Forschung im Himalaja Schutt bremst Gletscherschmelze
24.01.2011, 10:45 Uhr
Die Hälfte der untersuchten Gletscher in der Karakoram-Region im Nordwesten des Himalaja sind stabil oder dehnen sich sogar aus. Mehr als 70 Prozent der Gletscher in den übrigen Regionen dagegen sind im Rückzugsstadium.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eine Schicht Schutt auf dem Gletscher wirkt wärmedämmend, und das kann bedeuten, dass schuttbedeckte Gletscher langsamer schmelzen. Der Klimawandel wirkt sich daher auf die Gletscher im Himalaja regional sehr unterschiedlich aus.
Die Folgen des Klimawandels auf die Gletscher im Himalaja lassen sich ohne Analyse der Schuttbedeckungen nicht verlässlich darstellen. Dieser Überzeugung ist der Potsdamer Wissenschaftler Dirk Scherler. Gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Erd- und Umweltwissenschaften und der Universität von Kalifornien in Santa Barbara hat er 286 Himalaja-Gletscher anhand von Satellitenbildern im Zeitraum von 2000 bis 2008 untersucht. "Dabei hat sich sehr deutlich gezeigt, welch große Auswirkung die Schuttbedeckung auf die Dynamik der Gletscher haben kann", sagte Scherler.
Schneller Rückzug ohne Schutt
So könne der Zustand eines Gletschers fälschlicherweise als gut eingestuft werden ohne Überprüfung, ob dieser noch aktiv ist. Durch Messungen der Fließgeschwindigkeiten konnten die Forscher aufdecken, dass zahlreiche schuttbedeckte Himalaja-Gletscher sich zwar nicht zurückziehen, gleichzeitig aber über große Bereiche inaktiv sind.
"Da ein dicke Schuttschicht wie eine Art Wärmedämmung funktioniert, spielt der Grad der Bedeckung eine wesentlich Rolle", betonte Scherler. Diese Daten fänden bislang jedoch in der Forschung zu wenig Beachtung. So seien sie kein Bestandteil globaler Gletscherdatenbanken wie der des Welt-Gletscher-Beobachtungsdienstes (WGMS).
Insgesamt belege die Untersuchung: Die meisten Himalaja-Gletscher sind in Bewegung und schmelzen. Allerdings gibt es regionale Unterschiede in ihrer Reaktion auf den Klimawandel, berichtet der Diplom-Geograph. Die Schuttbedeckung hängt mit der Schroffheit des Geländes zusammen und die variiert in der Region sehr stark. "Prinzipiell gibt es den Trend: Sind sie schuttfrei, ziehen sie sich zurück - und das mitunter auch recht schnell."
Himalaja ist ein Datenloch
Die Karakoram-Region im Nordwesten des Himalajas sticht in der Studie heraus: 58 Prozent der beobachteten Gletscher sind aktiv und stabil oder dehnen sich sogar mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von wenigen Metern pro Jahr aus. "Das steht in deutlichem Kontrast zu den Gletschern in anderen Regionen." Dort sei bei mehr als zwei Dritteln der Gletscher zu beobachten, dass sie schmelzen - rund zehn Meter pro Jahr. Seine Studie ist im Fachjournal "Nature Geoscience" erschienen.
Nach Ansicht des Geographen sind für eine seriöse Diskussion über die Klimafolgen für die Himalaja-Gletscher weitere Daten unerlässlich. "Sonst bleibt zu viel Raum für Spekulationen." Er verwies auf Diskussionen über die Zukunft der Himalaja-Gletscher in Folge einer falsch wiedergegebenen Prognose im IPCC-Report 2007, wonach die Gletscher bereits bis 2035 abgeschmolzen sein sollten.
"Wir stehen noch vor einem großen Datenloch, weil das Gebiet weniger gut erforscht ist als beispielsweise die Alpen." Dafür gebe es verschiedene Gründe: Die beteiligten Länder wie Indien und Pakistan verfügten nicht über viele Forschungsgelder, zudem sei das Gebiet weniger zugänglich und nur mit aufwendigen Touren erreichbar. Die Auswertung von Satellitenbildern sei eine Möglichkeit, dennoch verlässliche Daten zu erhalten, meint Scherler.
Quelle: ntv.de, Marion van der Kraats, dpa