aber an den Preisen fest, wenn man sie einmal - oft zeitgleich mit der Konkurrenz - angehoben hat. Schließlich muss man entgangene Gewinne wieder einholen, und dann hat man sich irgendwann auch an die höheren Margen gewöhnt. Eine Notwendigkeit die Preise zu senken, sehen die Hersteller oft nicht - jedenfalls nicht, bevor wieder die Konkurrenz auf die Idee kommt und Druck ausübt.

Die Konkurrenz, meint Analyst Lafakis, sei für die meisten Produzenten ohnehin der wichtigere Preisfaktor. "Coca-Cola ist im Prinzip egal, was die Herstellung der Getränke kostet. Viel wichtiger ist, was Pepsi verlangt." Beim Bier verhalte es sich ebenso, bei Cornflakes auch, und natürlich auch bei den Fleischfabrikanten. Die hatten sich zuletzt derart unter Druck gesetzt, dass Tyson Foods im vergangenen Quartal einen Gewinneinbruch um 92 Prozent einstecken musste. Trotz höherer Fleischpreise wollte man die Verkaufspreise nicht vor der Konkurrenz anheben.

Der amerikanische Verbraucher kann zurzeit nur darauf hoffen, dass irgendwann ein gesunder Konkurrenzkampf das Preisgleichgewicht stört und einen branchenweiten Rutsch auslöst. Allzu viel Hoffnung sollte man sich aber nicht machen, denn die Unternehmen haben aus der Cornflakes-Krise von 1996 gelernt. Damals begann Post Cereal mit den Preissenkungen, die Konkurrenz zog nach - und am Ende litten Umsätze und Profitabilität.

Zunächst werden die hohen Lebensmittelpreise also kleben bleiben; der Verbraucher muss auf eine Entlastung warten.

Quelle: ntv.de

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