Politik

Missglücktes NPD-Verbot Merkel warnt vor Folgen

Die NPD soll verboten werden - auf diesem Kurs sind jedenfalls die Innenminister der Länder. Diverse V-Leute in der rechtsextremen Partei werden zurzeit abgeschaltet. Bundeskanzlerin Merkel ist jedoch in Sorge: Ein übereiltes Verfahren dürfe es nicht geben, warnt sie.

(Foto: dpa)

In der Debatte um ein mögliches NPD-Verbotsverfahren hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen Schnellschüsse gewandt. Ein neuer Antrag für ein Verbot müsse "sehr sehr gut begründet" sein, weil das Risiko eines erneuten Scheiterns bestehe, das schwere Konsequenzen mit sich brächte, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert . Er betonte aber auch, dass die NPD nach Überzeugung der Kanzlerin eine "fremdenfeindliche, antisemitische, verfassungsfeindliche und durch und durch anti-demokratische Partei" sei. Daran gebe es keine Zweifel.

Die Innenminister von Bund und Ländern kommen an diesem Donnerstag zu einer Sonderkonferenz in Berlin zusammen, um über das Thema NPD-Verbot zu beraten. Ein erster Anlauf war 2003 misslungen. Bei der Sonderkonferenz werden die Ressortchefs von Bund und Ländern voraussichtlich beschließen, V-Leute zumindest in der NPD-Führung vom 1. April an abzuschalten.

Nordrhein-Westfalen teilte derweil mit, es habe seine V-Leute in den Führungsgremien der NPD bereits abgeschaltet. Wann der Schritt erfolgte und um wie viele Vertrauensleute des Verfassungsschutzes es sich handelt, wurde nicht berichtet. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte, er trete für ein neues Verbotsverfahren ein, wenn feststehe, dass es eine realistische Aussicht auf Erfolg gebe.

"Es ist mein klares Ziel, ein Verbot der NPD zu erreichen. Sie bereitet den Boden für braune Gewalt, ihre Ideologie ist menschenverachtend, fremdenfeindlich und antidemokratisch", betonte Jäger. Es dürfe aber kein zweites Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht geben. Der erste Anlauf für ein Verbot war in Karlsruhe an der Frage der V-Leute gescheitert.

 

Seit Jahren diskutiert die Politik bereits über ein Verbot der NPD. Nach dem Bekanntwerden der Neonazi-Morde mit zehn Todesopfern stieg der Druck, es noch einmal mit einem Verbotsverfahren zu versuchen.

Warum ist es so schwierig, ein Verbot zu erreichen?

  • Das Grundgesetz stattet die politischen Parteien wegen ihrer Sonderstellung im Verfassungsleben mit einer erhöhten Schutz- und Bestandsgarantie aus ("Parteienprivileg"). So dürfen Parteien wegen ihrer politischen Meinung oder Betätigung nicht benachteiligt oder verfolgt werden. Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine Partei wegen Verfassungswidrigkeit verbieten. Anträge dazu können nur die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag stellen. Das ist die Lehre aus dem Dritten Reich, als Reichskanzler Adolf Hitler eigenmächtig Parteien wie beispielsweise die SPD verbieten ließ.

Was sind die Kriterien für ein erfolgreiches Verbotsverfahren?

  • Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Innenminister hat bislang drei zentrale Kriterien ausgemacht: Das Beweismaterial muss belegen, dass die NPD verfassungsfeindlich ist - nicht nur rückblickend, sondern auch gegenwärtig. Auch muss das Material "staatsfrei" sein, das heißt, es darf nicht wesentlich auf Aussagen von Vertrauensleuten ("V-Leute") des Verfassungsschutzes in der NPD zurückgehen. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2003. Damals scheiterte das Verbotsverfahren gerade auch, weil es hier Ungenauigkeiten gab. Zudem muss das Verbot verhältnismäßig sein, damit es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg nicht kippt. Die Frage ist: Wie groß ist die Bedrohung durch die NPD für die Demokratie in Deutschland und ist angesichts dessen ein Verbot gerechtfertigt?

Was werden die Innenminister voraussichtlich beschließen?

  • Voraussichtlich beschließen sie, dass die Verfassungsschützer zum 1. April auf V-Leute in der NPD-Führung verzichten und dass die Behörden nach bestimmten Kriterien Beweise für ein mögliches Verbotsverfahren sammeln sollen. Einige Länder haben die V-Leute schon "abgeschaltet". Vor allem Unionsminister wollen aber nicht ganz auf V-Leute verzichten - im Unterbau der NPD und an den Nahtstellen zur rechtsextremen Szene wird es sie weiter geben.

Kommt ein neues Verbotsverfahren?

  • Die Frage ist noch nicht entschieden. Beantwortet wird sie wahrscheinlich zum Jahresende, wenn das Beweismaterial juristisch vorgeprüft ist. Ein großer Knackpunkt sind nach wie vor die V-Leute. Man muss damit rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht die Klarnamen von Spitzeln offengelegt haben möchte. Auch die NPD-Anwälte könnten darauf dringen. Eine Reihe von Innenministern fürchtet aber eine Offenlegung, weil den V-Leuten wegen möglicher Racheakte aus der Szene zugesichert wurde, sie unter keinen Umständen zu enttarnen. Bei einer Enttarnung wäre es künftig schwierig, neue Spitzel zu gewinnen.

Wie geht es nun weiter?

  • Nach den Innenministern kommen am 29. März die Ministerpräsidenten zusammen, um auch über das Thema NPD zu beraten. Unter anderem hatte Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) erklärt, sie rechne dann mit einer Entscheidung für ein NPD-Verbotsverfahren. Das ist aber bislang eine Einzelmeinung - zumal die Innenminister durchweg gegen einen solchen Schnellschuss sein dürften.

Quelle: ntv.de, dpa

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