Hoffen auf Freispruch Sengera-Urteil am 19. Juni
11.06.2008, 15:49 UhrDie Verteidigung hat im Untreue-Prozess gegen Ex-WestLB-Chef Jürgen Sengera einen Freispruch gefordert. "Der Vorwurf vorsätzlichen Handelns ist ohne Grundlage", sagte Verteidiger Eberhard Kempf am Mittwoch vor dem Düsseldorfer Landgericht. "Wir beantragen daher, Herrn Sengera freizusprechen." Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen eine zweijährige Freiheitsstrafe gefordert, die gegen eine Geldauflage zur Bewährung ausgesetzt werden soll. Das Gericht will am 19. Juni das Urteil verkünden.
Die Anklage wirft dem ehemaligen WestLB-Chef vor, in seiner Zeit als Vorstand ein rund 1,35 Milliarden Euro schweres Darlehen an den britischen Fernsehverleiher Boxclever 1999 nur unzureichend geprüft und der WestLB damit einen Schaden von rund 427 Millionen Euro zugefügt zu haben. Sengera habe bei der Vergabe des Kredits aus Ehrgeiz pflichtwidrig gehandelt, andere Vorstände nur unzureichend informiert und sich der schweren Untreue schuldig gemacht, hatte Staatsanwalt Henning Wilke gesagt.
Sengeras Anwälte Kempf und Christian Richter sehen dies anders. "Ist ein Risikogeschäft Gegenstand der Anklage, so wird die Anklage selbst zum Risikogeschäft", sagte Kempf mit Blick auf die Staatsanwaltschaft. Zwar sei das Ergebnis der Boxclever- Transaktion ein "Desaster" gewesen, räumte sein Kollege Richter ein. "Hinterher ist man immer schlauer", fügte er hinzu. Die Ursachen des Scheiterns seien aber nicht Gegenstand des Verfahrens. Dieses habe vielmehr gezeigt, dass Sengera bei der Kreditvergabe kein "Sonderwissen" gegenüber anderen WestLB- Vorständen gehabt habe. Kempf ergänzte, aus Sicht der Verteidigung sei zudem belegt, dass Risiken bei der Kreditvergabe und die Lage am britischen TV-Verleihmarkt ausreichend analysiert worden seien. Die entsprechenden Unterlagen seien im WestLB-Vorstand bekannt gewesen. Sengera habe seine Pflichten als Vorstand nicht verletzt.
Das Gericht selbst hatte in einem Zwischenbericht angedeutet, dass Sengera auf einen Freispruch hoffen kann. Die Kammer war zum Schluss gekommen, dass dem Ex-Manager bei der Kreditvergabe an Boxclever allenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Eine Verurteilung wegen Untreue sei aber nur bei vorsätzlichem Handeln möglich, hatte Richterin Brigitte Koppenhöfer gesagt.
Der Prozess gegen den 65-jährigen Sengera hatte im Januar begonnen. Seitdem wurden 34 Zeugen verhört, unter anderem die prominente Investmentbankerin Robin Saunders, die die Transaktion eingefädelt hatte.
Quelle: ntv.de