Märkte entziehen das Vertrauen Italien wird angezählt
03.11.2011, 12:33 Uhr
		                      (Foto: AP)
Die Verunsicherung über die finanzielle Lage Italiens wächst ungebremst. Während die Schuldenkrise in Griechenland eskaliert, beweist Italiens Regierungschef Berlusconi einmal mehr seine Handlungsunfähigkeit. Obwohl die Europäische Zentralbank zur Stützung der Kurse weiter italienische Staatspapiere aufkauft, steigen die Risikoprämien auf italienische Bonds auf neue Rekordstände.
Angesichts des Griechenland-Dramas nimmt die Verunsicherung der Anleger in der gesamten Eurozone erheblich zu. Kein anderes Euro-Land spürt das so stark wie Italien. Im drittgrößten Euroland nach Deutschland und Frankreich kletterte die Rendite zehnjähriger Papiere am Donnerstag mit 6,40 Prozent auf ein Rekordhoch seit Gründung des Euroraums. In der Spitze fordern Investoren 4,62 Prozentpunkte mehr Rendite als für die als relativ sicher eingeschätzten deutschen Staatsanleihen. An den immer neuen Rendite-Rekorden ändern auch weitere Stützungskäufe italienischer Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank wenig. Händlern zufolge war die EZB auch am Donnerstag wieder am Markt aktiv geworden.
Sollte Italien diese hohen Renditeanforderungen nicht in absehbarer Zeit deutlich senken können, droht das Land in einen gefährlichen Schuldensog zu geraten. Zinsen von 6 Prozent und mehr kann ein Land wie Italien nicht dauerhaft zahlen, ohne die Staatsverschuldung selbst in konjunkturell starken Zeiten in die Höhe zu treiben.
Auch die Versicherungen gegen einen Ausfall italienischer Staatsanleihen verteuerten sich weiter. Die Absicherung eines Anleihenpakets im Volumen von 10 Mio. Euro verteuerte sich nach Informationen des Datenanbieters Markit um 27.000 Euro auf 525.000 Euro. Damit liegt die Versicherungsprämie nur 10.000 Euro unter dem Rekordhoch vom September.
Misstrauen unter Banken wächst
Auch die Entwicklungen am Interbankenmarkt signalisieren die steigende Krisenstimmung. Statt sich gegenseitig Geld zu leihen, ziehen es die Banken vor, ihre überschüssige Liquidität schlecht verzinst bei der Europäischen Zentralbank zu parken. Die eintägigen Einlagen stiegen jüngst auf 252,95 Mrd. Euro. Damit nähern sie sich wieder ihrem Jahreshöchststand, der vor knapp einem Monat mit rund 270 Mrd. Euro erreicht worden war.
Indem sie das Geld - zu niedrigen Zinsen - bei der Zentralbank parken, gegen die Geldhäuser auf "Nummer sicher". Kurzfristige Mittel leihen sich die Banken normalerweise lieber untereinander zu günstigeren Konditionen am sogenannten Interbankenmarkt. Der Anstieg der EZB-Einlagen ist daher auch ein Maß für das mangelnde Vertrauen der Banken untereinander, dass die ausufernde Schuldenkrise auch die eine oder andere Bank ins Wanken bringt. Das betrifft nicht nur die Lage in Italien, angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Landes für die Eurozone sind Sorgen über Ausfälle im Bankensektor jedoch auch auf den schwindenden Glauben an Rom zurückzuführen.
Fortgeschritte Fehlanzeige
Die wachsenden Sorgen um Italien, die sich in den steigenden Renditen ausdrücken, kommen nicht von ungefähr. Neben Griechenland ist kein anderes Land der Eurozone so hoch verschuldet wie Italien. Zugleich zeigt sich die italienische Regierung im Kampf gegen die Schulden zunehmend handlungsunfähig.
In einer Sondersitzung bis in den späten Mittwochabend einigten sich Regierungschef Silvio Berlusconi und seine Minister nur mit Mühe auf eine Reihe von Zusätzen für den Entwurf eines Stabilitätsgesetzes. Dabei gehe es um einen verstärkten Verkauf von staatlichen Immobilien im Wert von geschätzt fünf Mrd. pro Jahr. Außerdem solle es Steuererleichterungen sowohl für Großprojekte im Infrastrukturbereich geben als auch für Firmen im armen Süden des Landes, die Neueinstellungen und Ausbildung fördern wollen. Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst soll eine größere Flexibilität abverlangt werden. Offizielle inhaltliche Angaben zu den Beschlüssen machte Berlusconi vor seiner Abreise zum G20-Gipfel in Cannes nicht.
Alle "drastischen Maßnahmen" fehlten, kritisierte nicht allein der konservative "Corriere della Sera". Zudem handelt es sich erneut um Pläne - im Unterschied zu dem zunächst geplanten Dekret, das Anti-Krisen-Maßnahmen sofort in Kraft gesetzt hätte. Das Stabilitätsgesetz soll am Freitag dem Senat präsentiert werden. Der innenpolitisch angeschlagene Berlusconi muss es noch durch beide Parlamentskammern boxen.
Auf Druck von Märkten und der EU hatte Berlusconi in der vergangenen Woche in Brüssel ein Papier mit Plänen für mehr Wachstum und Entschuldung präsentiert - Liberalisierungen, eine Rentenreform, Auflockerung des Arbeitnehmerschutzes und Infrastrukturprogramme. Um nicht mit leeren Händen in Cannes zu erscheinen, hätte ein Teil dieser Punkte bereits in das nun gescheiterte Dekret fließen sollen.
Quelle: ntv.de, nne/dpa/DJ