Angriff aufs GrillfleischHaben wir eine Wespen-Plage?
Kaum müssen wir unser Essen gegen mehr als eine Wespe verteidigen, drängt sich der Gedanke an eine "Plage" auf. Aber sind es denn in diesem Sommer tatsächlich besonders viele? Fliegen sie alle auf unser Essen? Und wie und wann werden wir sie los?
Wer meint, dass der Pflaumenkuchen schon lange nicht mehr so umkämpft war wie in diesem Jahr, hat recht. Und wer glaubt, dass derzeit ungewöhnlich viele Wespen in der Apfelschorle baden gehen, leidet ebenfalls nicht an Wahrnehmungsstörungen. Es stimmt tatsächlich: In diesem August sind mehr Wespen unterwegs als in anderen Sommern.
Nach Angaben des Naturschutzbundes NABU sind die Bestände in manchen Regionen aktuell um bis zu 50 Prozent größer als in vergangenen Jahren. Der Grund ist schnell genannt: "Das liegt vor allen Dingen daran, dass wir ein sehr warmes und sonniges Frühjahr hatten", sagt Werner Mühlen, Referent für Bienenkunde der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Schon von Februar an und bis in den Mai hinein war es in diesem Jahr sonnig, trocken und warm. "Das hat dazu geführt, dass sich die Wespenvölker wunderbar entwickeln konnten", so der Experte im Gespräch mit n-tv.de.
Spürbar ist das weniger beim Spaziergang in der freien Natur als vielmehr dort, wo der Mensch außerhalb seiner vier Wände oft und gern Nahrung zu sich nimmt: in der Eisdiele, auf dem Grillplatz und der Restaurant-Terrasse. Denn die schwarz-gelben Insekten mit der schlanken Taille wissen, dass diese Orte auch für sie viel Futter bereithalten. Und leckeres noch dazu. Angelockt werden sie durch den guten Geruch. Die Wespen starten Rundflüge, um Nahrung zu finden, und machen dort Station, wo es duftet. Ihre Geruchsorgane sind entsprechend sensibel. Kein Wunder also, dass sich an einem Stück Pflaumenkuchen im Nullkommanix mehrere Wespen gütlich tun. Eine Verständigung der Tiere untereinander ist dafür nicht nötig und anders als bei den Honigbienen gibt es diese Kommunikation unter Wespen auch nicht. Jedes Tier sammelt für sich allein. An beliebten Futterstellen aber kommt es dann unweigerlich zur Grüppchenbildung. Und zu solch idealen Nahrungsquellen gehört eben auch das, was sich auf unseren Tellern, in unseren Gläsern und in den Mülltonnen findet – zumindest für zwei der acht hierzulande beheimateten Wespenarten.
Nicht alle lieben Süßes
Die meisten der bei uns heimischen Wespenarten leben nämlich räuberisch. Sie ernähren sich ausschließlich von lebender Beute, und das bedeutet, von anderen Insekten: von Käfern, Schmetterlingen, Fliegen, Mücken, Motten oder auch Honigbienen. Nur die so genannte Deutsche und die Gemeine Wespe vertilgen zusätzlich zu lebenden Insekten auch Aas. Nur Vertreter dieser beiden Arten also fliegen auf Grillwürstchen und Pflaumenkuchen. Nur diese beiden Arten werden uns lästig. "Alle anderen", sagt Fachmann Mühlen, "sind einfach nur nützlich."
Wespen helfen der Landwirtschaft, indem sie Raupen und andere Schädlinge fressen. Sie helfen jedem von uns, indem sie die Mückenbestände in Schach halten. "Wespen", sagt Mühlen, "sind sehr, sehr wichtig für unseren Naturhaushalt. Sie sind die Gesundheitspolizei unter den Insekten." Und nicht nur das. Die aasfressenden Wespenarten, die also, die uns so ärgern, vertilgen auch Kaninchen und Igel, die auf unseren Straßen sterben. Sie räumen auf.
Keine blinde Wut
Angriffslustig sind sie dabei nicht. Sie werden es auch nicht, wenn sie unser Obst für sich entdeckt haben. Nur in ihrem Nestbereich sind Wespen aggressiv. Denn dort geht es darum, ihre Brut zu verteidigen, ihre Nahrungsvorräte und ihre Königin. Mit genetisch fixierten und sehr gut gesteuerten Verhaltensweisen sorgen die Tiere dafür, dass nichts und niemand den Nestern zu nahe kommt. Doch an der Futterstelle – also auch auf unseren Tellern - sind Wespen ängstlich und weichen zurück. "Sie haben nur Angst um ihr eigenes Leben", sagt Mühlen. "Und das können sie ja nur einmal verlieren. Aber wenn man sieht, wie häufig Menschen nach Wespen schlagen und wie wenige von ihnen gestochen werden, muss man sagen: Es ist enorm, was die Wespe dort aushält. Da ist sie sehr, sehr friedlich."
Märchen aus der Wespenwelt
Dass eine Wespe, die sich bedroht fühlt, andere Wespen durch die Abgabe bestimmter Stoffe zu Hilfe ruft, ist übrigens ein Märchen. Dennoch empfiehlt es sich natürlich, Wespen gar nicht erst in die Ecke zu drängen oder gar zu töten, sondern sie am besten von vornherein auf Distanz zu halten. Ein kleines Stück Kuchen, das extra für die hungrigen Insekten beiseite gestellt wird, ist da wenig hilfreich. Der Duft wirkt in der Tat anziehend, aber die Rote Grütze, die man nebenan selbst gerade essen will, riecht ebenso verführerisch. Besser ist es daher, den Tieren so wenig Nahrung wie möglich zu bieten. Trinkgefäße sollten abgedeckt sein, Käse und Wurst unter einer Glocke verschwinden, und es ist ratsam, den Tisch nach dem Essen auf der Terrasse direkt abzuräumen. Denn das Vertrackte ist: Wespen wissen nicht nur, welcher Duft zu welchem Essen gehört und was davon besonders lecker war, sondern sie merken sich auch, wo sie Nahrung gefunden haben. Dort schauen sie auf ihren nächsten Rundflügen wieder vorbei. Es ist daher relativ einfach, Wespen zu dressieren. Das geschieht unfreiwillig oft genug.
Doch für dieses Jahr ist damit schon bald Schluss. "Die Entwicklung setzte 2011 durch das warme Frühjahr mindestens zwei Wochen früher ein", sagt Mühlen. "Das bedeutet, dass die Wespenvölker zwei bis vielleicht vier Wochen früher als üblich absterben werden." Spätestens Mitte September also hat die Plage - sofern man von einer solchen sprechen will - ein Ende.