"In acht bis zehn Tagen" Nun droht Florida die Ölpest
18.05.2010, 20:20 Uhr
An der Küste von Florida wurden mindestens 20 Teerklumpen entdeckt. Aufseher des Fort Zachary Taylor Staatsparks in Key West fanden die Brocken.
(Foto: AP)
Seit dem 20. April strömen im Golf von Mexiko Unmengen von Öl ins Meer. Inzwischen erreichen die Ölschwaden auch das politische Washington. BP verteidigt die riskante Ölförderung aus der Tiefsee und wiegelt die Umweltschäden ab. Allerdings verspricht der Konzern eine vollständige Schadensregulierung.
Vier Wochen nach der Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizon" wächst die Sorge, dass die Ölpest schwere Umweltschäden an den Küsten Floridas anrichten könnte. Bereits am Montag wurden mindestens 20 Teerklumpen an einen Strand auf der Insel Key West angeschwemmt, die möglicherweise vom Ölunfall im Golf von Mexiko herrühren. Unabhängige Wissenschaftler befürchten, dass das weiter ins Meer sprudelnde Öl von einer Strömung erfasst wird, um den Südzipfel Floridas herumwandert und so die Ostküste des Sonnenscheinstaates im Atlantik erreicht.
Es sei "zunehmend wahrscheinlich", dass der Ölteppich in den Bereich der Meeresströmung "Loop Current" gerate und bis nach Florida gespült werde, sagte die Direktorin der US-Klima- und Ozeanbehörde NOAA, Jane Lubchenko, in New Orleans. Das Öl könnte dann binnen acht bis zehn Tagen Florida erreichen. Die dortigen Strände seien wahrscheinlich aber nur dann gefährdet, wenn ein starker Wind landeinwärts das Öl direkt an die Küste treibe.
US-Präsident Barack Obama dringt immer energischer auf eine Aufklärung der Ursache des Unfalls. Er will nach Angaben eines Regierungsbeamten dazu eine unabhängige Kommission einsetzen - ähnlich jenen Gremien, die nach der Explosion des Space-Shuttles "Challenger" 1986 und dem Atomunfall von Harrisburg 1979 Nachforschungen anstellten. Daneben laufen bereits mehrere Untersuchungen im Kongress, der Küstenwache und der US-Behörde für Mineralienförderung (MMS), die selbst im Zusammenhang mit der Ölpest in die Schusslinie geraten ist.
Erster Rücktritt in Washington
So nahm der für die Kontrolle der Tiefsee-Bohrungen zuständige Abteilungsleiter Chris Oynes am Montag seinen Hut - die erste personelle Konsequenz in Washington seit Beginn der Katastrophe. Vorausgegangen war scharfe Kritik Obamas an der seiner Ansicht nach zu engen "behaglichen" Beziehung zwischen der Behörde und der Ölindustrie.
Obama bezog sich dabei unter anderem darauf, dass die zum Innenministerium gehörende MMS Bohrgenehmigungen erteilt hat, ohne dass vorgeschriebene Untersuchungen über die möglichen Umweltfolgen unternommen wurden. Außerdem ließ die Behörde Sicherheitsinspektionen auf den Plattformen von den Ölunternehmen selbst machen.
BP: Die Welt braucht dieses Öl
Ungeachtet des verheerenden Ölunfalls im Golf von Mexiko hat der britische Konzern BP die riskante Ölförderung aus der Tiefsee verteidigt. "Wir und andere Unternehmen fördern Öl aus solchen Tiefen aus gutem Grund: Die Vereinigten Staaten und die Welt brauchen dieses Öl", sagte BP-Chef Tony Hayward der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Aus dem Golf von Mexiko würden 30 Prozent der amerikanischen Ölproduktion gedeckt.
Der Unfall der Bohrplattform "Deepwater Horizon" werde "die Ölindustrie verändern, aber nicht stoppen". Die Branche müsse dringend lernen, Öllecks in tiefen Gewässern rascher als bisher abzudichten. Im Golf von Mexiko fließt das Öl seit vier Wochen in großen Mengen ins Wasser. Trotz erster Erfolge beim Versuch, das sprudelnde Öl zu stoppen, gefährdet der Ölteppich weiter die Südküste der USA.
BP will das Übel an der Wurzel packen
Es gab bei allen Hiobsbotschaften einen Lichtblick: BP ist es nach eigenen Angaben gelungen, die Öl-Menge zu verdoppeln, die seit Sonntag aus dem Hauptleck am Meeresgrund aufgesogen und auf ein Schiff geleitet wird. Demnach werden jetzt zwei Fünftel der schätzungsweise täglich 700 Tonnen austretenden Rohöls abgefangen, bevor sie ins Wasser gelangen. BP-Experten hatten dazu am Wochenende eine Leitung in das abgerissene Steigrohr eingeführt, aus dem es ununterbrochen sprudelt, seit die Ölplattform am 22. April sank.
Vermutlich am kommenden Wochenende will der Konzern versuchen, das Übel an der Wurzel zu packen: Dann soll das Bohrloch durch den Beschuss von Schlamm und Zement verschlossen werden. BP-Manager Doug Suttles sagte, dass der Ölteppich auf dem Wasser kleiner sei als jemals zuvor seit Beginn der Ölpest: Das hätten Beobachtungen aus der Luft gezeigt. Wissenschaftler hatten aber am Wochenende neuen Alarm geschlagen: Sie haben nach eigenen Angaben riesige Ölschwaden unter der Wasseroberfläche entdeckt.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP