Inside Wall Street Wer wählt wen?
03.11.2008, 19:00 UhrDer Wahlkampf ist - fast! - zu Ende, und die Wall Street rechnet fest mit einem Sieg für Barack Obama. Anleger und Trader sehen dem gelassen entgegen; die Republikaner haben ihren Vorsprung im Finanzviertel längst eingebüßt, was vor allem an der katastrophalen Haushaltspolitik von George W. Bush liegt.
Das heißt allerdings längst nicht, dass es der Wall Street egal ist, wer am Dienstag die Mehrheit der Wahlmänner bekommt. Zwar halten sich die Obama- und die McCain-Fans insgesamt etwa die Waage. Doch innerhalb einzelner Branchen gibt es erhebliche Unterschiede, denn sie dürften von dem einen oder dem anderen Präsidenten doch mehr oder weniger profitieren.
Zu den Siegern der Wahl gehören bereits im Vorfeld die Unternehmen, die sich mit Alternativen Energien beschäftigen. Sowohl Obama als auch McCain wollen diesen Sektor stärken, denn eine verantwortungsbewusste Energiepolitik ist zum Kernstück aller Wirtschaftspolitik geworden. Unterschiede zwischen den Parteien gibt es dennoch: Die Demokraten wollen in den nächsten zehn Jahren bis zu 150 Mrd. Dollar in die Entwicklung neuer Energien investieren, während es die Republikaner laut Wahlprogramm bei Steuersenkungen belassen.
Die Partei von Bush und McCain plant dafür, weiter auch in traditionelle Energien zu investieren. So sollen bis 2030 bis zu 45 neue Kernkraftwerke gebaut werden, während zwei Milliarden Dollar in Kohle investiert werden sollen. Die Förderung "sauberer Kohle", also von Kraftwerken mit entsprechenden Filtern, steht indes auch bei Obama im Programm.
Um neue Technologien geht es auch in der Pharmabranche, wo vor allem die Stammzellenforschung seit Jahren heftig diskutiert wird. Unter der Bush-Regierung wurde sämtliche staatliche Förderung solcher Programme eingestellt, da die Tötung der Embryonen als unmoralisch eingestuft wurde. Sowohl McCain als auch Obama wollen die Forschung wieder unterstützen, was einige Aktien der Branche massiv stärken dürfte. "Unsere Investoren werden endlich keine Angst mehr haben, dass wir irgendwann als Verbrecher-Branche verurteilt werden", freut sich Richard Garr, der CEO von Neuralstem.
Zu den klaren Verlierern der Wahlen gehören hingegen die Pharma-Riesen. Ob Pfizer oder Merck, die größten Untertehmen des Sektors haben unter Bush freie Hand gehabt und etwa durchgesetzt, dass der Staat als größter Käufer von Medikamenten (etwa für die Versicherungsprogramme Medicaid und Medicare) nicht über die Kaufpreise verhandeln darf, sondern jeden von der Industrie festgelegten Satz zahlen muss. Das wird sich ändern, egal wer ins Weiße Haus einzieht. Barack Obama räumt dem Thema allerdings höhere Dringlichkeit ein und will jährlich bis zu 30 Mrd. Dollar einsparen.
Auch die Telekom-Branche dürfte es unter beiden möglichen Präsidenten schwer haben. Zahlreiche Merger in der Branche - darunter Verizons 28 Mrd. Dollar schwere Übernahme von Alltel und Googles Übernahme von Doubleklick - sind vom Justizministerium genehmigt, seither aber massiv kritisiert worden. Sowohl unter Obama als auch McCain dürften die zuständigen Experten eher kartellrechtliche Bedenken anmelden und sich für mehr Wettbewerb in der Branche aussprechen.
Große Unterschiede zwischen den Wahlprogrammen von McCain und Obama sieht die Öl-Branche. Wenn die Demokraten das Weiße Haus und eine Mehrheit im Kongress erobern, dann dürften die Steuererleichterungen für die Branche Geschichte sein. Stattdessen werden ExxonMobil, Chevron und Co. vermutlich Sondersteuern auf allzu hohe Gewinne zahlen. Politisch lässt sich das problemlos durchsetzen, zumal die beiden Dow-notierten Energieriesen gerade historische Rekordgewinne gemeldet haben - während der Rest des Landes unter einer Finanzkrise leidet.
Ein Überraschungssieg von McCain würde der Branche erhebliche Vorteile verschaffen, da sich der republikanische Kandidat - und seine Vize Sarah Palin - massiv für Bohrungen vor der eigenen Küste und notfalls auch im Naturreservat Alaskas einsetzen.
Auch die Rüstungsbranche hofft auf einen Sieg von McCain, unter dem die staatlichen Ausgaben für das Militär weiterhin Priorität haben dürften. Barack Obama hingegen dürfte sich massiv für Etatkürzungen einsetzen. So dürfte die Entwicklung des umstrittenen Raketenschutzschilds für die USA überdacht werden. Auch die 200 Mrd. Dollar schwere Investition in ein umfangreiches "Future Combat System" dürfte neu überdacht werden.
Quelle: ntv.de