Volleyball-Thriller im Klatschpappen-Gewitter Drama-Queens halten Gold-Traum am Leben
14.09.2013, 00:51 Uhr
Jubeltraube nach dem Drama: Deutschlands Volleyballerinnen am Boden - vor Glück.
(Foto: dpa)
Mit 0:2 liegen die deutschen Volleyballerinnen im Halbfinale der Heim-EM gegen Belgien hinten. Dann starten sie ein sensationelles Comeback. Trainer Giovanni Guidetti versteht nicht, warum sein Team das Spiel noch gedreht hat. Und weiß nicht, wie es das Finale gewinnen soll.

IOC-Präsident Thomas Bach gab sich lange neutral. Die Berliner Halle angesichts des Dramas nicht.
(Foto: imago sportfotodienst)
Am Ende stand sogar der neue Chef der Sportwelt auf und applaudierte einem bemerkenswerten Comeback. IOC-Präsident Thomas Bach hatte das ganze Spiel über seine Neutralität bewahrt, blieb auf seinem Ehrenplatz sitzen, als die deutschen Volleyballerinnen die anderen 7.136 Zuschauer in Berlin schon längst von den Sitzen gerissen hatten. Sie feierten den Sieg in einem Halbfinale, das schon verloren aussah. Mit 0:2 lag das deutsche Team hinten, doch mit Nervenstärke rettete es sich in den fünften Satz. Der Tiebreak geriet zum Triumphzug. So bleibt der große Traum bestehen: EM-Gold im eigenen Land. Im Endspiel warten ab 20 Uhr die Russinnen, ihres Zeichens amtierende Weltmeisterinnen.
"Irgendwann haben wir alles oder nichts gespielt", sagte die überragende Margareta Kozuch. Die Kapitänin ging mit gutem Beispiel voran, schrie, fluchte, jubelte. So laut, dass man sie selbst im Klatschpappen-Gewitter der Max-Schmeling-Halle deutlich hören konnte. "Wir haben viel über die Emotionen gemacht", sagte sie hinterher. "Wir sind eine Mannschaft, die sich untereinander hilft."
Zwei Sätze Krampf

Der Zusammenhalt im deutschen Team stimmt. Das ist sein größter Trumpf.
(Foto: imago sportfotodienst)
Die gegenseitige Aufmunterung war auch bitter nötig. Zwei Sätze lang wirkten die deutschen Damen, als würde ihnen schwindlig von der Fallhöhe eines EM-Halbfinals im eigenen Land, als sei das Gerede von Gold ihnen doch zu Kopf gestiegen. Viel konzentrierter gingen die Belgierinnen zu Werke, die prompt den ersten Satz mit 25:18 für sich entschieden. Bundestrainer Giovanni Gudetti gab zu, dass die Erwartungen vor dem Spiel seine Spielerinnen belasteten: "Natürlich gibt es den Druck, das sind keine Maschinen", sagte der 40-Jährige. "Alle haben darauf gewartet, dass wir ins Finale kommen. Wir selbst ja auch."
Selbst die 18:14-Führung im zweiten Satz brachte keine Sicherheit in das Spiel der "Schmetterlinge". Stattdessen brachten acht Punkte hintereinander die Belgierinnen wieder auf Kurs. Plötzlich war auch der zweite Satz verloren. "Wir haben gegen eine Mannschaft gespielt, die keine Fehler gemacht hat", sagte Guidetti.
"Wusste, dass wir verlieren können"
Fehler machte vor allem das deutsche Team, auch noch im dritten Satz hakte es: Allein dreimal berührten die deutschen Spielerinnen beim Blocken unerlaubterweise das Netz. Über 14:14 und 19:18 kämpfte sich die Mannschaft aber in den Satz, 25:21 stand es am Ende, der Hallensprecher japste: "Es gibt keine Sitzplatzpflicht in der Max-Schmeling-Halle."
Einen wirklichen Wendepunkt konnte der Bundestrainer nicht ausmachen. Im vierten Satz fing sich sein Team einen frühen 5:10-Rückstand ein, der auch Margarete Kozuch zu denken gab: "Natürlich wusste ich zwischendurch auch, dass wir verlieren können." Angeführt von der Kapitänin machte die Mannschaft allerdings Punkt für Punkt gut. In teils spektakulären Ballwechseln errang sie erstmals beim 19:18 die Führung, und gab sie nicht wieder her. "Ich muss mir das Spiel nochmal angucken. Ich habe immer noch nicht verstanden, warum wir gewonnen haben", sagte der Trainer nach dem Spiel.
Finale gegen den Weltmeister
Im Finale warten nun Russlands Weltmeisterinnen. Die hatten gegen Serbien keine Probleme und fertigten den noch amtierenden Europameister mit 3:0 ab. Margarete Kozuch glaubt nicht, dass der Krimi gegen Belgien zu viele Kräfte gekostet hat. "Die Fitness wird kein Problem. Unser großes Plus ist, dass wir in Deutschland spielen und den Heimvorteil nutzen können." Die Max-Schmeling-Halle wird mit 8500 Zuschauern ausverkauft sein. Wie auch immer man zu Klatschpappen und Bumsbudenbeats aus der Dose steht – ohrenbetäubend laut war es schon gegen Belgien. Die Final-Kulisse wird stimmen.
Und trotzdem muss einiges zusammenkommen, damit der Traum von Gold wirklich wahr wird. Das weiß auch Bundestrainer Giovanni Guidetti. Aber: "Mein Vertrauen in diese Mannschaft ist so groß, dass ich glaube, wir können es schaffen. Wie - ich habe keine Ahnung." Aber wenn sie es schaffen, wird vielleicht auch Thomas Bach einmal heimlich die Faust ballen.
Quelle: ntv.de