Panorama

"Nehmen ihre Geschichte mit" Wenn Verbrecher ihre Namen ändern

Dieter Degowski wird es auch mit einem neuen Namen nicht leicht haben.

Dieter Degowski wird es auch mit einem neuen Namen nicht leicht haben.

(Foto: dpa)

Es ist ein Verwaltungsakt, mit dem das zuständige Standesamt auch Schwerverbrechern zu einem neuen Namen verhelfen kann. Das klingt verlockend und soll die Resozialisierung erleichtern. Doch so einfach ist es nicht.

Ihre Namen verbinden die Menschen mit schweren Verbrechen, Magnus Gäfgen, Josef Fritzl oder auch Dieter Degowski. Nur heißen weder der Kindsmörder, noch der Inzesttäter, noch der Geiselgangster inzwischen noch so. Alle drei haben während ihrer Haftzeit ihre Namen geändert.

Das ist nicht nur gesetzestreuen Bürgern möglich, sondern auch Tätern, die wegen schwerer Verbrechen langjährige Haftstrafen verbüßen. Das Namensrecht gibt ihnen diese Möglichkeit, wenn "ein seltener oder auffälliger Familienname durch die Berichterstattung über eine Straftat so eng mit Tat und Täter verbunden ist, dass in weiten Kreisen der Bevölkerung bei Nennung des Namens auch nach längerer Zeit immer noch ein Zusammenhang hergestellt wird". Umsetzen müssen die entsprechenden Anträge die zuständigen Standesämter, offizielle Zahlen gibt es nicht, es dürfte sich aber um nicht allzu viele Fälle handeln.

Die Motivation ist bei den einzelnen Personen so unterschiedlich wie ihre Taten und Lebenswege. Bei dem 82-jährigen Fritzl mutmaßten österreichische Medien, er wolle nicht unter dem Namen beerdigt werden, den die Menschen mit seinen ungeheuerlichen Taten verbinden. Er hatte seine Tochter 24 Jahre lang in einem Kellerverließ gefangen gehalten und immer wieder missbraucht.

Wichtig ist Begleitung

Bei Degowski und Gäfgen geht es vor allem um das Leben nach dem Strafvollzug. Die neuen Namen sollen die Wohnungs- und Arbeitssuche erleichtern. Der Kriminologe Bernd Maelicke ist trotzdem skeptisch. "Sie ändern zwar ihren Namen, aber ihre Geschichten nehmen sie ja alle mit", sagt Maelicke n-tv.de.

Weder bei Degowski noch bei Gäfgen sieht er durch den Namenswechsel entscheidende Vorteile, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Dieter Degowski, der im August 1988 während der Gladbecker Geiselnahme den 15-jährigen Emanuele di Giorgi ermordete, steht nach 30 Jahren Haft vor seiner Freilassung. Der inzwischen 61-Jährige wird seit Jahren auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Seine Anwältin, Lisa Grüter, spricht im "Spiegel" von einem "dichten Netz", das ihn Anfang 2018 nach der Entlassung auffangen soll. Da er auf Bewährung entlassen werden soll, stehen ihm auch Bewährungshelfer und Sozialarbeiter zur Seite.

Maelicke gibt jedoch zu bedenken, dass all diese Menschen Degowski unter seinem alten Namen kennen und deshalb das Argument, dass sie ihm unvoreingenommener gegenübertreten, kaum gelten dürfe. Auch wird Degowski ja nicht in ein Schutzprogramm aufgenommen, das heißt, er wird sich schon als entlassener Strafgefangener vorstellen. Auch seine Anwältin bestätigt, dass den Menschen, die sich um ihn kümmern, seine Identität "sowieso bekannt" ist. Sie sieht vor allem den Vorteil, dass ihr Mandant das Stigma los ist, sich mit Degowski vorstellen zu müssen.

Der Mann, dessen früherer Name bei so vielen Menschen schlechte Erinnerungen weckt, sei älter und reifer geworden, sagt Grüter. Er habe gelernt, sich an positiven Vorbildern zu orientieren und sein Alkoholproblem in den Griff bekommen. Er wolle ehrenamtlich arbeiten, was seinen Tag strukturiere und ihm die Möglichkeit gebe, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Der frühere Sonderschüler Degowski muss nur aufpassen, dass er sich Fremden gegenüber nicht verplappert.

Weiter Weg für Gäfgen

Anders sieht es bei Magnus Gäfgen aus. Auch der inzwischen 42-Jährige begründet den Namenswechsel mit seinen verbesserten Resozialisierungschancen. Allerdings liegt die Freilassung des Mannes, der den 11-jährigen Jakob von Metzler entführte und ermordete, noch in ungewisser Zukunft. In Gäfgens Urteil wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Das Landgericht Frankfurt war zu dem Schluss gekommen, dass der Angeklagte den Tod des Kindes von Beginn an gewollt habe. Zwar kann Gäfgen beantragen, auf Bewährung entlassen zu werden, Strafrechtler sehen dafür jedoch kaum Chancen. Die Prüfung seiner Mindestverbüßungsdauer läuft.

Bis er tatsächlich auf freien Fuß kommt, dürfte sich sein neuer Name auch allgemein bereits herumgesprochen haben. Er ist schon jetzt im Internet in voller Länge nachzulesen. Gäfgen ist zudem in den vergangenen Jahren immer wieder selbst in die Öffentlichkeit gedrängt. Unter anderem wollte er eine Stiftung für Kinder gründen, die Verbrechensopfer geworden sind, sein Ansinnen wurde unter Verweis auf das "Anstandsdenken aller gerecht denkenden Menschen" abgelehnt.

Experten halten Gäfgen auch aus anderen Gründen für schwer resozialisierbar. Die Tatsache, dass der Strafgefangene immer wieder Gerichte mit verschiedenen Klagen und Beschwerden beschäftige, spricht nicht für eine Auseinandersetzung mit seiner Tat. Die aber ist schließlich entscheidend für die Rückfallgefahr, ebenso wie der "soziale Empfangsraum" aus Familienangehörigen und einem möglichen Arbeitgeber.

Quelle: ntv.de

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