Haustier oder Fleischlieferant Jagd auf Menschenaffen
06.08.2008, 10:33 UhrSie sind die engsten Verwandten des Menschen - und doch ist der Mensch ihr ärgster Feind: Fast die Hälfte aller Primatenarten, wie Menschenaffen fachgerecht genannt werden, sind vom Aussterben bedroht. Nicht nur die Vernichtung ihres natürlichen Lebensraums, des Regenwalds, sei ein Problem. Seit einigen Jahren nehme auch der Verzehr von Affenfleisch zu: "Manche Arten werden regelrecht bis zu ihrer Ausrottung weggegessen", sagte der Präsident der Naturschutzorganisation Conservation International (CI), Russell A. Mittermeier, während eines Kongresses der Internationalen Primatengesellschaft in Edinburgh.
Wissenschaftler aus aller Welt beraten diese Woche in der schottischen Metropole, welche Affenarten neu auf die Rote Liste bedrohter Tiere aufgenommen werden müssen und wie sie zu retten sind. Jüngere Erhebungen zeigten: "Die Lage ist viel ernster, als wir angenommen hatten." Eine derart starke Bedrohung sei bislang bei keiner anderen Tierart festgestellt worden, erklärte Mittermeier. Besonders gefährdet sind Menschenaffen demnach in Asien: Annähernd 70 Prozent der dort lebenden Primatenarten seien in die Rote Liste bedrohter Spezies aufgenommen worden. "Da wo der Lebensraum noch intakt ist, nimmt die Jagd auf Affen zu."
Affenfleisch als billiges Lebensmittel
"Was in Südostasien vor sich geht, ist in der Tat erschreckend", ergänzte der stellvertretende Leiter des Artenschutzprogramms der Weltnaturschutzunion (IUCN), Jean-Christophe Vi, im Schweizer Gland. "Affenfleisch ist ein traditionelles Lebensmittel für zahlreiche Menschen in ländlichen Gebieten in aller Welt. Aber inzwischen sind viele dieser Menschen in große Städte umgezogen und wollen auch dort auf das gewohnte Fleisch nicht verzichten." Das Problem sei: Die Nachfrage nach so genanntem Buschfleisch sei nun auch in Ballungsräumen gestiegen, zumal das Affenfleisch dort oft günstiger sei als andere Fleischarten.
In China bestehe zudem eine Nachfrage nach Affen als Rohstofflieferanten für die Herstellung traditioneller Medikamente. "Und manche Menschen finden Affen auch einfach "niedlich", so dass auch das Interesse an Primaten als exotische Haustiere weltweit gestiegen ist. Ein weiterer Ansporn für die Jäger." In manchen Ländern, etwa in Vietnam und Kambodscha, sind den Angaben zufolge bis zu 90 Prozent der Menschenaffenarten in Gefahr, ausgerottet zu werden.
Größere Menschenaffen wie der Gorilla erführen viel Aufmerksamkeit in den Medien und damit mehr Schutz, kleinere Affen würden jedoch oft übersehen, bemängeln die Wissenschaftler. Während die World Conservation Society (WCS) am Dienstag mitteilte, die Population wildlebender Flachlandgorillas sei jüngsten Schätzungen zufolge möglicherweise von 90 000 auf 125 000 gestiegen, ist eine afrikanischen Primatenart mit dem Name Stummelaffe (Procolobus) unter Umständen schon fast verschwunden. "Von manchen seltenen Arten des Stummelaffen wurde seit 1978 kein lebendes Exemplar in freier Wildbahn mehr gesichtet", berichtete die IUCN.
Erhaltung von Lebensraum
Der Schutz des Regenwalds bleibt nach Ansicht der Wissenschaftler die wichtigste Aufgabe, um das Überleben der Primaten zu sichern. Wie wirksam dies ist, schildern IUCN-Experten so: In Brasilien hätten intensive Bemühungen um den Erhalt des Regenwalds in Teilen des Landes immerhin dazu geführt, dass das dort lebende Klammeräffchen (Tamarin-Affe) nicht mehr als "stark bedroht", sondern nur noch als "bedroht" gelten müsse. Vi wies daraufhin, dass Europäer am Artenschutz mitwirken könnten, wenn sie beispielsweise auf den Kauf von Tropenhölzern verzichten.
Allein seit dem Jahr 2000 haben Wissenschaftler 53 neue Arten entdeckt, etwa 40 davon auf Madagaskar. Zu den Menschenaffen gehören neben Gorillas auch Schimpansen und Orang-Utans. Die engsten Verwandten des Menschen sind die Schimpansen: Einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig aus dem Jahr 2004 zufolge beträgt der Unterschied beim Erbgut nur 1,2 Prozent.
Katja Kullmann, dpa
Quelle: ntv.de