Politik

Bundesweiter Test startet 2011 Die Gigaliner kommen

Schwieriger Kreisverkehr: Die Länge und das Gewicht der Lastwagen stellen Fahrer und Straßen vor enorme Herausforderungen.

Schwieriger Kreisverkehr: Die Länge und das Gewicht der Lastwagen stellen Fahrer und Straßen vor enorme Herausforderungen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Trotz vieler Bedenken plant die Bundesregierung einen neuen Testversuch mit Riesen-Lastwagen: Die 25-Meter-Brummis sollen 2011 über deutsche Straßen rollen. Kritiker warnen vor den "Monster-Trucks".

Über deutsche Straßen wird bald eine neue Welle von Riesen-Lkw rollen. Die Bundesregierung plant einen bundesweiten Testbetrieb sogenannter Gigaliner oder Eurocombi, die von ihren Gegnern auch als "Monster-Trucks" bezeichnet werden. Das sind bis zu 25 Meter lange Lkw, die bis zu 44 Tonnen schwer werden dürfen. Bislang erlaubt sind maximal 19 Meter Länge und ein Gewicht von bis zu 40 Tonnen. Über 200 Firmen wollen an dem Feldversuch teilnehmen. Während Handels- und Logistikbranche von einer überfälligen Innovation sprechen und billigere sowie größere Transportmöglichkeiten erwarten, warnen Kritiker vor den Gefahren der Riesenlastkraftwagen und teuren Folgen für den Steuerzahler.

Anfang 2011 ist mit dem erneuten Testversuch zu rechnen.

Anfang 2011 ist mit dem erneuten Testversuch zu rechnen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Aufzuhalten sind die Riesen-Brummis aber nicht mehr. "Es geht nur noch um das Wie, nicht um das Ob", erklärt das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage von n-tv.de. In einer gerade eingesetzten Arbeitsgruppe von Bund und Ländern werden die Startbedingungen für den Feldversuch mit den "Lang-Lkw" besprochen. Doch auch wenn einige Bundesländer erhebliche Bedenken gegen die Einführung der riesigen Gefährte haben – verhindern werden sie ihren Einsatz nicht mehr. Zwar möchte die Bundesregierung möglichst viele Länder mit im Boot haben, wie es heißt. Durchsetzen kann sie die Entscheidung aber auch ohne Zustimmung der Länder. Und dazu scheint Verkehrsminister Peter Ramsauer im Zweifel entschlossen. Mit einem Start ist nach Informationen von n-tv.de im ersten Halbjahr 2011 zu rechnen.

"Der falsche Weg"

Ramsauer vollzieht damit eine Kehrtwende, die bereits im schwarz-gelben Koalitionsvertrag beschlossen wurde. Sein sozialdemokratischer Vorgänger Wolfgang Tiefensee hatte sich 2007 nach einigen Testläufen und mehreren Studien gegen eine Zulassung der Riesen-Brummies entschieden. Und auch die gemeinsame Verkehrsministerkonferenz von Bund und Ländern hatte sich im gleichen Jahr gegen deren Einführung ausgesprochen. Begründung: Zu viele Risiken, zu viele offene Fragen. Damals war es allerdings noch um bis zu 60 Tonnen schwere Lkw gegangen, weshalb das Bundesverkehrsministerium auch keinen Widerspruch zu dem Beschluss sieht. Von einer "maßvollen Erhöhung der Lkw-Fahrzeuggrößen" ist die Rede.

NRW-Verkehrsminister Voigtsberger bei seiner Ernennung durch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

NRW-Verkehrsminister Voigtsberger bei seiner Ernennung durch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Harry Voigtsberger wirft Ramsauer allerdings vor, damit falsche Prioritäten zu setzen. "Das Ziel ist nicht, den Güterverkehr von der Schiene auf die Straße zu verlagern", sagt er n-tv.de. Die Riesen-Lkw nennt er "den falschen Weg". Der SPD-Politiker glaubt auch nicht, dass es bei der 44-Tonnen-Obergrenze bleiben wird. "Wenn man die Monster-Trucks einmal hat, wird man sie auch voll beladen wollen", sagt er. In NRW gab es 2007 auch einen Testbetrieb mit den Riesen-Lkw, aber im Gegensatz zur schwarz-gelben Vorgängerregierung spricht sich Rot-Grün nun gegen ihre Zulassung aus.

Warnung vor den Monstern

Voigtsberger hält die Gigaliner schlicht für zu gefährlich. "Die verursachen Probleme auf den Straßen", sagt er. Ob es um Überholmanöver, Wendemanöver oder Autobahnbaustellen geht – die "Monster-Trucks" stellen für ihn potenzielle Gefahren im Straßenverkehr dar. Der Verkehrsminister warnt zudem vor den Risiken für die Infrastruktur. Straßendecken, Brücken, Ampelanlagen, Leitplanken – sie alle sind auf bestimmte Maximalbelastungen ausgerichtet. Wenn das bislang zulässige Gesamtgewicht überschritten wird, stellt sich die Frage, ob die Infrastruktur dem noch gewachsen ist.

Das sieht auch Andreas Geißler so. Der Verkehrsexperte der Allianz Pro Schiene – einem Bündnis von Gewerkschaften, Automobilclubs, Umwelt- und Verbraucherverbänden – führt drei Gründe gegen die Zulassung der Riesen-Lkw an: Sie seien umweltschädlich, die Anpassung von Straßen und Brücken komme den Steuerzahler teuer zu stehen und sie seien eine zusätzliche Gefahr für die Verkehrssicherheit.

Kraftstoffverbrauch soll sinken

Solche Einwände weisen Befürworter der Riesenlastwagen allerdings zurück. Das Gewicht der Fahrzeuge werde auf mehr Achsen verteilt und stelle kein Problem mehr dar, sagt Burkhard Capell, Logistikexperte des Bundesverbands Groß-, Außenhandel und Dienstleistungen. Sein Verband ist Initiator und Wegbereiter der Gigaliner und möchte am liebsten auch 60-Tonner auf die Straßen schicken. Die großen Trucks böten enorme Vorteile: Die C02-Emmissionen und der Kraftstoffverbrauch würden sinken, die Transportkapazitäten steigen und die Zahl der Lkw auf den Straßen sinken. "Aus drei Lkw werden zwei", sagt Capell n-tv.de mit Blick auf das größere Transportvolumen. Dass Kritiker einwerfen, solche Einsparungen würden durch zusätzlichen Güterverkehr auf der Straße wieder aufgehoben, verneint Capell.

Aus 3 wird 2: Befürworter loben den geringeren Verbrauch der Gigaliner und erwarten weniger Verkehr.

Aus 3 wird 2: Befürworter loben den geringeren Verbrauch der Gigaliner und erwarten weniger Verkehr.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Logistik- und Handelsbranche dringt mit aller Macht auf die Zulassung der Riesen-Trucks. Anlass ist der ständig wachsende Güterverkehr, der Deutschlands Straßen verstopft. Zahlen aus dem baden-württembergischen Verkehrsministerium gehen etwa von einem Anstieg von bis zu 70 Prozent in den nächsten 15 Jahren aus. Eine Herausforderung für alle Transportwege – ob Schifffahrt, Bahn oder Straßenverkehr. Handel und Industrie dringen zudem auf größere Transportkapazitäten.

Der wichtigste Grund für die Forderung nach Riesen-Lkw dürften aber die geringeren Transportkosten sein. Das sehen selbst Kritiker der Riesen-Trucks. "Die Transportkosten werden um 20 bis 25 Prozent günstiger sein als bislang", sagt Pro-Schiene-Experte Geißler. Das ist für ihn allerdings kein gutes Zeichen. Er befürchtet, dass damit der Transport auf der Straße noch attraktiver wird und sich Güterverkehr von der Schiene zurückverlagert.

"Feigenblatt Erkenntnisgewinn"

Geißler kann auch nicht verstehen, warum eine erneute Diskussion überhaupt nötig ist. Schließlich wurde 2007 der Beschluss der Verkehrsminister gefasst. Der erneute Probebetrieb läuft für ihn nur mit dem "Feigenblatt Erkenntnisgewinn", das die gewünschte Zulassung der Riesen-Lkw ermöglichen soll. "Damit sollen Fakten geschaffen werden."

Ein Vergleich: Ein Riesen-Lkw neben einem herkömmlichen Lastwagen.

Ein Vergleich: Ein Riesen-Lkw neben einem herkömmlichen Lastwagen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Der Meinung ist auch Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Harry Voigtsberger. Anstatt einseitig auf die Zulassung der Riesen-Brummies zu dringen, sollte man lieber zusammen überlegen, wie man den Güterverkehr auf Schienen und Wasserwegen ausbauen könnte. Wenn aber mit Einführung der großen Lkw der Ausbau von Straßen und Brücken nötig wäre, fehle dieses Geld in Zeiten knapper Kassen für die Schiene.

EU debattiert Einführung

Auch Verkehrsexperte Geißler fordert statt der Riesen-Trucks einen Ausbau des Schienengüterverkehrs. Zumal dort noch Kapazitäten vorhanden seien und im Gegensatz zur Straße auch einfach zusätzliche Wagen an einen Zug angehängt werden könnten. Vor allem der kombinierte Verkehr aus Schiene und Straße sei noch ausbaufähig. "Da liegt die Zukunft", sagt Geißler. Doch die Bundesregierung habe erst einmal die Investitionsmittel für solche Verladeterminals gekürzt.

Geißler warnt zudem vor einem fatalen Zeichen, sollten die Riesen-Lkw in Deutschland fahren dürfen. Denn auch auf europäischer Ebene wird ihre EU-weite Zulassung derzeit diskutiert und ist ähnlich umstritten wie hierzulande. Befürworter sind vor allem die skandinavischen Länder und die Niederlande, wo Riesen-Lkw bereits fahren dürfen. Wenn in Deutschland nun die Lang-Lkw fahren können, würde damit auch eine europaweite Zulassung wahrscheinlicher.

Quelle: ntv.de

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