Wirtschaft

Investoren kehren Russland den Rücken Kapitalflucht beschleunigt sich

Sanktionen? Kapitalflucht? Bislang lässt Kreml-Chef Putin alles kalt.

Sanktionen? Kapitalflucht? Bislang lässt Kreml-Chef Putin alles kalt.

(Foto: REUTERS)

Die Annexion der Krim wirkt sich klar geschäftsschädigend aus. Immer mehr Investoren ziehen ihr Geld aus Russland ab. Allein im ersten Quartal rechnet Moskau mit mehr Kapitalabflüssen als im gesamten Vorjahr. Aber Kreml-Chef Putin zeigt Flagge.

Über der russischen Wirtschaft türmen sich dunkle Wolken auf. Die Kapitalflucht aus dem Land dürfte im ersten Quartal den höchsten Stand seit der Finanzkrise 2008 erreichen. Die Gesamtsumme wird schätzungsweise 65 Milliarden bis 70 Milliarden US-Dollar betragen, wie der russische Vize-Wirtschaftsminister Andrei Klepach ankündigte. Das wäre etwas mehr als im gesamten Jahr 2013 und die höchste Summe seit dem Schlussquartal 2008. Nahezu die Hälfte entfiel den Angaben zufolge auf den Monat März.

Hintergrund der zunehmenden Kapitalabflüsse ist die unsichere Lage in Russland wegen der Krim-Krise. Investoren befürchten verschärfte wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Das Land erlebt bereits seit Jahren einen Schwund an Investitionen, was das wirtschaftliche Wachstum bremst. Seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel hat sich das Verhältnis zwischen Russland auf der einen und Europa und Amerika auf der anderen Seite aber deutlich abgekühlt, was sich noch einmal deutlicher in den Handelsbeziehungen niederschlägt.

Diese Entwicklung dürfte auch anhalten. Denn die Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industriestaaten versuchen zurzeit, den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erhöhen: Den geplanten G-8-Gipfel in Sotschi sagten sie ab. Außerdem drohten sie nach einem Krisentreffen am Vortag in Den Haag mit schmerzhaften Wirtschaftssanktionen, wenn die Lage weiter eskaliert.

Kapitalflucht schlimmer als Sanktionen

Ökonomen sind sich einig, dass die bisherigen Sanktionen eher symbolischen Charakter haben. Auch Klepach bestätigte, die seit der Einverleibung der Krim gegen Russland verhängten Sanktionen hätten zumindest bisher keinen messbaren Einfluss auf die Wirtschaft. Mehr Sorge bereiten ihm dagegen die sich verschlechternden Beziehungen zum Westen, die dazu führten, dass die ohnehin schon große Kapitalflucht noch schlimmer werde.

Am Vortag hatte sich die Deutsche Industrie- und Handelskammer DIHK und die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG zu den Kapitalabflüssen von deutschen Unternehmen zu Wort gemeldet. Viele Firmen zögen ihr Geld ab. Die Firmen aus der Bundesrepublik seien bisher eine der größten Quellen für Direktinvestitionen gewesen, hieß es. Laut Bundesbankstatistiken haben deutsche Firmen gut 20 Milliarden Euro in Russland investiert. Wenn das Geld einmal weg sei, sei es sehr schwer zurückzuholen, hieß es von der KPMG.

Banken spüren Folgen

Die jüngsten Zahlen der beiden russischen Banken SMP-Bank und Rossija bestätigen derweil, dass die US-Sanktionen gegen Russland nicht völlig verpuffen. Bei der SMP Bank sind den Angaben des Instituts zufolge Einlagen in Höhe von umgerechnet rund 180 Millionen Euro abgezogen worden.

Die russische Bank Rossija riet ihren Kunden, vorerst keine Zahlungen und Überweisungen mehr in Fremdwährungen auf Konten bei dem Geldhaus vorzunehmen. Überweisungen in Rubel seien dagegen unproblematisch. Das Geldhaus verfügt über Vermögensposten von rund zehn Milliarden Dollar. Das Institut unterhält nach Angaben des US-Finanzministeriums Geschäftsbeziehungen zu etlichen Geldhäusern in den USA und Europa.

Zulauf bekommt das Institut unterdessen von patriotisch gesinnten Russen. So soll Kremlchef Wladimir Putin demonstrativ ein Konto bei der mit US-Sanktionen belegten Bank eröffnet haben. "Auf dieses Konto wird vom kommenden Monat an das Präsidentengehalt überwiesen", bestätigte Putins Sprecher Dmitri Peskow. Die Rossija belegt laut Aussage eines Vertreters der US-Regierung Platz 17 der größten Banken in Russland.

Kapitalflucht schwächt Rubel

Wer sich jetzt patriotisch zeigt, bezahlt dafür auch einen gewissen Preis. Denn der russische Rubel hat seit Jahresbeginn gegen den Dollar zehn Prozent an Wert verloren. Seit Beginn des Konflikts um die Krim sind außerdem die Zinsen für Unternehmensanleihen gestiegen und die Aktienkurse eingebrochen.

Der auf Rubel lautende Moskauer Aktienindex Micex gab seit der Verschärfung der Krise um die Halbinsel Krim rund 12 Prozent nach. Nach Schätzungen befinden sich 70 Prozent der russischen Aktien im Besitz von Ausländern.

Mögliche Sanktionen sowie die Abwertung des Rubels dürften auch auf die Ergebnisse russischer Firmen durchschlagen. Die Experten von Morgan Stanley halten Ergebnisrückgänge wie zu Zeiten der Finanzkrise 2008/2009 für möglich, als der Gewinn je Aktie der Unternehmen im Schnitt um 62 Prozent einbrach.

Russland droht Rezession

Unklar ist, wie viele Sanktionen die russische Wirtschaft verkraften kann. Nach Regierungsangaben dürfte sie im ersten Quartal bereits stagniert haben. Für das Gesamtjahr hat das Land bisher ein Wachstum von 2,5 Prozent angestrebt. Neue Prognosen könnte das Ministerium Anfang April vorstellen.

Die russische Wirtschaft steckt bereits in ernsthaften Schwierigkeiten, räumte die Regierung selbst kürzlich selbst ein. "Die wirtschaftliche Situation zeigt Anzeichen einer Krise", sagte Vize-Minister für Wirtschaftsentwicklung Sergej Beljakow vor einer Woche. Fachleute rechnen damit, dass Russland im Zuge der politischen Spannungen in eine Rezession abgleiten könnte.

Ratingagenturen schlafen nicht

Vonseiten der Finanzmärkte droht Moskau auch noch weiteres Ungemach. Die Ratingagentur Standard & Poor's kündigte wegen der Krim-Krise an, die Bonitätsnote Russlands unter Beobachtung zu stellen. Der Ausblick für die Bewertung wurde von "stabil" auf "negativ" gesenkt.

Die russische Zentralbank versucht derweil, an ihrer Geldpolitik festzuhalten, wie Klepach weiter ausführte. Die Inflation dürfte im März zwischen 0,9 und 1,0 Prozent liegen. Eine solche Monatsrate lasse eine Jahresteuerung von 6,9 bis 7,0 Prozent erwarten, sie läge damit über dem Zielwert der Zentralbank von 5 Prozent, hieß es.

Quelle: ntv.de, ddi/DJ

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