Urteil in Düsseldorf Freispruch für Ex-WestLB-Chef
19.06.2008, 09:23 UhrDer frühere WestLB-Chef Jürgen Sengera ist vom Vorwurf der Untreue im Zusammenhang mit einem geplatzten Milliardenkredit freigesprochen worden. Zwar habe Sengera 1999 bei der Vergabe eines 1,35 Mrd. Euro schweren Kredits durch die Westdeutsche Landesbank pflichtwidrig gehandelt, doch habe ihm kein Vorsatz nachgewiesen werden können, sagte Richterin Brigitte Koppenhöfer am Donnerstag. Er habe sich damit nicht der schweren Untreue schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob sie gegen das Urteil des Düsseldorfer Landgerichts vor den Bundesgerichtshof zieht.
Die Ankläger hatte dem 65-jährigen Ex-Manager vorgeworfen, er habe bei der Vergabe eines 1,35 Mrd. Euro schweren Kredits an den britischen Fernseher-Verleiher Boxclever im Jahr 1999 pflichtwidrig gehandelt, der Bank aus persönlichem Ehrgeiz einen Schaden von über 400 Mio. Euro zugefügt und sich damit der schweren Untreue schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft hatte eine zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung für Sengera gefordert. Das Gericht solle mit Blick auf die internationale Finanzkrise ein Signal setzen, so die Ankläger. Sengeras Verteidiger hatten einen Freispruch gefordert. Der Manager selbst hatte seine Unschuld beteuert.
Koppenhöfer stellte in ihrer Urteilsbegründung dem Angeklagten und der WestLB für die Kreditvergabe ein schlechtes Zeugnis aus. Nach Auffassung der Kammer verstieß Sengera bei der Vergabe des Darlehens gegen Prüfungspflichten. Die WestLB habe sich nicht ausreichend über die Entwicklung am britischen Markt für Leih-TV-Geräte informiert. Von den Kreditnehmern zur Verfügung gestellte Daten seien "ohne weitere Prüfung" übernommen worden: "Es gab keine klassische Unternehmensanalyse für Boxclever".
Zudem sei die Bank auch allein auf Risiken sitzen geblieben. Sicherheiten seien nicht ausreichend bewertet und in Aussicht gestellte Synergien nicht hinterfragt worden. Auch Warnungen des Zentralen Kreditmanagements (ZKM) der Bank seien in den Wind geschlagen worden. Die Abteilung wollte auch andere Banken an dem Kredit beteiligen. Die WestLB habe den Kredit aber allein stemmen wollen, um sich im Markt für strukturierte Finanzierungen einen internationalen Ruf zu verschaffen, sagte Koppenhöfer. Beschlüsse des Vorstands zu Boxclever seien zudem missverständlich formuliert worden. Bei fundierter Prüfung, befand die Kammer, wäre der Kredit "nicht genehmigt" worden.
Die Staatsanwaltschaft kündigte an, aus formellen Gründen binnen sieben Tagen Revision gegen das Urteil einlegen zu wollen. Sie wolle dann die schriftliche Begründung der Kammer abwarten und sich entscheiden, ob sie Revision beim BGH einlegen werde. Sengeras Verteidiger begrüßten das Urteil. Anwalt Christian Richter sagte, er hoffe, dass die Ankläger ihre Chancen realistisch einschätzten und das Urteil rechtskräftig werden ließen. Sengera selbst wollte sich nicht äußern.
Mit dem Urteil muss die Düsseldorfer Anklagebehörde einen neuen Rückschlag in einem spektakulären Wirtschaftsverfahren hinnehmen. Im Jahr 2006 war das Mannesmann-Verfahren, in dem unter anderem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann auf der Anklage-Bank saß, von Koppenhöfer gegen Geldauflagen eingestellt worden.
Quelle: ntv.de