Spezial

Explosionsgefahr nicht gebannt Tepco leitet Stickstoff ein

Die Sorge steht den Tepco-Leuten weiter ins Gesicht geschrieben.

Die Sorge steht den Tepco-Leuten weiter ins Gesicht geschrieben.

(Foto: dpa)

Seit 5.38 Uhr läuft kein hochradioaktives Wasser mehr ins Meer. Den Tepco-Arbeitern ist es gelungen, einen Riss in einem Schacht an Reaktor 2 im AKW Fukushima mit Flüssigglas zu schließen. Die normalen Kühlsysteme funktionieren indes noch immer nicht, und im Reaktorgebäude 2 hat sich wieder Wasserstoff angesammelt, der jederzeit explodieren kann.

Mit der Einspeisung von Stickstoff in einen Reaktorbehälter der havarierten japanischen Atomanlage Fukushima will der Betreiber Tepco eine drohende Explosion dort verhindern. Zuvor war es gelungen, nach dem tagelangen Auslaufen von stark radioaktiv verseuchtem Wasser das Leck an einer Leitung von Reaktor 2 zu schließen.

Die Einspeisung von Stickstoff an Reaktor 1 könne mehrere Tage dauern, teilte Tepco mit. Dort habe sich wahrscheinlich sehr viel Wasserstoff angesammelt, so dass die Gefahr einer Explosion wie am 12. und 14. März bestehe.

Wenigstens der Riss (l) ist nun dicht (r).

Wenigstens der Riss (l) ist nun dicht (r).

(Foto: REUTERS)

Die Brennstäbe im Reaktorblock 1 hatten zeitweise aus dem Kühlwasser geragt und sich gefährlich erhitzt. Dadurch könnte sich das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt haben. In diesem Fall stiege das Risiko einer Knallgasexplosion.

Mit Stickstoff lässt sich das gefährliche Gemisch verdünnen. Stickstoff ist reaktionsträge, so dass unerwartete chemische Reaktionen ausgeschlossen sind. Dennoch gab die Atomsicherheitsbehörde zu bedenken, dass durch die Zuführung des Gases radioaktive Substanzen aus dem Reaktorsicherheitsbehälter entweichen könnten. Die Behörde wies Tepco an, die Strahlung in der Umgebung genau zu beobachten.

Leck ist dicht

Tepco teilte weiter mit, dank des Einsatzes von sei der 20 Zentimeter lange Riss an der Leitung des Reaktors 2 verschlossen worden, und es laufe kein stark radioaktiv verseuchtes Wasser mehr aus. Durch den Riss waren seit dem Wochenende große Mengen verseuchten Wassers ins Meer geströmt. Das Wasser stammte von den Kühlarbeiten am Reaktordruckbehälter, das sich im Untergeschoss des an den Reaktor angrenzenden Turbinengebäudes gesammelt hatte.

Techniker von Tokyo Electric Power (Tepco) hatten sich seit Tagen bemüht, Risse in einem Betonschacht zu schließen. Dabei füllten sie Beton sowie eine Mischung aus Sägespäne, Zeitungen und Kunstharz in den Schacht. Der Durchbruch gelang, als sie eine Silizium-Verbindung in den Boden unterhalb des Schachts pressten. Nahe des Atommeilers sank die radioaktive Belastung im Pazifik. Die Belastung mit radioaktivem Jods lag 600-mal über dem zulässigen Grenzwert nach zuvor 4800-mal.

Tanks für kontaminiertes Wasser

Doch noch immer bleibt das Problem, wie die rund 60.000 Tonnen kontaminiertes Meereswasser gelagert werden sollen, mit denen die Brennelemente gekühlt wurden. Neben dem Ablassen verstrahlten Wassers ins Meer plant Tepco, Tanks zu bauen, die so viel Wasser aufnehmen können wie sechs Olympia-Schwimmbecken. Zudem soll ein Schwimmtank umgebaut und eingesetzt werden.

Tepco-Arbeiter bemühten sich, das Kühlsystem in vier durch das Erdbeben und den Tsunami beschädigten Reaktorblöcken wieder in Gang zu setzen. Bis dieses Problem gelöst ist, muss mit Meerwasser gekühlt werden, um eine Überhitzung der Brennelemente und eine Kernschmelze zu verhindern. Die Zeitung "Sankei" berichtete, die Regierung und Tepco überprüften derzeit, ob für drei Reaktoren ein externes Kühlsystem neu gebaut werden könnte, um die Brennelemente von außen zu kühlen.

Unklare Auswirkungen im Meer

Die defekten Reaktoren müssen noch immer gekühlt werden.

Die defekten Reaktoren müssen noch immer gekühlt werden.

(Foto: dpa)

Die Betreiberfirma leitete jedoch weiter schwach radioaktives Wasser in den Pazifik, um in der Atomanlage Platz für stärker belastetes Wasser zu schaffen. Die Einleitung in den Pazifik bereitet Experten Sorgen, weil das Wasser nicht nur schnell abbaubares Jod 131, sondern auch langlebiges radioaktives Caesium 137 enthält. Dadurch könnten Meerestiere dauerhaft radioaktiv belastet werden.

Als erstes Land verhängte Indien ein Importverbot für Lebensmittel aus ganz Japan. Bislang hatten mehrere Länder wie China, die USA und Singapur Einfuhrverbote für Lebensmittel aus bestimmten japanischen Gebieten erlassen, nicht aber für Produkte aus dem ganzen Land. Die Europäische Union will ihre Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln absenken und damit den strengeren japanischen Normen anpassen.

Finanzielle Frage zu lösen

Farmer versuchen, ihre Shiitake-Pilze im Hausinneren zu züchten, um Kontakt mit der verstrahlten Außenatmosphäre zu vermeiden.

Farmer versuchen, ihre Shiitake-Pilze im Hausinneren zu züchten, um Kontakt mit der verstrahlten Außenatmosphäre zu vermeiden.

(Foto: REUTERS)

Tepco wollte nach Angaben japanischer Medien am Mittwoch mit der Entschädigung von 80.000 Menschen beginnen, die ihr innerhalb der Evakuierungszone von 20 Kilometern um das Atomkraftwerk gelegenes Zuhause verlassen mussten.

Pro Haushalt ist zunächst eine Zahlung von einer Million Yen (8260 Euro) vorgesehen. Wegen Zweifeln an der Fähigkeit des Konzerns, die Kosten des Atomunfalls zu bewältigen, brach Tepcos Aktienkurs an der Tokioter Börse am Mittwoch erneut um 6,9 Prozent ein und fiel auf ein historisches Tief.

Medienberichten zufolge plant die japanische Regierung einen ersten Nachtragshaushalt über 35 Milliarden Dollar zum Wiederaufbau von Straßen, Häfen und Schulen sowie für neue Arbeitsplätze in den schwer zerstörten Regionen im Nordosten des Landes. Neue Schulden sollten dafür aber nicht aufgenommen werden, berichtete die Zeitung "Asahi". Die Mittel sollen durch eine Kürzung von Ausgaben an anderer Stelle aufgebracht werden.

Quelle: ntv.de, rts/AFP

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