Dutzende Zivilisten getötet US-Drohenangriff traf die Falschen
18.03.2011, 17:14 UhrEine US-Drohne soll nicht Taliban-Kämpfer, sondern Dutzende Zivilisten getötet haben. Die pakistanische Armee ist außer sich und spricht von einer Missachtung von Menschenleben. Die Regierung fordert eine Entschuldigung der USA - und droht mit Konsequenzen.

Die Stimmung in Pakistan ist aufgeheizt.
(Foto: dpa)
Ein in Pakistan hat bei der Armee und der Regierung in Islamabad wütende Reaktionen hervorgerufen. Nach Militärangaben waren bei dem Beschuss im Grenzgebiet zu Afghanistan Zivilisten ums Leben gekommen, nicht wie ursprünglich aus Geheimdienstkreisen verlautete Taliban-Kämpfer. Der pakistanische Armeechef Ashfaq Parvez Kayani verurteilte den Angriff als "ungerechtfertigt und unter keinen Umständen hinnehmbar". Die Zahl der Opfer stieg auf 44.
Der Drohnenangriff sorgte für eine erneute Belastung der pakistanisch-amerikanischen Beziehungen. Das Außenministerium bestellte US-Botschafter Cameron Munter ein. Nach Angaben von Ministeriumssprecherin Tehmina Janjua fordert die pakistanische Regierung eine offizielle Entschuldigung Washingtons für den Tod der Zivilisten. Andernfalls würde Pakistan nicht an einem geplanten Treffen mit den USA und Afghanistan in Brüssel am Samstag kommender Woche teilnehmen, sagte sie.
"Wir haben zu Selbstmordanschlägen aufgefordert"
In der Mitteilung Kayanis hieß es, eine Ratsversammlung friedlicher Bürger sei "unter völliger Missachtung menschlichen Lebens" angegriffen worden. Der Armeechef sprach von einem "Verstoß gegen die Menschenrechte", der den Kampf gegen den Terrorismus erschwere. Premierminister Yousuf Raza Gilani sagte, solche Angriffe auf Unschuldige "werden die radikalen und extremistischen Elemente nur stärken".

Unter der Bevölkerung sind die Drohnenangriffe der US-Armee nicht gern gesehen.
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Ein unbemanntes US-Flugzeug hatte zuvor im Stammesgebiet Nord-Waziristan - einer Hochburg radikal-islamischer Aufständischer und Terroristen - mehrere Raketen abgeschossen. Stammesälteste aus Nord- und Süd-Waziristan schworen nun bei einer Großen Ratsversammlung Rache. "Wir haben unsere Leute aufgefordert, Selbstmordanschläge gegen Amerika zu verüben", sagte der Vorsitzende der Versammlung (Dschirga), Malik Jalaluddin. Angehörige der Stämme leben auch auf der afghanischen Seite der Grenze.
Nach offiziellen Angaben waren 41 Menschen bei dem Raketenbeschuss getötet worden. Aus Geheimdienstkreisen hieß es, drei weitere Männer seien inzwischen im Krankenhaus an ihren Verletzungen gestorben. Acht Verletzte schwebten weiterhin in Lebensgefahr.
Angriffe fördern Anti-Amerika-Haltung
Inoffiziell duldet die Regierung in Islamabad die amerikanischen Drohnenangriffe, die pakistanische Armee liefert in manchen Fällen Zielinformationen. Bei der Bevölkerung sind die Angriffe aber hochgradig unpopulär. Sie tragen zu der ausgeprägten amerikafeindlichen Stimmung im Land maßgeblich bei.
Die Beziehungen zwischen Islamabad und Washington waren zuletzt durch den Fall eines in Pakistan unter Mordverdacht stehenden CIA-Mitarbeiters schwer belastet worden. Die US-Regierung hatte die Freilassung des amerikanischen Staatsbürgers Raymond Davis gefordert, der Ende Januar in der ostpakistanischen Stadt Lahore unter ungeklärten Umständen zwei Einheimische erschossen hatte.
Ein Gericht in Lahore hatte Davis am Mittwoch aus der Untersuchungshaft entlassen, nachdem die Angehörigen der Opfer ihm vergeben hatten. Nach offiziellen Angaben war ihnen zuvor sogenanntes Blutgeld zur Entschädigung versprochen worden. Davis reiste unmittelbar danach aus.
Wegen Davis' Freilassung demonstrierten in Pakistan nach dem Freitagsgebet zehntausende Menschen gegen ihre Regierung und gegen die USA. In mehreren Städten gingen aufgebrachte Oppositionsanhänger und Islamisten auf die Straße. Sie skandierten amerikafeindliche Parolen und beschimpften Präsident Asif Ali Zardari als Marionette Washingtons. Die Botschaft und die Konsulate der USA blieben am Freitag geschlossen. Die Botschaft rief ihre Landsleute in Pakistan dazu auf, "Maßnahmen für ihre Sicherheit" zu treffen.
Quelle: ntv.de, dpa