Ausweitung des Atalanta-Mandats "Aussichtslose Schlacht"
18.04.2012, 20:46 UhrDer Bundestag hat das Mandat für die deutschen Marinesoldaten erweitert, die im Rahmen der EU-Mission Atalanta seit Ende 2008 im Indischen Ozean kreuzen. Um besser gegen Seeräuber aus Somalia vorgehen zu können, sollen die Streitkräfte künftig auch an Land kämpfen dürfen. Die Zeitungen in Deutschland sind sehr gespalten, ob dies ein sinnvoller Schritt sei.
Für überfällig hält die Landeszeitung aus Lüneburg die Ausweitung des Atalanta-Mandats. "Der Handelsriese Deutschland dürfe sich nicht wegducken, wenn seine Handelsrouten attackiert werden, fordert Westerwelle eine realpolitische Haltung ein, die gerne als zynisch verteufelt wird. Das (...) ist das Eingeständnis bisheriger Naivität", urteilt die Landeszeitung. Weltfremd dagegen sei "die ablehnende Haltung der Opposition, die zudem die Loyalität mit Europa opfert."

(Foto: dpa)
Ähnlich sieht das das Straubinger Tagblatt, das die Ursachen der Piraterie bei den hohen Lösegeldern sieht. "Solange das Kapern und Entführen von Frachtern und Tankern den Räubern wie ihren Hintermännern Einnahmen in Millionenhöhe verspricht, werden die Beutezüge nicht aufhören." Daraus zieht das Blatt aus Niederbayern folgenden Schluss: "Es ist höchste Zeit, dass die westliche Welt die Profiteure des Geschäfts mit der gleichen Entschlossenheit bekämpft wie die Piraten und die Finanzströme trocken legt."
Die Berliner Zeitung weist auf die noch tieferliegenden Hintergründe der Piraterie am Horn von Afrika hin. "Die Piraterie ließe sich nur unterbinden, wenn den Seeräubern, die früher meist friedliche Fischer gewesen sind, eine wirtschaftliche Alternative angeboten würde." Die Berliner Zeitung sieht deshalb auch die EU in der Pflicht - nicht militärisch, sondern diplomatisch und ökonomisch aktiver zu werden. "Dazu hätte die EU allen Grund, denn auch ihre Fischflotten haben einst internationales Seerecht ignoriert und die Fischgründe vor Somalia leergefischt."
Und der Reutlinger Generalanzeiger gibt zu bedenken: "Bisher waren die Seeräuber und ihre Logistik einschließlich der Boote an Land in Sicherheit. Das ändert sich jetzt, doch kann deshalb keine Rede davon sein, dass damit der Krieg an Land gebracht werde. Ursachenbekämpfung ist das aber nach wie vor auch nicht."
Kritisch ist auch das Hamburger Abendblatt zu der Mission, doch vor allem deshalb, weil sie Risiken für die beteiligten Streitkräfte hat. "Diese Eskalation birgt Risiken. So besteht die Gefahr, dass Unbeteiligte getötet werden. Zum anderen könnten Piloten in Geiselhaft geraten."Im Übrigen sei das Piratenproblem militärisch gar nicht zu lösen, ist der Schluss der Zeitung aus Hamburg.
Die Märkische Allgemeine aus Potsdam verweist auf eine frühere Militärmission in Somalia, die im Desaster endete. Welche Risiken Lufteinsätze dort bergen, wissen man "spätestens seit dem Absturz eines amerikanischen Kampfhubschraubers über Somalia 1993. Damals wurden tote US-Soldaten durch die Straßen geschleift." Dennoch findet der Einsatz bei dem brandenburgischen Blatt Zustimmung. "Um es dennoch klar zu sagen: Die Mission ist sinnvoll, Deutschland als Handelsnation hat ein Interesse daran, dass die Seewege in dieser Region sicher sind."
Als Gewinner sieht der Generalanzeiger aus Bonn vor allem die Piraten. "Die Piraten können sich reichlich entspannt hinter die Grenzlinie der europäischen Mission zurückziehen, wissen sie doch, dass Soldaten einer ordentlichen Armee gemeinhin streng nach den Einsatzregeln handeln (müssen)." Die Zeitung vom Rhein sieht nicht, dass in Somalia jemand Interesse an Frieden hätte. "Der Kreislauf von Krieg und Bürgerkrieg hat die Menschen gelehrt, dass mit Krieg und Räuberei, nicht mit Frieden, Geld zu machen ist."
Die Stuttgarter Zeitung hält den ganzen Einsatz für zwecklos und betont: "Tatsächlich ist es (...) beileibe nicht das größte Problem, dass erstmals in der Geschichte deutscher Auslandseinsätze die gesamte Opposition die Regierungsentscheidung nicht mittragen will. Die sehr viel größere Schwierigkeit liegt darin, dass eine Schlacht begonnen wird, die nicht gewonnen werden kann.
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Nora Schareika