"Bedrohung für alle Nichtchristen" Kruzifix soll aus dem OLG verschwinden
07.05.2013, 15:36 Uhr
Der Kruzifix hängt über der Eingangstür.
(Foto: picture alliance / dpa)
Den Saal 101 des Oberlandesgerichts München schmückt ein Kruzifix. Ein türkischer Parlamentsabgeordneter fühlt sich durch das Kreuz bedroht und verlangt, dass es umgehend entfernt werden müsse. Auch die türkischen Zeitungen lassen kein gutes Haar an Deutschland.
Ein türkischer Politiker hat nach dem Auftakt des NSU-Prozesses das Oberlandesgericht in München aufgefordert, das Kruzifix aus dem Verhandlungssaal zu entfernen. Das christliche Symbol stelle einen Verstoß gegen die Prinzipien des säkularen Rechtsstaats dar, sagte der Parlamentsabgeordnete Mahmut Tanal. Das Kreuz sei zudem eine "Bedrohung für alle Nichtchristen", sagte er mit Blick auf die muslimischen Angehörigen der türkischen NSU-Opfer. Deshalb müsse das Kruzifix "sofort" verschwinden.

Mit dieser Pose soll Zschäpe die Beobachter und Angehörigen der Opfer provoziert haben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Tanal gehört der säkularen Oppositionspartei CHP an und war Mitglied der sechsköpfigen Parlamentarierdelegation aus Ankara, die bei der Prozesseröffnung am Montag im Gerichtssaal anwesend war. Der Politiker bekräftigte den in der Türkei bereits zuvor erhobenen Verdacht, dass der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund von Kräften im deutschen Staatsapparat unterstützt worden sei.
Schwere Vorwürfe gegen Deutschland
Wenn eine Bande in verschiedenen Städten Deutschlands mit ein und derselben Waffe acht Türken und einen Griechen ermorden könne, ohne entdeckt zu werden, dann bedeute dies, "dass dahinter staatliche Kräfte stehen", sagte Tanal. Ohne den Schutz durch Kräfte im deutschen Sicherheitsapparat hätte der NSU die Verbrechensserie nicht so ungestört begehen können, fügte er hinzu.
Nach Ansicht von "Sabah"-Chefredakteur Erdal Safak, habe der NSU ähnlich wie die Gruppe Ergenekon in der Türkei mit Unterstützung staatlicher Stellen agieren können. Die türkische Staatsanwaltschaft wirft mehreren hundert mutmaßlichen Ergenekon-Mitgliedern vor, mit Verbündeten in staatlichen Institutionen einen gewaltsamen Sturz der Regierung in Ankara geplant zu haben. Auch beim "Jahrhundert-Prozess" des NSU-Verfahrens gehe es um den Vorwurf der Unterstützung staatlicher Stellen, betonte Safak. Er bezeichnete den NSU als "deutschen Ergenekon".
Türkische Zeitungen sehen Prozess als "Show"
In großer Aufmachung berichteten türkische Zeitungen über den Auftakt des NSU-Prozesses in München. Die Aufmerksamkeit vieler Blätter richtete sich auf die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, die mit verschränkten Armen im Gerichtssaal erschienen war und den anderen Prozessbeteiligten den Rücken zugewandt hatte. Der Verhandlungssaal sei zur Bühne für eine "Show" Zschäpes geworden, hieß es auf der Titelseite der Zeitung "Hürriyet". Gleichzeitig wurden auch hier Rufe nach einer Beleuchtung mutmaßlicher Verbindungen zwischen der NSU und den deutschen Sicherheitsbehörden laut.
Die "Nazi-Braut" Zschäpe habe sich in "Hitler-Pose" gezeigt, kommentierte die Zeitung "Habertürk" mit Blick auf die verschränkten Arme der Hauptbeschuldigten. Die "Sabah" vermerkte, dass Zschäpe im Gerichtssaal Kaugummi gekaut und mit ihren Anwälten gescherzt habe. Die Angehörigen der acht türkischen Mordopfer hätten den Auftritt teilweise zitternd verfolgt. In der Zeitung "Yeni Safak" war von einer "Frechheit" der Angeklagten die Rede. Die Zeitung "Star" zog einen Vergleich zwischen Zschäpe und Ogün Samast, dem rechtsgerichteten Mörder des armenischstämmigen Journalisten Hrant Dink. Deutschland stehe mit dem Prozess vor einer "Nazi-Prüfung", hieß es in der Zeitung "Milliyet".
Verfahren geht in einer Woche weiter
In dem Verfahren, das am 14. Mai fortgesetzt werden soll, muss sich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe als einzige Überlebende des Zwickauer Neonazitrios wegen Mittäterschaft bei zehn Morden verantworten. Ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten sich im November 2011 selbst getötet.
Vier Mitangeklagten Zschäpes wird Unterstützung des jahrelang unentdeckten NSU beziehungsweise Beihilfe zu dessen Taten vorgeworfen. Die Zelle soll zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2007 acht türkischstämmige Kleinunternehmer, einen griechischstämmigen Mann und eine deutsche Polizistin ermordet haben.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP