Dossier

"Das ist klare Pressezensur" China will Mauerfall totschweigen

Chinas Zensurbehörden wollen den Berliner Mauerfall und die historischen Ereignisse von 1989 am liebsten totschweigen.So dürfen chinesische Journalisten nicht über die "Mauersteine" berichten, die vier der international bekanntesten chinesischen Künstler eigens für die Feiern am 9. November zum 20. Jahrestag des Berliner Mauerfalls am Brandenburger Tor gestaltet haben. "Das ist klare Pressezensur. Wir finden das einfach dumm", kritisierte der Chef des Pekinger Goethe-Instituts, Michael Kahn-Ackermann. Er hatte die Aktion in China zusammen mit dem deutschen Botschafter Michael Schaefer organisiert.

Der chinesische Künstler Xu Bing erklärt dem deutschen Botschafter in Peking, Michael Schaefer, seinen "Mauerstein".

Der chinesische Künstler Xu Bing erklärt dem deutschen Botschafter in Peking, Michael Schaefer, seinen "Mauerstein".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die vier "Mauersteine" gehören zu 1000 nachgebildeten Mauerstücken aus Hartstyropor. 970 dieser Segmente erhielten deutsche Künstler. Die restlichen 30 gingen in acht Länder, die eigene Erfahrungen mit einer Mauer oder der Teilung gemacht haben. China war dabei, weil seine Große Mauer eher ein Symbol der Einheit ist - aber auch Korea, das noch heute unter der Trennung leidet. Dass in China vier weltweit renommierte Künstler für das Vorhaben gewonnen werden konnten, wurde als seltener Glücksfall gewertet. Immerhin erzielen ihre Werke auf dem internationalen Kunstmarkt bis zu zweistellige Millionenbeträge. "So große Namen sind sonst nicht dabei", sagte Kahn-Ackermann.

Keine Artikel über Graffiti auf der Mauer

Vor drei Dutzend chinesischen Journalisten enthüllten Wang Guangyi, Zhang Xiaogang, Xu Bing und Huang Rui schließlich ihre Werke im Garten der Botschafterresidenz. Die Kameras rollten und klickten. Interviews mit den vier Spitzenvertretern der chinesischen Avantgarde wurden in die Blöcke gekritzelt. Am Vortag hatte die Pekinger Zeitung "Xinjingbao" stolz verkündet, dass Chinas Künstler "Graffiti auf die Mauer" malen. Doch schienen Zensurbeamte überrascht und glaubten, die Notbremse ziehen zu müssen. In den Redaktionen wurde umgehend ein Berichterstattungsverbot über diese besondere Aktion deutsch-chinesischer Freundschaft verhängt. Der harmlose Artikel der "Xinjingbao" im Internet wurde gelöscht.

"Es ist immer noch ein heikles Thema", sagte ein chinesischer Journalist. Er wies dabei auch auf Bilder von der Demokratiebewegung 1989 hin, die Künstler Huang Rui in seiner historischen Fotomontage auf seinen Stein geklebt hatte. Während das Jahr 1989 in Deutschland für den Mauerfall und die Einheit steht, denken Chinesen an das Massaker vom 4. Juni 1989. Ostdeutschland erlebte den Niedergang des Sozialismus, gewann die Freiheit. Die kommunistische Führung in Peking aber zementierte mit der "chinesischen Lösung" ihren diktatorischen Machtanspruch. Gerade weil am 1. Oktober der 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik mit einem Propaganda-Spektakel gefeiert wird, soll jede Erinnerung an 1989 verhindert werden.

1989: Auch für China ein Wendepunkt

Nachdenklich hat Künstler Zhang Xiaogang seinen "Mauerstein" mit Metall in einen Spiegel zur Reflexion verwandelt. Auf Chinesisch hat er darauf geschrieben, dass 1989 für die Welt eine Zäsur gewesen sei und auch für China ein "Wendepunkt". Auch die Chinesen hätten die Freiheit spüren können. Seither sei nichts mehr wie früher. Ganz anders Wang Guangyi: Im propagandistischen Malstil und deutschem Schwarz-Rot-Gold lässt er auf seinem Stein einen Revolutionär mit Hammer und Meißel die Mauer aufhämmern.

Poetisch gibt sich Xu Bing, der die deutsche Übersetzung eines Gedichts über die tragische Trennung eines Paares aufpinselte. In seiner "Himmelsschrift" schreibt er die lateinischen Buchstaben deutscher Worte geschickt wie chinesische Schriftzeichen. Das bereitgestellte, 20 Kilogramm schwere Hartstyropor ersetzte Xu Bing mit echtem Mauerbeton, was den Organisatoren der "Mauerreise" Kopfschmerzen bereitet: Sein Stein wiegt jetzt mehr als anderthalb Tonnen, lässt sich kaum bewegen. Dabei sollten alle 1000 Mauerteile bei der Feier am 9. November in Berlin entlang der alten Zonengrenze wie Dominosteine umfallen. Doch mit einem Schätzwert von einigen hunderttausend Euro kommen die vier Kunstwerke aus China ohnehin direkt ins Historische Museum in Berlin, damit ihnen nichts passiert.

Quelle: ntv.de, Andreas Landwehr, dpa

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