Sturm und V8-SoundTestfahrt mit dem Aston Martin Vantage Roadster - Frischluft mit Schmackes
Von Patrick Broich
Offen bietet der tiefgreifend überarbeitete Aston Martin Vantage noch ein bisschen mehr Fahrgenuss. Vorn wummert der bassige V8 und innen tost der Wind. Fehlt nur noch das passende Kleingeld. ntv.de hat den dynamischen Roadster gefahren.
Wer sagt bitte, dass man sich im kalten Dezember nicht für ein Cabriolet interessieren darf? Jetzt aussuchen, bestellen und dann im Frühjahr genießen - wäre eine Möglichkeit. Oder gleich aus dem Showroom nach Hause fahren mitten im Winter: Dach öffnen, dicke Jacke anziehen, Heizung volle Pulle auf und ab dafür, wie wärs? Kann man machen an trockenen Tagen, selbst bei Minustemperaturen. Und beim Aston Martin Vantage merkt man sowieso nicht mehr, ob es draußen kühl oder warm ist, denn der Körper ist darauf konzentriert, was die Maschine mit einem macht, wenn das Gaspedal entsprechend tief in Richtung Bodenblech wandert.
Doch Vorsicht ist geboten, denn die 680 ausgewachsenen Pferde des doppelt aufgeladenen Vierliters gelangen ausschließlich an die Hinterachse. Also kein doppelter Boden und Netz, die Physik lässt sich nicht überlisten. Auch das elektronische Stabilitätsprogramm hilft nur bedingt bei zu viel Last beispielsweise auf nassen Straßen oder zu großem Lenkwinkel. Hier ist also fahrerisches Geschick und Verantwortung gefragt, wenn die Fahrt nicht vorzeitig enden soll mit knitterigem Blech.
Mit der richtigen Dosis von Gas und Lenkeinschlag jedoch lässt sich der 1,8-Tonner ziemlich spaßig bewegen, auch mal quer. Und bei ausreichender Traktion sowie warmen Reifen lässt sich dann vielleicht auch der vom Werk angegebene Beschleunigungswert erreichen. Wobei 3,6 Sekunden bei diesem Leistungsgewicht fast konservativ klingen.
Auf den Ampelsprint kommts beim Vantage nicht mehr an
Der offene Aston ist sowieso in Sphären unterwegs, wo der Ampelsprint bloß noch eine untergeordnete Rolle spielt (das können manche Elektro-Mittelklassen besser). Die Frage ist auch nicht, ob er souverän auf der Landstraße überholen kann, sondern wie leichtfertig man durchladen darf, ohne das Heck in Unruhe zu versetzen. Aber dafür ist die Spezies der rein heckgetriebenen Sportler selten geworden in Zeiten, da der Allradantrieb meist zum Standard gehört. Und entsprechend begehrenswert.
Doch jetzt die gute Nachricht für Kunden, die sich nicht zum Rennfahrer berufen fühlen: Der Vantage ist eigentlich gar kein Racer, sondern ein gepflegter Gran Turismo mit gestählten Muskeln - und er schreit nicht nach halsbrecherischen Moves. Er fühlt sich auch beim Cruisen über den Boulevard wohl - nein, die Passagiere, vor allem der Fahrer, fühlen sich wohl. Denn der Achtzylinder wird bei Unterforderung nicht nervös, sondern kann auch niedrige Touren glattgestrichen abgeben. Und gemeinsam mit dem Achtgang-Wandlerautomaten kommt eine geschmeidige Kraftübertragung zustande.
Offen wird das Ganze dann auch noch zu einem intensiveren Erlebnis, aber bei moderaten Tempi auch nicht zu intensiv, denn statt Sturm gibt es dann bloß ein laues Lüftchen. Aber ohne Dach rückt man dennoch beim Fahren näher an die Außenwelt heran, erlebt das Geschehen auf der Straße durchdringender, nimmt Gerüche oder Geräusche besser wahr.
Doch es bleibt die Frage, wo der Vantage überhaupt einmal seine Monsterleistung ausspielen kann, sodass man sie auch ohne spezielles Fahrertraining ohne Reue nutzen kann. Klar, auf der hiesigen Autobahn ohne Tempolimit, wenn man einen freien Abschnitt vorfindet. Die Art und Weise, wie der aus dem Mercedes-AMG-Fundus entliehene Achtzylinder sein massives 800-Newtonmeter-Plateau (von 2000 bis 5000 Touren) im oberen Geschwindigkeitsbereich in Beschleunigung umsetzt, ist schon beeindruckend.
Den Briten mal eben von 150 auf 250 Sachen zoomen? Ist im Handumdrehen erledigt. Und dabei läuft er stoisch geradeaus, gibt den unbeeindruckten Tourer. Sogar bis hoch in irrwitzige Geschwindigkeitsbereiche hinein. Schließlich endet der Vortrieb werksseitig verbrieft erst bei 325 km/h.
Genussauto durch und durch
Städtisches Cruisen dagegen erzeugt vor allem einen Genussmoment, der nicht nur sensorischer Natur ist (wie fühlt sich das an, wenn die Power einsetzt), sondern zudem akustischer. Zumal den Aston-Technikern wie schon beim geschlossenen Coupé im Zuge des Facelifts gelungen ist, den Sound markenspezifisch auszugestalten.
Früher klang da je nach Lebenslage auch mal ein bisschen AMG durch, das ist jetzt vorbei. Und so bollert das Kraftpaket nur leicht, klingt meist geschliffener, ohne seine V8-Herkunft jedoch zu verschleiern. Und gerade im Kontext mit der Akustik ist das Cabrio noch eine Spur leidenschaftlicher als das Coupé. Wenn man durch enge Gassen cruist und die Hauswände Resonanz bieten, wird der Motorklang vollends zur Musik.
Doch wie ist das mit so einem Aston Martin? Nur Licht und gar kein Schatten? Na ja, dass man ein exklusives Produkt eines Kleinserienherstellers fährt, hat nicht nur einen monetären Preis. Den einen oder anderen Bug bei der Software muss man ebenso aushalten wie den Umstand, dass bei der Verarbeitung nicht alles industriell glattgeschliffen wirkt.
Wobei es auch Überraschungen gibt: Aston Martin ist der erste Hersteller mit Apple CarPlay Ultra an Bord. Und die tiefe Integration der iOS-Oberfläche funktioniert tatsächlich mittlerweile ganz zuverlässig. Handelte man sich bei früheren Aston-Exemplaren auch mal einen "Frozen Screen" ein, scheint dieses Thema bei aktuellen Softwareständen weitgehend erledigt. Und das Bedienen erweiterter Fahrzeugfunktionen per Apple CarPlay (das macht "Ultra ja gerade aus) gelingt in der Tat recht intuitiv.
Außerdem ist das Repertoire vielseitig. Neben eigenen (wählbaren) Oberflächendesigns für das Kombiinstrument lässt sich selbst die Fahrassistenz in iOS-Manier steuern. Soweit die Annehmlichkeiten. Beim Preis hört der Spaß allerdings auf. Denn unter 210.000 Euro läufts nichts in Sachen Frischluftvergnügen mit Schmackes aus Gaydon. Und mit entsprechender Individualisierung geht auch deutlich mehr. Da ist es bloß ein schwacher Trost, dass der Roadster das kleine Leistungsplus von 15 PS frei Haus bekommt, in dessen Genuss sonst lediglich die S-Varianten kommen.