"Ricke und Zumwinkel" Sicherheitschef packt aus
31.05.2008, 11:48 UhrWer gab den Auftrag zur Bespitzelung von Informanten bei der Telekom? Die Konzernspitze selbst, sagt nun ein Ex-Sicherheitschef der Deutschen Telekom. Um die Umsetzung hätten sich das damalige Führungsduo Kai-Uwe Ricke und Klaus Zumwinkel dann allerdings nicht mehr gekümmert.
Vor einer Woche hatte die Telekom eingeräumt, dass zwischen 2005 und 2006 mindestens ein Jahr lang Telefondaten ausspioniert worden sind. Ziel der Spionage soll es gewesen sein, Informationslecks zu schließen, um die Veröffentlichung von vertraulichen Informationen zu unterbinden. Der Konzern selbst hatte die Vorfälle bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und lückenlose Aufklärung versprochen. Unklar blieb bislang, wer den Auftrag zur Bespitzelung erteilte und welches Ausmaß sie hatte.
In einer konzerninternen Anhörung soll nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" nun der ehemalige Sicherheitschef des Konzerns, Klaus Trzeschan, den früheren Vorstandschef Ricke sowie den Aufsichtsratschef Zumwinkel schwer belastet haben. Die Ermittlungsaufträge seien ihm von Ricke und Zumwinkel erteilt worden, sagte Trezschan in der Anhörung, die der Bonner Staatsanwaltschaft vorliegt. Beide sollen jedoch nicht über konkrete Modalitäten der Ausführung unterrichtet worden sein.
Ein Teil der Spitzeldienste wurde laut "Spiegel" im November 2006 von einer gemeinsamen Kostenstelle Zumwinkels und dem Nachfolger Rickes, Ren Obermann, abgebucht. Den Vorgang abgesegnet habe offenbar der damals gemeinsame Büroleiter der beiden Manager. Obermann erklärte gegenüber dem Nachrichtenmagazin, die Rechnung nie gesehen zu haben. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Fokus" bestritt er vehement eine Beteiligung an den Spitzeleien. "Wenn jemand behauptet, ich sei in diese Affäre verwickelt, ist das eine Sauerei." Zumwinkel ließ über seinen Sprecher ausrichten, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender keine Vollmachten für Konten des Unternehmens hat.
Anwälte sollen nach Angaben des "Spiegel" die Telekom gewarnt haben, zu früh Aufsichtsrat, Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit über den Skandal um ausgespähte Daten von Journalisten zu informieren. Trotz der Bedenken habe die Telekom am 21. Mai bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige eingereicht. Davor habe der Konzern unter dem Codenamen "Phylax" interne Untersuchungen gestartet.
Zuvor hatte der frühere Telekom-Sicherheitschef Hans-Jürgen Knoke erzählt, dass der Anstoß für die Bespitzelungen die Unzufriedenheit des Vorstands darüber, dass permanent Interna in die Presse gelangen, war. Daher habe man geschaut, wer Zugang zu Unterlagen und Kontakte zu Journalisten hatte: "Dann haben wir Maßnahmen ergriffen". Knoke war von 1998 bis 2004 Sicherheitschef der Telekom. Er sieht in der Telekom-Affäre nur die Spitze eines Eisbergs. Der Konzern sei mit seinen Überwachungsmaßnahmen kein Einzelfall, sagte er dem Spiegel TV Magazin. Auch bei anderen großen deutschen Konzernen würden Journalisten ausspioniert. "Schauen Sie mal in andere Dax-Unternehmen. Das ist gang und gäbe. Da waren wir nicht die einzigen", sagte er dem Magazin. Namen von Unternehmen nannte Knoke nicht.
Die Netzagentur als zuständige Regulierungsbehörde hatte angekündigt, sie werde die Telekom in den nächsten Tagen zu Angaben über personellen und organisatorischen Konsequenzen aus der Affäre auffordern. Es handle sich dabei um einen in der Praxis der Behörde ausgesprochen seltenen Vorgang.
Streit über Datenschutzgesetze
Der Bespitzelungs-Skandal hat inzwischen Streit über schärfere Datenschutzgesetze ausgelöst. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl kündigte harte gesetzgeberische Konsequenzen an: Man werde es nicht bei der Erhöhung der Bußgelder belassen, sondern allen Unternehmen, die Daten ihrer Kunden missbräuchlich verwenden, "die denkbare Höchststrafe" auferlegen, sagte er dem "Spiegel". Der CSU-Politiker will "Täterfirmen" danach künftig gesetzlich dazu zwingen, den Missbrauch selbst öffentlich zu machen und die Opfer zu informieren. Der Telekom wirft er überdies "blanke Heuchelei" vor. In der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung habe sie massiv gegen das geplante Gesetz lobbyiert und sich dabei zum "Schutzengel ihrer Kunden" stilisiert. Ihr eigener Datenmissbrauch sei ein "Skandal, der in seinem ganzen Ausmaß noch gar nicht zu Ende gedacht ist".
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) lehnt eine neue Gesetzgebung ab. "Wir haben es hier mit Rechtsbruch zu tun", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Das ist bereits verboten." Es mache keinen Sinn, das Verbotene ein zweites Mal für verboten zu erklären. Auch der rechtspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jürgen Gehb, sagte dem Blatt: "Wir Politiker sollten uns von dieser Hysterie nicht anstecken lassen. Ich sehe keinerlei Handlungsbedarf beim Gesetzgeber."
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will erstmal mit den Telekomunternehmen reden. Seine Einladung an die Telefonunternehmen zur Diskussion der Telekom-Krise wurde von den meisten Gesellschaften jedoch abgelehnt. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, sagt ein Unternehmen nach dem anderen das für Montag geplante Gespräch im Innenministerium ab. Einzig die tief in die Spitzelaffäre steckende Deutsche Telekom werde am Montag mit dem Vorstandsvorsitzenden Ren Obermann dabei sein. E-Plus, Vodafone und Arcor hätten nicht vor, Vertreter nach Berlin zu schicken. Auch Telefnica und deren deutsche Tochtergesellschaft O2 werden nicht an dem Gespräch teilnehmen, wie die Zeitung schreibt.
Angesichts der Absagen rief Schäuble Verbände und Unternehmen eindringlich zur Teilnahme an dem von ihm anberaumten Treffen auf. "Das ist ein Angebot an die Branche, und sie ist gut beraten, wenn sie es annimmt", sagte Schäuble. Die Vorwürfe gegen die Telekom seien schwerwiegend und geeignet, "Vertrauen in die Seriosität der Telekommunikationsunternehmen im Umgang mit Daten zu erschüttern". Nun müsse gemeinsam beraten werden, wie der entstandene Schaden begrenzt oder behoben werden könne.
Schäuble erklärte, zunächst müsse sichergestellt werden, dass bestehende Gesetze und Vorschriften eingehalten würden. Zudem müsse man klären, ob zusätzliche "institutionelle Vorkehrungen" in den Unternehmen möglich seien und ob es gesetzlichen Handlungsbedarf gebe. Man werde dies seriös prüfen, aber schnell handeln. Die Bürger hätten einen Anspruch darauf, dass mit ihren Daten angemessen und geltenden Datenschutz-Regeln entsprechend umgegangen werde, betonte der Minister. Schäuble führte die Absagen mehrerer Unternehmen für das Treffen unter anderem darauf zurück, dass diese nicht in den Verdacht geraten wollten, selbst gegen Vorschriften verstoßen zu haben. "So ist das Gespräch nicht gemeint, wir führen kein Ermittlungsverfahren", betonte der Innenminister.
Quelle: ntv.de