Valls wird neuer Premier Hollande will verstanden haben
31.03.2014, 21:16 Uhr
Die regierenden Sozialisten ziehen nach der für sie desaströsen Kommunalwahl die Reißleine: Die Regierung tritt zurück und der Präsident gibt sich ein bisschen einsichtig. Richten soll es nun der frühere Innenminister - für Hollande nicht ungefährlich.
Nach der für die Sozialisten enttäuschenden Kommunalwahl bekommt Frankreich eine neue Regierung. Der bisherige Innenminister Manuel Valls werde Premier Jean-Marc Ayrault ersetzen, sagte Staatspräsident François Hollande in einer Fernsehansprache. Er habe Valls zur Bildung einer "Kampfregierung" aufgefordert. Zum Wahlausgang sagte Hollande, die Botschaft der Wähler auch persönlich verstanden zu haben. Valls gilt als einer der beliebtesten Politiker im bisherigen Kabinett.
Zuvor hatte der bisherige Premier Ayrault den Rücktritt des gesamten Kabinetts bekanntgegeben. Die neue Regierung soll nach Hollandes Worten kleiner werden. Bisher gehören 38 Männer und Frauen dem Kabinett an.
Unternehmen sollen entlastet werden
Zugleich kündigte der Präsident an, ein zentrales Ziel der neuen Regierung sei es, die Belastungen für Unternehmen zu senken, um Arbeitsplätze zu schaffen. Zudem stellte er niedrigere Steuern und Lohnnebenkosten in Aussicht. Hollande ergänzte, Frankreich müsse seine EU-Partner davon überzeugen, bei der Beurteilung der Haushaltsziele die Bemühungen um ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu berücksichtigen.
Über eine Regierungsumbildung war seit Tagen spekuliert worden. Nach der Kommunalwahl steht seine sozialistische Partei vor den Trümmern der bisher zwei Jahre dauernden Amtszeit Hollandes.
Französischen Medienberichten zufolge soll Hollande den Job des Premier zuvor auch Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian angeboten haben. Die bisherigen Grünen-Minister Cécile Duflot und Pascal Canfin wollen nicht in eine Regierung unter dem zum rechten Flügel der Sozialisten gehörenden Valls eintreten. Die Ernennung des 51-Jährigen sei nicht die "angemessene Antwort auf die Probleme der Franzosen".
Harter Kurs in Ausländerpolitik
Valls werden Führungsstärke, Entscheidungskraft und Gespür für Medienwirksamkeit zugestanden. Zugleich aber polarisiert der 51-Jährige die regierenden Sozialisten, die in ihrer derzeitigen Krise eigentlich unbedingt den Zusammenhalt brauchen.
Der im katalanischen Barcelona geborene Valls zählte ursprünglich nicht zu den langjährigen Vertrauten Hollandes, erwarb sich in dessen Wahlkampfteam 2012 aber das Vertrauen und galt letztlich sogar als einer der maßgeblichen Architekten von Hollandes Wahlsieg. Im Innenministerium stieg er trotz - oder wegen - seines harten Kurses in der Ausländerpolitik zum Umfrage-Liebling auf.
Der studierte Historiker trat noch vor seiner Einbürgerung der PS bei. Ab 2002 war er Parlamentsabgeordneter. Als Innenminister setzte er auf einen Kurs, den manche Kritiker als Fortsetzung der umstrittenen Politik unter Frankreichs konservativem Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy empfanden. So kam Valls durch die Räumung von Roma-Lagern und die Abschiebung von Ausländern regelmäßig in die Schlagzeilen - und handelte sich im vergangenen Herbst bei der Abschiebung des Roma-Mädchens Leonarda Massenproteste von Schülern ein.
Schon vor Jahren hatte er mit Attacken gegen den Parteiapparat und gegen ideologische Heiligtümer der Sozialisten wie die 35-Stunden-Woche den Zorn vieler Linker auf sich gezogen.
Valls, dem eine rücksichtlose Ellenbogen-Mentalität vorgeworfen wird, könnte nun genau der Richtige sein, um Hollandes ungeliebte Wirtschaftsreformen durchzupauken. Doch ein Erfolg birgt bereits das nächste Problem: Valls werden Ambitionen auch für die Präsidentenwahl 2017 nachgesagt.
Erste Bürgermeisterin in Paris
Die Konservativen verbuchten in der Schlussrunde viele Siege. Auch für den rechtsextremen Front National gab es Einzelerfolge. Für die Linke blieben Achtungserfolge vor allem in größeren Städten - so bekommt Paris mit der Sozialistin Anne Hidalgo erstmals eine Bürgermeisterin.
Mit Blick auf die Europawahl Ende Mai wurden daher entschlossene Schritte Hollandes erwartet. Laut jüngsten Umfragen zur Europawahl liegen die Sozialisten nur auf Platz drei - hinter der konservativen UMP und den EU-Gegnern des Front National.
Sozialisten verlieren viele Städte
Nach dem vorläufigen Ergebnis des Innenministeriums erzielte die Rechte bei den Kommunalwahlen landesweit 45,9 Prozent. Die Linken landeten bei 40,6 Prozent. Der Front National, der nur in ausgesuchten Städten antrat, konnte mit 6,8 Prozent im zweiten Wahlgang erneut zulegen. Unabhängige Bewerber kamen auf 6,6 Prozent.
In 171 Städten mussten die Linken ihre Macht an Konservative abgeben, im Gegenzug konnten sie nur sechs Städte der Rechten erobern. Die Sozialisten verloren unter anderem in Marseille, Toulouse, Amiens oder Reims. Auch teils historische Hochburgen wie Saint-Étienne, Limoges oder Chambéry fielen. Bei der Kommunalwahl 2008 hatten die Linken den damals regierenden Konservativen 82 Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern abjagen können.
Unter den wichtigsten Städten sind jetzt noch 31 in der Hand der Linken. Die Konservativen kommen auf 56 bedeutende Kommunen, für FN oder andere extreme Rechte sind es elf wichtigere Orte. Am Sonntag ging es noch um die Mehrheiten in knapp 6500 Kommunen, eine Woche zuvor war in fast 37.000 Gemeinden gewählt worden.
Quelle: ntv.de, jwu/jog/dpa/AFP