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Endlich wieder ein Roadster!MG Cyberster im Fahrbericht - leise Macht mit Frischluftfaktor

14.12.2025, 08:36 Uhr Patrick-portraetfotoVon Patrick Broich
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Ein bisschen BMW-Z4-Vibes kann dieser MG nicht verleugnen. Macht ja nichts, Hauptsache, es gefällt. Und da BMW seinen Roadster bald einstellt, könnte man im MG eine Ersatz-Heimat finden. (Foto: Patrick Broich)

MG gönnt sich zum 100. Geburtstag einfach mal einen Roadster. Damit stößt der post-britische Hersteller nicht bloß in ein neues Segment, sondern sendet ein zaghaftes Lebenszeichen seiner früheren Identität. ntv.de hat den Cyberster ausgeführt.

MG ist heute eigentlich ein Marken-Zombie: Wirklich niemand mit ein bisschen Autokenntnis sieht eine Verbindung zwischen dem inzwischen chinesischen Label und der früheren britischen Sehnsuchtsmarke. Dabei war das mit der Brand verknüpfte traditionsreiche Werk Longbridge in Birmingham, das seit 1905 existiert und damit gar älter ist als die Marke Morris Garage, selbst unter SAIC (der chinesische Eigner) noch aktiv und produzierte bis zum Jahr 2016 Fahrzeuge. Und heute? Produktion erfolgt hier längst nicht mehr, aber SAIC betreibt noch etwas Entwicklung - immerhin. Und generell ist die Marke MG heute nicht mehr die, die sie mal war: bekannt insbesondere für leichte offene Sportler. Inzwischen gibt es vor allem günstige Kleinwagen, elektrische Kompakte und diverse SUV mit verschiedenen Antrieben. Günstig, aber wenig sexy.

Aber letztes Jahr war es so weit! Plötzlich blitzte ein Licht alter MG-Tradition auf und damit eigentlich eine kleine Revolution. Der Hersteller hat doch tatsächlich einen neuen Roadster auf den Markt gebracht und auf diese Weise mal eben die Autowelt zum Zucken - und zwar gleich auf drei Ebenen. Plötzlich bekommt MG einen Hauch von Emotionalität zurück. Dann ist es allgemein ja so, dass das offene Segment auf dem Rückzug ist - auch dieses Marktgesetz haben die Chinesen erschüttert. Zudem kommt der Roadster auch noch elektrisch um die Ecke gedüst, was in diesen Zeiten noch ziemlich exotisch anmutet.

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Manche lieben sie, andere verachten Scherentüren als protziges Gehabe. (Foto: Patrick Broich)

Aber gut, nun ist er da, der MG Cyberster - irgendwie puristisch von der Anmutung, im Design durchaus selbst dem alten MG würdig. Und mit den Scherentüren außerdem mit einem Maß an Show im Gepäck, die es womöglich braucht, um die Kunden aufzurütteln. Natürlich dringt das neue MG für kostensensitive Kunden mit dem Cyberster in bisher ungekannte Preisregionen vor. Wobei er gemessen am Gebotenen fast als günstig zu bezeichnen ist.

Cyberster ist kein Billigheimer

Ab 64.990 Euro startet die Cyberster-Basisversion mit Heckantrieb. Und man fragt sich, ob es Zufall ist, dass diese mit 340 PS exakt genauso stark ist wie das Einstiegsmodell des BMW Z4 (läuft allerdings aus). Der Stromer liegt preislich allerdings deutlich unter dem BMW, bei dem nichts unter 76.200 Euro geht. Lassen sich die beiden Autos überhaupt miteinander vergleichen? Konzeptionell sicherlich - beide sind relativ kompakte Roadster mit Stoffverdeck.

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Die ausdrucksstarke Heckpartie sorgt für Hingucker-Faktor beim MG Cyberster. Sie erinnert ein bisschen an den künftigen Polestar-Roadster. (Foto: Patrick Broich)

Und qualitativ? Jetzt wird es richtig spannend. Denn der MG macht einen durchaus soliden Eindruck - auch und gerade in puncto Design. Kollege Cyberster wirkt nun nicht wie ein Billig-Chinakracher, sondern rundum knackig-sexy, wenngleich die Front mit den etwas zu klein geratenen Scheinwerfern vielleicht die schwächste Partie ist. Dafür ist das etwas technisch aussehende, optisch glatt abgetrennte Heck fast schon richtig ikonisch mit ausdrucksstarken LED-Heckleuchten samt Blinkern im Pfeil-Design. Es erinnert an die Polestar-Designsprache.

Und innen? Das Interieur ist ganz klar der Schwachpunkt. Hier fehlt dem Konzern einfach der Sinn für ausgefeilte Architektur. Ja, das ist alles annehmbar, keine Frage. Es gibt Dinge wie ein untenherum flaches und somit sportliches Lederlenkrad, Türbeläge in Nubuk und feine Ziernähte. Aber wo bleibt der Feinschliff? Etliche Materialien wirken eben nicht so wertig wie beim Z4, hinzu kommen grobschnitzige Tasten - das Ganze ist nicht wie BMW 2025, sondern eher wie Corvette 2017 - architektonisch bemüht, etwas verquast, aber eben auch nicht hoffnungslos schlecht.

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Warum schafft es ein Konzern wie SAIC nicht, den Innenraum etwas wertiger zu gestalten? Gut, auch die 90er-MG waren nicht viel besser. (Foto: Patrick Broich)

Andererseits: War ein MG TF aus den späten 1990er-Jahren besser? Nicht wirklich. Und apropos grobschnitzige Tasten - immerhin gibt es überhaupt welche für den Antrieb der Scherentüren. Jene eigentlich etwas unnötige Spezies von Pforte wird zumindest auf diese Weise komfortabler, weil man sich nicht recken muss, um das Klappteil vom Sitz aus zu erreichen.

Beim Bedienkonzept ist MG nicht Weltspitze

Wenn man einmal im Cyberster hockt, fühlt man sich eigentlich recht wohl. Nicht, weil der Innenraum eine weitläufige Raum-Oase wäre, aber weil man so schon eingemuckelt hinter dem Instrumentarium weilt mit dem Gefühl, alles sei an seiner richtigen Stelle. Und hat man das Bedienungs-Wirrwarr (diverse Funktionen finden sich nicht immer logisch an einem Ort) hinter sich gelassen, kann man endlich dem Antrieb seine volle Konzentration widmen. Die ist im Falle der Allradversion (kostet 5000 Euro Aufpreis), wie hier zugegen, unbedingt zu empfehlen, denn statt 340 gibt es plötzlich 510 PS. Und wenn die auf etwas mehr als zwei Tonnen treffen, wird es bei voller Last wild. Also Lenkrad gut festhalten, falls der 3,2-Sekunden-Sprint auf 100 km/h mal ausgenutzt werden will.

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Ist da hinten noch etwas Platz? Bloß für ein bisschen Kleinkram, nicht für Personen. Der MG Cyberster ist ein reiner Zweisitzer. (Foto: Patrick Broich)

Also, ja, dieser Roadster ist ziemlich böse in der Beschleunigungsdisziplin. Und bei schönem Wetter sollte man die Kapuze dringend elektrisch herunternehmen, um von "eingeengt" auf "Freiheit" zu switchen. Und zusammen mit den reißenden Luftströmen macht das Nach-vorne-Preschen fast noch etwas mehr Spaß. Sollte das auf einer windungsreichen Landstraße stattfinden, auch fein.

Die Ingenieure haben den 4,54 Meter langen Spaßmacher schon recht präzise dem Steuerrad folgend hinbekommen, wobei der letzte Fahrwerksfeinschliff ausbleibt. Was aber gar nicht schlimm ist, denn am Ende wird mit einer solchen Spezies von Auto eher gecruist als gehämmert. Und auf der linken Autobahn-Spur die Muskeln spielen lassen gelingt auch, wobei der Vorwärtsdrang jenseits der 160 Sachen matter wird, bis er bei etwa 200 km/h gänzlich versiegt.

Zum Schluss noch ein Wort zur Ladeperformance - denn der netto 74 kWh fassende Akku will schließlich gefüttert werden auf Tour. Hier jetzt bitte keine zu großen Sprünge erwarten, denn bei 144 kW Peak ist Ende. Und da die Kurve schnell abflacht, steht man schon gut und gerne eine halbe Stunde an der Ladestation, um grob über den Daumen gepeilt 250 Kilometer Real-Reichweite nachzufassen - je nach Fahrweise, versteht sich.

Dafür bekommt man die Zeit gut totgeschlagen, weil ein parkender Cyberster quasi immer Gespräche mit Passanten zur Folge hat, außer, man entzieht sich ihnen gewaltsam. Um es klarzustellen: Auch wenn der MG-Spaßmacher letztlich nicht an die Brillanz hiesiger Premiumprodukte in diesem Segment heranreicht, ist er eine ultracoole Nummer. Denn das biestig schnelle Designerstück (zumindest von außen) zieht einfach die Mundwinkel nach oben. Und mal ehrlich, wer mit dem Roadster auf eine längere Reise geht, für den ist der Weg das Ziel - und das geht auch mit 400 Volt und nicht ganz ausufernder Reichweite.

Dass der MG Cyberster nicht bloß ein theoretisches Konstrukt ist, wenngleich dennoch exotisch, sieht man an den Zulassungszahlen hierzulande. Derzeit wuseln knapp 500 Exemplare auf Deutschlands Straßen herum. Vielleicht ist da ja noch etwas Luft nach oben. Viel (Frisch-)Luft innen ist mit dem coolsten MG der Neuzeit jedenfalls garantiert.

Quelle: ntv.de

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