Auch ohne Gemeinschaft möglich Lernen durch Beobachten
01.04.2010, 14:52 UhrKöhlerschildkröten, die als ausgemachte Einzelgänger gelten, können durch reines Abgucken von ihren Artgenossen lernen. Die bisher angenommene These, dass soziales Lernen die Folge von sozialem Leben ist, widerlegen die Forscher mit Hilfe ihrer Testergebnisse.

Köhlerschildkröten (Geochelone carbonaria) gehören zu den Landschildkröten.
(Foto: E. Schüler, wikipedia)
Ein Leben in der Gruppe ist keine Voraussetzung, um etwas von anderen zu lernen. Wie österreichische Wissenschaftler in Experimenten zeigten, können Köhlerschildkröten durch Abgucken von ihren Artgenossen lernen, obwohl sie in freier Natur einzelgängerisch leben. Vermutlich ist das sogenannte soziale Lernen eine Folge der grundsätzlichen Fähigkeit zu lernen und nicht des Gruppenlebens, schreiben die Forscher in den "Biology Letters" der britischen Royal Society. Das soziale Lernen sei mit den Experimenten erstmals bei Reptilien nachgewiesen worden.
Experten nahmen bisher an, dass das "Lernen durch Beobachten" in der Evolution bei Tieren entstanden ist, die in sozialen Gemeinschaften zusammenleben. Experimentell überprüft ist diese Hypothese aber bisher nicht. Um das zu ändern, erdachten Anna Wilkinson und ihre Mitarbeiter von der Universität Wien (Österreich) folgendes Experiment: In einem kleinen Gehege bauten sie einen V-förmigen Zaun auf. In die Spitze des Vs legten die Wissenschaftler ein Futterstückchen. Nun setzten sie jeweils eine Köhlerschildkröte (Geochelone carbonaria) auf die andere Seite des Zauns, unterhalb der V-Spitze. Von dort konnten die Tiere das Futter sehen, aber nicht erreichen ohne an einem Schenkel des Vs entlang und auf der anderen Seite wieder herunter zu laufen.
Eindeutige Testergebnisse
Die eine Hälfte der acht Versuchstiere konnte nun vor ihrem Testlauf eine andere Schildkröte beobachten, die darauf trainiert war, an das Futter zu gelangen. Die andere Hälfte wurde ohne Gelegenheit zum Abgucken ins Rennen geschickt. Keiner Schildkröte aus dieser zweiten Gruppe gelang es nun, an das Futter zu kommen. Sie liefen auf die Spitze des V-Zauns zu und starrten von dort auf den Futterhappen. Alle Tiere aus der ersten Gruppe hingegen erreichten das Futter in den zwölf Versuchen mindestens zwei Mal. Zwei der Tiere krochen zielstrebig gleich beim ersten Versuch um den Zaun herum auf ihre Belohnung zu.
Dieser Versuch belege, dass auch nicht-soziale Tiere wie die Köhlerschildkröten durch Beobachten von ihren Artgenossen lernen können, schreiben die Wissenschaftler. Die Hypothese, dass soziales Lernen die Folge eines sozialen Lebens sei, träfe somit nicht zu. Für die Köhlerschildkröten biete das Verhalten ihrer Artgenossen genau wie auch andere Reize in der Umwelt ein Schlüssel zum Lernen.
Köhlerschildkröten kommen in Zentral- und Südamerika vor. Sie schlüpfen wie andere Schildkröten auch als Jungtiere ohne Hilfe aus ihren Eiern und kriechen fortan allein durchs Leben – abgesehen von wenigen Situationen, in denen sie auf Artgenossen treffen, etwa bei der Paarung.
Quelle: ntv.de, dpa