Etwas mehr Ladeleistung bitte Nissan Ariya - geballte Allradpower im Verborgenen


Der japanische Crossover wirkt vor allem dank hoher Gürtellinie ausgesprochen solide.
(Foto: Patrick Broich)
Mit dem Ariya bringt Nissan einen ausgesprochen komfortablen BEV-Vertreter. Ein bisschen Chic und viel Komfort bietet er obendrein. ntv.de war mit dem lautlosen Japaner unterwegs. In der Version mit Allrad und jeder Menge Power.
Haben Sie mal einen Nissan Ariya gesehen? Die meisten Leser vermutlich nicht - und das ist schade. Denn das im Verborgenen blühende Modell, von dem irgendwie nur wenige Menschen Wind bekommen, hätte definitiv mehr verdient. Das Kraftfahrtbundesamt zählt bis Oktober dieses Jahres bloß 841 zugelassene Exemplaren. Dabei sieht der Ariya adrett aus. Nicht überzeichnet wie manch anderer Japaner, aber auch alles andere als langweilig.

Mit dem schwarzen Schild wirkt die Front prägnant. Warum steckt hinter den schmalen Scheinwerfereinfassungen keine Matrix-Technik?
(Foto: Patrick Broich)
Vor allem die expressive Front mit dem tiefschwarzen Schild bleibt im Auge. Und die technoid aussehenden Scheinwerfer erst mit ihren optisch herausgearbeiteten LED-Segmenten (adaptives Matrixlicht fehlt jedoch). Ein bisschen fancy wirkt der Ariya sogar in der sogenannten Kommunikationsfarbe "Akatsuki Copper" gemeinsam mit dem Dach in schwarzer Kontrastlackierung. Und ausgesprochen solide mit seiner betont hohen Gürtellinie.
Kommod und wohnlich
Doch die richtige Überraschung kommt erst nach dem Entern des Crossover: Die hier vorzufindenden Sitze mit einer Art von Microfaser als Polsteroberfläche sind derart kommod, dass man am liebsten gar nicht mehr aussteigen möchte.

Alcantara und Holz machen den Innenraum edel, auch wenn der große Displaykomplex nicht ganz so schick "curved" ist.
(Foto: Patrick Broich)
Außerdem herrscht eine wohnliche Atmosphäre in dem jungen Nissan. Edle schwarze Holzapplikationen harmonieren mit japanischen Kumiko-Mustern, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Auto ziehen und nicht nur im Bereich der Türbeläge anzutreffen sind. Selbst die Abdeckungen der Lautsprecherboxen präsentieren sich in diesem speziellen Schema.
Kupferfarbene Leisten in den Lüftungsdüsen sowie Elemente im ganzen Fahrzeug (beispielsweise als Griff für die kleine Jalousie des Fachs in der Mitte) verströmen einen Hauch von Exklusivität. Das gilt auch für den oberen Bereich der Türinnenseite sowie die gesamte Armaturentafel, auf denen sich eine Art von Alcantara findet. Und dank freistehender Mittelkonsole hinterlässt der Ariya einen luftigen Eindruck ohne jegliche Enge. Als kleiner Gag lässt sich die Konsole mit lederner Armauflage elektrisch verstellen.

Wofür ist bitte der seitliche Schalter? Jawohl, die mit edlen Ziernähten versehene Mittelkonsole ist elektrisch verstellbar.
(Foto: Patrick Broich)
Überhaupt steckt das Interieur voller Spielereien, wenngleich diese nicht immer ganz praktisch sind. So finden sich Bedienelemente für die automatische Klimaanlage als Schaltflächen eingelassen in das Holzdekor. Bei Berührung gibt es ein haptisches Feedback und die Symbole werden heller. Das sieht cool aus, ist aber nicht so funktional wie die konventionelle physische Taste. Und weil Nissan das ganz genau weiß, spendiert der Konzern wenigstens einen klassischen Drehregler für die Lautstärkeregulierung. Gelungener Kompromiss! Weniger gelungen ist, dass sich hinter der elektrischen Heckklappe kein allzu großer Kofferraum verbirgt (1280 Liter).
In vielen Varianten

Im Vergleich zu anderen Fahrzeugpartien ist das Heck weniger spannend. Aber ebenfalls gefällig.
(Foto: Patrick Broich)
Langsam kommt Lust auf, mit dem Japaner eine Runde zu drehen. Hier und heute ist ntv.de mit der Allradversion unterwegs - nicht gerade ein günstiges Vergnügen angesichts eines Grundpreises von 57.490 Euro. Klar, für den Gegenwert wird viel geboten, aber ein solcher Batzen Geld verkleinert den Kundenpreis. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Mittelklasse generell teuer geworden ist. Hier handelt es sich also nicht um ein Ariya-Spezifikum.
Immerhin gibt es das Basismodell zum Kurs ab 43.490 Euro, auch nicht gerade eine volksnahe Preisgestaltung. Und in diesem Fall fällt die Leistung mit 218 statt 306 PS nicht nur geringer aus (obwohl sie immer noch ziemlich hoch angesiedelt ist), sondern der Akku ist mit 63 statt 87 kWh auch wesentlich kleiner. Andererseits ist weniger Akkukapazität auch umweltfreundlicher. Zur Batteriethematik jedoch später mehr.
Der doppelmotorige Antrieb ist ohne Zweifel ein Genuss. Es ist nicht so, dass die 306 Pferdchen zum Rasen animieren, aber sie machen den 4,60 Meter langen Mittelklässler unglaublich souverän. Ein Druck auf das Fahrpedal lässt den 2,3-Tonner aus jeder Lebenslage heraus nach vorn stürmen. Kein Wunder, wenn geballte 600 Newtonmeter Drehmoment angreifen. Dazu kommt schließlich noch, dass es niemals Zugkraftunterbrechungen gibt - schließlich existiert kein Wechselgetriebe und mithin keine Kupplungen, die geöffnet und wieder geschlossen werden müssen. Das zahlt auf das Agilitätskonto ein.
Bitte nicht erschrecken beim Blick auf das Datenblatt - 100 km/h erreicht der Nissan nach 5,7 Sekunden laut Werk. Die Passagiere spüren diesen Wert unter voller Last im Kreuz in Form massiven Schubs. Traktionsprobleme bleiben dank zweier angetriebener Achsen selbstverständlich aus. Und bei der Höchstgeschwindigkeit lassen sich die Japaner nicht lumpen, erlauben 200 km/h - das ist eine respektable Zahl für eine von der Grundausrichtung nicht auf Performance getrimmte Mittelklasse.
Beim Ladethema glänzt Nissan nicht

Während der Innenraum luftig ausfällt, muss der Laderaum zurückstecken. Aber der Ariya versteht sich eben mehr als Lifestyler denn Baumarkt-Kutsche.
(Foto: Patrick Broich)
Dieser Japaner spielt ganz klar die Komfort-Karte. So präsentiert sich auch sein Fahrwerk ausgewogen, Bodenwellen glättet es einigermaßen wirkungsvoll. Auf eine variable Dämpferregelung verzichtet Nissan, es braucht auch keine - eine harmonische Abstimmung reicht schließlich. Demnach gibt der Ariya den lässigen Tourer - prädestiniert für die lange Reise. Vorausgesetzt, man lässt sich auf die Ladethematik ein. Bis zu 513 Kilometer (bei 19,8 kWh/100 km) verspricht Nissan als kombinierte WLTP-Reichweite.
Das geht schon in Ordnung, aber ein entscheidender Faktor ist natürlich auch die Ladegeschwindigkeit. Der Ariya liegt nominal bei einer Peakladeleistung von 130 Kilowatt. Ganz ehrlich, da muss heute mehr gehen auch angesichts der Preisgestaltung. Wenn es gut läuft, also der Stromspeicher gut temperiert und die Ladesäule optimal ausgewählt ist, sattelt man binnen 20 Minuten knapp 200 Kilometer drauf. Hier muss die Reiseplanung entsprechend angepasst werden. Wer um diesen Umstand weiß, kann damit leben. Viele Kunden werden damit bald allerdings nicht mehr zufrieden sein.
Und wenn man schon an der Ladesäule ausharrt, sollte man wenigstens die Gelegenheit nutzen, mit der schicken Display-Landschaft zu interagieren. Um hier alle Kniffe herauszubekommen, bedarf es einer gewissen Lernphase. Es gibt schließlich viele Menüs zu erkunden. Für ängstliche Naturen bietet das (serienmäßige) Navigationssystem übrigens eine integrierte Ladeplanung bei Eingabe eines weit entfernten Ziels. Allerdings muss man sagen, dass das Schnellladenetz hierzulande mittlerweile so dicht geworden ist, dass dezidierte Ladeplanung fast nicht mehr nötig ist.
Zum Schluss noch ein Blick auf die Fahrerassistenz, von der das Designerfahrzeug jede Menge hat. Sämtliche Varianten können aktiv beschleunigen, bremsen und lenken - manchmal auch übergriffig. Die störendsten Funktionen wie die gesteuerte Spurführung lassen sich freilich ausschalten, wenngleich nicht per Shortcut - so etwas goutiert die NCAP-Crash-Kommission nicht. Mal sehen, wie lange die Kunden die NCAP-Organisation noch goutieren.
Datenblatt Nissan Ariya e-4ORCE Allrad
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,60 / 1,85 / 1,65 m |
Radstand | 2,78 m |
Leergewicht (DIN) | 2259 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 415 bis 1280 l |
Motorart | Zwei Elektromaschinen |
Getriebe | Eine Übersetzung, fest |
Systemleistung | 306 PS (225 kW) |
Antrieb | Allradantrieb |
max. Drehmoment | 600 Nm |
Beschleunigung 0-100 km/h | 5,7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
Akkukapazität | 87 kWh (netto) |
Maximale Ladeleistung (Gleichstrom) | 130 kW |
Ladeleistung (Wechselstrom) | Maximal 22 kW |
Verbrauch (kombiniert) | 19,8 bis 20,4 kWh/100 km (WLTP) |
kombinierte WLTP-Reichweite | 498 bis 513 km |
CO₂-Emission kombiniert | 0 g/km |
Grundpreis | Ab 57.490 Euro |
Fazit: Der Nissan Ariya ist ein durchaus gelungenes Fahrzeug mit rein elektrischem Antrieb. Er müsste mit seinem Mix aus adretter Optik und betont komfortablem Einschlag das Potenzial bieten, viele Kunden anzulocken. Das geschieht derzeit allerdings nur mäßig erfolgreich. Doch woran liegt das? Am schwierig zu schreibenden Namen? Oder an der für heutige Verhältnisse etwas schwächelnden Ladeleistung? Eigentlich kein Grund, dem attraktiven Gesamtpaket seine Chance zu verwehren. Das ist als Appell zu verstehen. Also bitte unbedingt mal eine Probefahrt buchen!
Quelle: ntv.de