Hintergrund Die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien
18.05.2011, 15:52 Uhr
Die neue Bundeswehr: Bis zu 185.000 Soldaten soll die Armee umfassen.
(Foto: REUTERS)
Schutz der Bevölkerung, territoriale Integrität Deutschlands und internationale Interessen: Verteidigungsminister De Maizière definiert in den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien die Sicherheitsinteressen Deutschlands. Ein Überblick über den Rahmen für den Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr.
Risiken und Bedrohungen
"Die größten Herausforderungen liegen heute weniger in der Stärke anderer Staaten als in deren Schwäche", heißt es in den 20 Seiten starken Richtlinien. Zerfallende und zerfallene Staaten lösten Bürgerkriege, humanitäre Krisen, Radikalisierung und Flüchtlingsströme aus und böten Extremisten und Organisierter Kriminalität Rückzugsräume. Auch Cyber-Angriffe, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Zunahme von Flüchtlingsströmen wegen klimatischer Veränderungen sowie die Rohstoff-Knappheit werden als Bedrohungen genannt.
"Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung", heißt es in dem Papier. Der Zugang zu Bodenschätzen werde weltweit derzeit neu geordnet, Zugangsbeschränkungen könnten Konflikte auslösen. Auch Transport- und Energiesicherheit würden künftig eine wachsende Rolle spielen: "Störungen der Transportwege und der Rohstoff- und Warenströme, zum Beispiel durch Piraterie und Sabotage des Luftverkehrs, stellen eine Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand dar."
Deutsche Sicherheitsinteressen
"Deutsche Sicherheitsinteressen ergeben sich aus unserer Geschichte, der geografischen Lage in der Mitte Europas, den internationalen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen des Landes und der Ressourcenabhängigkeit als Hochtechnologiestandort und rohstoffarme Exportnation", heißt es in den Richtlinien. Als sicherheitspolitische Ziele Deutschlands nennt das Papier Sicherheit und Schutz der Bevölkerung, die territoriale Integrität Deutschlands und seiner Verbündeten sowie die "Wahrnehmung internationaler Interessen". Sicherheit für Deutschland bedeute, Auswirkungen von Krisen und Konflikten auf Distanz zu halten und sich aktiv an deren Einhegung zu beteiligen. "Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften."
Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr
"Durch die Befähigung zum Einsatz von Streitkräften im gesamten Intensitätsspektrum ist Deutschland in der Lage, einen seiner Größe entsprechenden, politisch und militärisch angemessenen Beitrag zu leisten und dadurch seinen Einfluss, insbesondere seine Mitsprache bei Planungen und Entscheidungen sicherzustellen", heißt es in den Richtlinien. "Nur wer seine Fähigkeiten für eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung anbietet, kann im Bündnis mitgestalten." Für den Auslandseinsatz sind den Richtlinien zufolge zeitgleich rund 10.000 Soldaten vorzuhalten. Ein Auslandseinsatz kann abgebrochen werden, wenn ein Einsatz zur Bündnisverteidigung nötig wird.
Multinationale militärische Zusammenarbeit
Sie gilt als eine Möglichkeit, Geld zu sparen, hat jedoch ihre Tücken. Die Richtlinien unterscheiden drei Kategorien: Fähigkeiten, die national unverzichtbar sind und daher ausschließlich national vorgehalten werden. Fähigkeiten, bei denen eine engere Zusammenarbeit mit Partnern möglich ist, ohne dass dabei die nationale Fähigkeit abgegeben wird ("Pooling"). Fähigkeiten, bei denen ein wechselseitiges Abstützen auf europäische Partner vorstellbar ist ("Sharing").
Rüstungsbeschaffung
"Marktverfügbaren Lösungen ... ist Vorrang einzuräumen", heißt es in den Richtlinien zur Beschaffung von Rüstungsgütern. "Es wird beschafft, was erforderlich und finanzierbar ist, und nicht, was man gerne hätte oder was angeboten wird." Auch künftig werde die deutsche Rüstungsindustrie einen wesentlichen Beitrag zur Bereitstellung der Ausrüstung leisten. Allerdings müsse sich eine verstärkte militärische Zusammenarbeit der europäischen Staaten künftig auch in der Zusammenarbeit der europäischen Rüstungsindustrie niederschlagen. Ein abgestimmtes Vorgehen der Staaten bei der Entwicklung, Beschaffung und dem Betrieb militärischer Systeme werde nötig sein, um unverzichtbare militärische Fähigkeiten in Europa zu sichern. Ebenso wie die Bundeswehr müsse die Rüstungsindustrie künftig flexibel auf sich verändernde Zielvorgaben reagieren. "Sie hat gegenüber der Bundeswehr eine dienende Funktion."
Quelle: ntv.de, rts