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CO2 lässt Wasser versauernKorallen lösen sich auf

19.06.2008, 15:07 Uhr

Die höhere Konzentration an Kohlendioxid in der Luft hat katastrophale Auswirkungen auf die Meere: Kalkgehäuse und -skelette von Schnecken und Korallen lösen sich bereits in kurzer Zeit auf.

Der Klimawandel lässt sie Ozeane saurer werden - und ein natürliches Labor vor der italienischen Insel Ischia zeigt bereits jetzt die potenziell dramatischen Folgen. Dort blubbert Kohlendioxid aus dem vulkanisch aktiven Untergrund, löst sich im Wasser und säuert es an. Kalkgehäuse und -skelette von Schnecken und Korallen lösen sich daraufhin bereits in kurzer Zeit auf. Das berichtet Jason Hall-Spencer von der Universität Plymouth im Journal "Nature".

Damit wird erstmals in natürlicher Umgebung gezeigt, dass die Versauerung der Meere durch eine höhere Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre große Auswirkungen auf das Leben im Meer haben kann. Die Meere nehmen den Großteil des vom Menschen produzierten Kohlendioxids (CO2) auf. Dadurch ändert sich die Chemie des Wassers, es wird saurer, was sich in einem niedrigeren pH-Wert ausdrückt. pH 7 ist neutral, alles darunter sauer, alles darüber alkalisch.

Der UN-Klimarat IPCC sagt bis zum Jahr 2100 eine Erniedrigung des pH-Wertes um 0,45 Einheiten voraus, wenn der Mensch weiterhin so viel CO2 produziert. Derzeit liegt der Wert der Ozeane im Durchschnitt bei pH 8,1. Vor dem Beginn der Industrialisierung waren es noch 8,2. Hall-Spencer untersuchte nun ein Gebiet mit Werten bis herab zu 7,4.

Arten gehen zurück

Schnecken und Korallen ziehen gelöstes Kalziumkarbonat aus dem Wasser, um daraus ihre festen Gerüste und Gehäuse zu bauen. Auf ähnliche Weise entsteht Aragonit. Die Konzentration des Kalziumkarbonats sinkt bei höheren pH-Werten - viele Forscher fürchten, dass die Tiere dann nicht mehr genügend Baumaterial finden und verdrängt werden. Schon bei Werten von pH 7,8 bis 7,9 zeigten sich in dem flachen Küstengewässer rings um die aufsteigenden Gasblasen fast ein Drittel (30 Prozent) weniger Arten. Besonders fehlten Kalkbildner, heißt es in "Nature". Als Vergleich dienten ähnliche Areale, in denen kein CO2 ausströmte, die Wasserchemie also unverändert war.

Korallen mit Aragonit waren außerhalb der CO2-Region verbreitet, innerhalb fehlten sie. Diese Beobachtung direkt in der Natur stütze die Vorhersage, dass sich Korallenriffe bei solchen Säurekonzentrationen auflösen könnten. Auch Algen, die Kalk einlagern, waren innerhalb der Kohlendioxid-Region verschwunden - außerhalb wuchsen sie. Mehr noch: Als damit bewachsene Blätter in die angesäuerten Regionen verpflanzt wurden, lösten sich die kalkhaltigen Organismen binnen zweier Wochen auf.

Seeigel flüchten

Andere Algen ohne Kalk wuchsen hingegen ohne Probleme, trotz der überall blubbernden Gasblasen. Auch Seeigel - sie sind ebenso von einer festen Kalkschale geschützt - mieden die Regionen mit niedrigem pH-Wert. Bereits vor der neuen Untersuchung hatten andere Wissenschaftler davor gewarnt, dass ein Rückgang der Seeigel durch den Klimawandel weitreichende Folgen haben könnte: Die stacheligen Tiere weiden Algen von den Riffen, die anderenfalls überwuchert werden könnten.

Sogar ganze Schneckengehäuse zeigten Auflösungserscheinungen. Hall-Spencer betont, dass es solche wie die von ihm nun untersuchten Gebiete niedrigen pH-Wertes schon seit vielen tausend Jahren gibt, sie also gut als Modell für die Versauerung der Ozeane herangezogen werden können. Bisherige Experimente, die den Effekt lediglich im Aquarium nachgebildet hatten, waren zuweilen in die Kritik geraten. Das Labor ist nicht die Natur, und die neuen Säure-Bedingungen waren in den Glasbecken binnen kurzer Zeit eingestellt worden.