Sorgen um Italien Dax fällt und fällt
02.08.2011, 17:40 UhrDer deutsche Aktienmarkt bricht weiter ein und schließt auf dem tiefsten Stand seit viereinhalb Monaten. Neben der konjunkturellen Unsicherheit belasten den Markt vor allem Sorgen um die Stabilität der italienischen Staatsfinanzen, die gleichermaßen von einem Krisentreffen auf politischer Ebene als auch massiven Kursverlusten an der Mailänder Börse befeuert wird.
Der Kursrutsch am deutschen Aktienmarkt hat sich am Dienstag fortgesetzt. Nach einem über weite Strecken durchwachsenen Handel brachen die Kurse schließlich im Zuge neuer Kursturbulenzen am italienischen Aktienmarkt ein. Der Dax konnte dabei seine psychologisch wichtige Marke von 6800 Punkten nicht verteidigen, nachdem er erst am Vorabend unter die Marke von 7000 Punkten gerutscht war. Die Schuldenkrise in Europa kehrt damit mit voller Wucht zurück. Die US-Schuldengrenze war hingegen kein Thema mehr auf dem Parkett.
Der Dax beendete den elektronsichen Handel mit einem Minus von 2,3 Prozent auf 6796,75 Punkte. Der MDax gab um 3,7 Prozent auf 9957,00 Punkte nach. Für den TecDax ging es um 3,5 Prozent auf 787,52 Punkte abwärts.
"Es sieht so aus, als ob die Anleger den Schulden-Deal in Washington vergessen haben und sich auf die Konjunkturdaten konzentrieren, die eindeutig schlechter als erwartet ausgefallen sind", sagte Analyst Bill McNamara vom Brokerhaus Charles Stanley. Die US-Konsumausgaben waren im Juni um 0,2 Prozent zurückgegangen; Analysten hatten mit einem Plus von 0,2 Prozent gerechnet. Schon am Vortag hatten die Konjunkturindizes der Einkaufsmanager aus den USA und China eine Verlangsamung des weltweiten Wachstums signalisiert.
Die Erleichterung über die Einigung im US-Schuldenstreit verpuffte vollends. Ein deutscher Aktienhändler betonte, sie werde von Investoren als fauler Kompromiss gesehen. "An der hohen Verschuldung ändert sich vorläufig ja nichts, und außerdem hat der Streit der Welt die politische Zerrissenheit der USA vor Augen geführt." Börsianer gehen davon aus, dass die weltgrößte Volkswirtschaft ihre Top-Bonitätsnote verlieren wird, sollten sich die Parteien im US-Kongress nicht auf eine nachhaltige Sanierung des Haushaltes einigen.
Euro-Schuldenkrise kehrt zurück
Für einen kräftigen Dämpfer sorgten dagegen wachsende Sorgen um die Verschuldungssituation Italiens. Auslöser dafür waren deutliche Kursverluste italienischer Staatsanleihen sowie einen Kursrutsch an der Mailänder Börse. Die Meldung, dass der Vorsitzende der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, am Mittwoch in Luxemburg mit dem italienischen Finanzminister Giulio Tremonti zusammentreffen wird, um über die Schuldenkrise in der Eurozone zu sprechen, unterstreiche die Dringlichkeit der Situation, heißt es darüber hinaus. Ministerpräsident Silvio Berlusconi will auf Druck der linken Opposition zudem am Nachmittag vor beiden Kammern des Parlaments zu den Wachstums- und Schuldenproblemen seines Landes sprechen.
Schließlich gibt es Börsianern zufolge Gerüchte über weitere Verschiebungen von Anleiheauktionen in Italien. "Das muss nichts Schlimmes bedeuten, wird in diesem angespannten Umfeld aber mit Sorge aufgenommen", sagte ein Marktteilnehmer.
Quartalsbilanzen mit Licht und Schatten
Neben den großen gesamtwirtschaftlichen Faktoren sorgte eine wahre unter den Dax-Werten für kräftig Bewegung. Am stärksten bekam das der Handelsriese Metro zu spüren, der nach enttäuschenden Zahlen um 7,5 Prozent einbrach. Die WestLB meinte, der Einzelhandelskonzern halte zwar am Ausblick eines Anstiegs des operativen Gewinns im laufenden Jahr von 10 Prozent fest. Es sei aber unglücklich, dass das Erreichen dieser Marke von einer Aufhellung des makroökonomischen Umfelds abhänge.
Trotz eines starken Quartals gaben die Papiere von BMW bis Handelsschluss um 2,6 Prozent nach. Noch am Nachmittag hatten Analysten über das Zahlenwerk des Autobauers gejubelt. Analyst Max Warburton von Bernstein Research etwa attestierte dem Konzern, "großartige" Gewinnkennziffern vorgelegt zu haben, die die bereits hohen Erwartungen des Marktes übertroffen hätten. Die UniCredit hatte nach Veröffentlichung der Zahlen ihr Kursziel um 3 auf 84 Euro erhöht und die Kaufempfehlung bekräftigt.
Papiere der Deutschen Post hielten sich gegen den Gesamttrend mit 0,4 Prozent Minus gut. "Ordentlich", kommentiert Equinet-Analyst Jochen Rothenbacher die Geschäftszahlen des Logistikers für das zweite Quartal. Positiv sei die Anhebung des Ausblicks, deutlich schwächer als von ihm erwartet habe sich allerdings das Briefgeschäft entwickelt.
Fresenius schafft Plus
Einziger Kursgewinner im Dax war der Gesundheitskonzern Fresenius, der nach einer angehobenen Gewinnprognose mit einem Plus von 0,4 Prozent aus dem Handel ging. Die Aktien der Tochter Fresenius Medical Care verloren dagegen 2,1 Prozent. die Gesellschaft kauft in den USA einen Dialysespezialisten für 1,7 Mrd. US-Dollar.
Abseits der Quartalszahlen standen zyklische Werte weit oben auf der Verkaufsliste. Für den konjunkturabhängigen Stahlriesen ThyssenKrupp ging es um 5,2 Prozent nach unten, der Lkw-Bauer MAN verzeichnete einen Kurssturz um 5,6 Prozent. Der Autobauer VW ging mit einem Minus von 4,1 Prozent aus dem Rennen.
Unter den Nebenwerten brachen nach Quartalszahlen die Papiere von Wacker Chemie um 10,5 Prozent ein. "Auf den ersten Blick ist das eine Enttäuschung", erklärte ein Börsianer. "Die Gewinne lagen unter unseren Schätzungen." Der Spezialchemiekonzern hatte zudem die durchschnittlichen Umsatzprognosen der Analysten deutlich verfehlt.
Auch unter den übrigen Aktien aus der zweiten Reihe brachen konjunktursensible Aktien ein. Für Leoni ging es um 9,3 Prozent abwärts, Heidelberger Druckmaschinen schlossen 8,9 Prozent niedriger, der Stahlhändler Klöckner & Co fiel um 8,0 Prozent.
Im TecDax gab Evotec die Kursgewinne des Vortages wieder ab. Mit 9,6 Prozent Minus führten die Papiere die Verliererliste im Technologieindex an.
Quelle: ntv.de, nne/DJ/rts