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Nobelpreis ist eine Bürde für Obama Der Preis kommt zu früh

Überzeugend begründet das Nobelpreis-Komitee die Verleihung des Preises an Obama. Doch es fällt eine Fehlentscheidung. Denn die Verleihung ist eine Bürde für den US-Präsidenten, der Gefahr läuft, sich zu verheben.

Es ist ein Preis auf Vorschuss, ein Ansporn, eine Erwartungshaltung, ein Aufbruchsignal. Und es ist ein hohes Risiko für das Ansehen des Friedensnobelpreises, wenn der neue Preisträger – US-Präsident Barack Obama – die hohen Erwartungen nicht erfüllen kann. Das Komitee begründet seine Entscheidung mit den diplomatischen Vorstößen, mit denen Obama ein neues internationales Klima geschaffen habe und nennt vor allem sein Eintreten für atomare Abrüstung und Klimaschutz.

Ausgezeichnet für seine Diplomatie: Barack Obama.

Ausgezeichnet für seine Diplomatie: Barack Obama.

(Foto: dpa)

Das Komitee hat Recht: Obama ist ein Hoffnungsträger, der mit wenigen Reden – zum Beispiel in Prag und Kairo – ein Umlenken der amerikanischen Außenpolitik signalisiert hat. Er wendet sich von der Politik seines Vorgängers George W. Bush ab. Sicher ist die Preisverleihung auch gegen dessen aggressives Auftreten gerichtet. Obama geht es um Klimaschutz, er versucht, das Verhältnis zur muslimischen Welt zu verbessern und – dies vor allem – macht die USA wieder zu einem Partner im internationalen Gefüge und gegenüber internationalen Organisationen.

Ansporn und Rückenwind

Dies alles wird in Oslo wohlüberlegt vorgetragen, ebenso die Zielrichtung der Entscheidung: Obama habe die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen und neue Hoffnungen auf eine bessere Zukunft entfacht – und genau diese Vision unterstütze der Preis seit seiner ersten Verleihung. Der Preis würdigt Obama eben nicht, sondern spornt ihn an, verleiht ihm Rückenwind.

Trotz all dieser guten Argumente ist die Verleihung des Friedensnobelpreises an Obama ein Fehler. Zu groß ist das Risiko, dass der Präsident sich mit seiner weitreichenden und umfassenden Agenda verhebt. Der Frieden in Nahost, die nachhaltige Förderung des Klimaschutzes, die Beendigung der Kriege im Irak und in Afghanistan, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, atomare Abrüstung, der Atomstreit mit dem Iran, Auseinandersetzungen mit Nordkorea – diese Themen stehen auf der außenpolitischen Agenda Obamas. Sie sind kaum zu bewältigen.

Eine schwere Bürde

Für Obama persönlich bedeutet die Verleihung eine schwere Bürde. Er muss jetzt umso mehr beweisen, dass er seinen Reden auch Taten folgen lassen kann. Bei der atomaren Abrüstung ist ihm bereits ein erster Schritt gelungen – eine UN-Entscheidung ist auf den Weg gebracht. Er muss aber auch zeigen, dass er die Fähigkeit besitzt, sich gegen weit größere Widerstände durchzusetzen – im eigenen Land, bei den Verbündeten, aber eben auch bei diktatorischen Machthabern.

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(Foto: dpa)

Den aussichtslos scheinenden Krieg in Afghanistan versucht Obama durch Truppenverstärkungen Herr zu werden, der Iran widersetzt sich konsequent seinen Gesprächsangeboten und düpiert die internationale Gemeinschaft, Nordkorea spielt ein Wechselspiel zwischen Tauwetter und Eiszeit, der Nahost-Konflikt kommt auch durch die Wahl Netanjahus zum israelischen Ministerpräsidenten ins Stocken. Bei all diesen Konfliktherden wird nun ein Erfolg von Obama erwartet, jeder Misserfolg wird ihm nun besonders angekreidet werden – das ist scharfe Munition für seine Kritiker.

Eine Chance vertan

Das Komitee vergibt zudem die Chance, Personen oder Initiativen zu würdigen, die sich auf regionaler oder nationaler Ebene um Frieden und Verständigung bemühen. Sie hätten die gleichzeitig verliehene Aufmerksamkeit bitter nötig. Aung San Suu Kyi, Preisträgerin von 1991 und in Birma seit Jahren unter Hausarrest, wird durch den Nobelpreistitel und die ihm folgende Medienaufmerksamkeit vermutlich ganz konkret vor noch schärferen Repressalien geschützt.

Das Nobelpreis-Komitee begründet seine Entscheidung.

Das Nobelpreis-Komitee begründet seine Entscheidung.

(Foto: AP)

Nach Martti Ahtisaari (2008) sowie Al Gore und dem Klimarat (2007) hätte wieder eine dieser kleinen Organisationen den Preis verdient. Mit Muhammad Yunus und der Grameen Bank (2006) oder der Kenianerin Wangari Muta Maathai (2004) hat das Komitee in vergangenen Jahren überzeugende Beispiele dafür gefunden. Diese Organisationen und Personen wurden über Nacht einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Obama besitzt diese Aufmerksamkeit bereits, weltweit und umfassend. Mehr gewonnen hätten dagegen Organisationen die sich in Afghanistan für die Rechte von Frauen einsetzen, die für Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern eintreten, die mit konkreten Aktionen das Klima schützen – sie machen keine Versprechen, sondern handeln in ihrem Maßstab.

Die Entscheidung der Osloer Jury ist mitnichten ein Skandal. Sie ist umstritten und kritisierbar, kommt einige Jahre zu früh, zeugt aber vor allem von Mut. Man möchte sich wünschen, dass das Komitee, trotz aller Unkenrufe, am Ende die richtige Wahl getroffen hat.

Quelle: ntv.de

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