Brüllen im Urwald Orang-Utans haben Pläne
12.09.2013, 04:10 Uhr
Männliche Orang-Utans haben einen ausgeprägten Kehlsack.
(Foto: dpa)
Die Verwandtschaft zwischen Orang-Utan und Mensch ist enger als bisher angenommen. Forscher stellen fest, dass die Menschenaffen heute schon an morgen denken und ihre Pläne anderen mitteilen. Auf das Verhalten von Artgenossen hat das ganz spezielle Auswirkungen.
Orang-Utans planen oft schon im Voraus, wo die Reise am nächsten Tag hingehen soll. Männchen teilen Artgenossen bereits am Vorabend mit, in welche Richtung sie am Folgetag ziehen wollen, fanden Anthropologen der Universität Zürich heraus. Die langen Rufe sollen Weibchen zum Mitziehen animieren und andere Männchen abschrecken.
Die Mitteilungen der Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii) erfolgen nicht subtil: Solche Schreie dauern bis zu vier Minuten und sind einen Kilometer weit zu hören, berichten Carel van Schaik und Kolleginnen in "PLOS One". Für die Lautstärke brauchen die Männchen dicke Backen, dafür wachsen ihnen nach der Pubertät knorpelige Backenwülste, die den Schall verstärken.
Im dichten tropischen Sumpfwald von Sumatra kündigen die Menschenaffen ihre Pläne durch Rufe in die geplante Reiserichtung an. Wenn sie ihre Pläne am Morgen ändern, teilen sie dies durch einen Ruf in die neue Richtung mit. Doch warum geben Orang-Utans ihre Route bekannt? Die Forscher beobachteten Weibchen, die den Ruf gehört haben mussten und sich am Reisetag in diese Richtung bewegten. Gleichzeitig werten die Wissenschaftler den Ruf als Warnung an rangniedrigere Männchen, sich auf Distanz zu halten.
Denken wie ein Mensch
Orang Utans sind Einzelgänger und schwingen sich meist allein durch das Geäst des Tropenwaldes, wobei sie jedoch soziale Kontakte pflegen. Jeden Abend bauen sie sich in Baumwipfeln ein neues Nest. Die Forscher folgten einigen Tieren tagelang im Gunung Leuser Nationalpark in der Provinz Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra. Die Affen bewegten sich in einem Gebiet von rund 2000 Hektar und legten am Tag etwa einen Kilometer zurück.
Dass Menschenaffen vorausdenken können, wurde schon mehrfach nachgewiesen - allerdings bei Tieren in Gefangenschaft. Dass sie diese Fähigkeit auch in der Wildnis an den Tag legen, zeigt nun diese Untersuchung. "Unsere Studie macht deutlich, dass wilde Orang-Utans nicht nur im Hier und Jetzt leben, sondern sich die Zukunft vorstellen können und ihre Pläne sogar kommunizieren. In diesem Sinn sind sie uns damit wieder ein Stück ähnlicher geworden", sagt van Schaik.
Auf Sumatra gibt es noch etwa 6600 Orang-Utans, auf der indonesischen Insel Borneo noch 40.000 bis 60.000, schätzt Ian Singleton, Direktor des Sumatra Orang-Utan-Schutzprogramms in Medan. "Die bei Weitem größte Bedrohung für sie ist der Verlust ihres Lebensraums, vor allem durch Abholzung und Plantagenanbau", sagt Singleton. "Wir haben ein Riesenproblem auf Sumatra: Die Regierung von Aceh will noch mehr Wälder für den Bergbau und Straßenbau roden."
Die Universität Zürich stellt Hörproben der Orang-Utans zu Verfügung.
Quelle: ntv.de, lsc/dpa