Politik

Taliban in Kundus unter Druck Handynetze nachts wieder in Betrieb

Erfolg im Kampf gegen die Taliban am Bundeswehr-Standort Kundus: Nach Zurückdrängen der Aufständischen in der nordafghanischen Provinz können die Bewohner nachts wieder mobil telefonieren. Die Taliban hatten die Abschaltung erzwungen. Nun ist das Signal wieder da.

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(Foto: REUTERS)

Die Machtdemonstration der Taliban war eine Ohrfeige für die afghanische Regierung und für die Deutschen in Kundus: Im vergangenen Frühjahr zwangen die Aufständischen die vier großen afghanischen Mobilfunkbetreiber, nachts die Handynetze in der Unruheprovinz auszuschalten - angeblich, damit ihre Kämpfer nicht geortet werden können. Nun ist das Funksignal wieder rund um die Uhr da. Für die Afghanen in der Region, in der es kaum Festnetzanschlüsse gibt, hat das großen praktischen Nutzen. Und im Kampf gegen die Taliban hat die Rückkehr des Netzes hohen Symbolwert.

SPD-Chef Sigmar Gabriel wollte am Freitag nach Afghanistan aufbrechen, um sich zunächst im Einsatzgebiet der Bundeswehr über die Lage zu informieren. Unter den Sozialdemokraten wächst die Kritik an dem Einsatz, der nun in seinem zehnten Jahr ist. Als Rot-Grün die Bundeswehr Ende 2001 an den Hindukusch entsandte, hätte sich kaum jemand träumen lassen, dass das Engagement so lange dauern würde - und dass es so blutig wird. Doch inzwischen gibt es aus Kundus nicht nur Horrornachrichten, sondern auch vereinzelte Erfolgsmeldungen, selbst wenn ein Ende der Gewalt noch lange nicht absehbar ist.

Schwächung der Taliban

Ein Bundeswehrsoldat am 13.12.2010 auf Patrouille in einem Vorort von Masar-i-Scharif.

Ein Bundeswehrsoldat am 13.12.2010 auf Patrouille in einem Vorort von Masar-i-Scharif.

(Foto: dpa)

Dass die Handys in Kundus nachts wieder funktionieren ist eine solche Erfolgsmeldung - ein Mosaikstein in einem Bild, das zumindest nicht mehr so düster ist wie noch vor wenigen Monaten. Dass die Mobilfunkbetreiber es wagen, sich der Anordnung der Taliban zu widersetzen, ist ein Indiz dafür, dass die Aufständischen geschwächt sind. Deutsche, amerikanische und afghanische Truppen haben den Taliban in den vergangenen Monaten schwere Verluste zugefügt und sie in Kundus in einigen ihrer Hochburgen zurückdrängen können.

Der Ort Gor Tepa war über Jahre hinweg eine dieser Hochburgen. Auch dort sind die Afghanen erleichtert darüber, dass sie jetzt wieder rund um die Uhr Handyempfang haben. "Wenn nachts etwas passierte, konnten wir unsere Telefone nicht benutzen", sagt Gul Rahman. "Vor einigen Monaten wurde mein Cousin nachts krank, und wir mussten ihn zum Haus meines Verwandten tragen, der ein Auto hat. Hätten die Telefone funktioniert, hätten wir ihn einfach anrufen können, er wäre mit seinem Auto gekommen und hätte meinen Cousin ins Krankenhaus nach Kundus-Stadt gefahren."

Vorsichtige Zuversicht

Nicht nur der Handyempfang hat das Leben der Menschen in Kundus verbessert. In Gegenden, wo die Taliban zurückgedrängt wurden, geht es auch wirtschaftlich voran. Bauern können ihre Waren ungehindert auf die Märkte in der Provinzhauptstadt bringen. Auf dem Basar in Gor Tepa haben neue Läden eröffnet - darunter auch solche, die entgegen den Anordnungen der Taliban Musik verkaufen. "Die Menschen befestigen langsam Fernsehantennen auf dem Dach und können ungehindert Radio hören", sagt der Anwohner Gul Ahmad. Menschen, die aus Angst vor Nato-Bombardements geflohen waren, sind nach Gor Tepa zurückgekehrt.

Bei der Bundeswehr in Kundus gibt man sich vorsichtig optimistisch. Zwar würden immer noch Sprengfallen entdeckt, doch ihre Zahl habe abgenommen, sagt Bundeswehr-Sprecher Ullrich Burchardi. Seit die Taliban Anfang November aus dem Süden des Unruhedistrikts Char Darah verdrängt wurden, sei das Feldlager nicht mehr mit Raketen beschossen worden. Die Sicherheitslage habe sich verbessert. "Es ist noch nicht so, dass wir sagen können, alles ist in Ordnung. Aber wir sind auf einem aufsteigenden Ast."

Nun gelte es, die Erfolge in den Frühling und den Sommer zu tragen, sagt Burchardi. Im Frühjahr beginnt traditionell die Kampfsaison, dann erst wird sich zeigen, ob die Taliban dauerhaftgeschwächt wurden - oder ob sie neu gestärkt in den Kampf ziehen
werden. Afghanen wie Yaar Mohammad aus Char Darah trauen der Ruhe noch nicht. "Die Regierungstruppen und die ausländischen Truppen sind in der Vergangenheit mehrfach in unsere Gegend gekommen, aber nach einer Weile zogen sie ab und die Taliban kehrten zurück", sagt er. "Deshalb will ich lieber noch nicht feiern."

Quelle: ntv.de, Can Merey und Farhad Peikar, dpa

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