Wer an Autos mit 300 PS denkt, landet zwangsläufig bei Sportwagen und Premiumherstellern. Doch auch bei den alltagstauglichen Kompakten gibt es Alternativen. Eine ist der Seat Leon ST Cupra, wie der Praxistest von n-tv.de beweist.

Hinter der Heckklappe verbergen sich 587 Liter Kofferraumvolumen. Bei umgelegter Rückenlehne sind es 1470 Liter.
(Foto: Holger Preiss)
Während Škoda mit seiner neuesten Aufarbeitung des Octavia RS 245 einen Straßensportler mit 245 PS ins Rennen geschickt hat, darf Seat mit dem Leon als Cupra aus dem gleichen 2.0-Liter-Vierzylinder satte 300 PS kitzeln. Ein Leistungsunterschied, der auf wundervolle Weise spürbar ist. Wer dem Spanier nämlich richtig die Sporen gibt, der ist in 4,9 Sekunden an der 100-km/h-Marke vorbeigeflogen und schiebt die Fuhre bei anhaltendem Druck auf das Gaspedal bis auf Tempo 250. Das geschieht so leichtfüßig, dass man bereitwillig glaubt, dass da technisch noch mehr drin ist. Muss auch, denn der Motor wird, auf 350 PS aufgebohrt, auch in den in Martorell gefertigten Cup Racer eingesetzt.
Anders als der sportliche Tscheche ist der Cupra wegen seiner größeren Kraft auch straffer abgestimmt. Allerdings haben sich die Spanier mit dem neuen Sportgerät von dieser total knackigen Gangart verabschiedet, die beim häufigen Überfahren von Querfugen oder dem Überlaufen von Kopfsteinpflaster für das anschließende Sortieren der Bandscheiben verantwortlich war. Inzwischen federt der Cupra wesentlich gelassener aus, ohne dabei etwas von seiner namentlich verbrieften Sportlichkeit einzubüßen. Das ist natürlich auch dem adaptiven Fahrwerk zu verdanken, das sich mit dem Fahrmodischalter, der von Comfort über Sport und Individual bis Cupra bietet, entsprechend anpasst. Letztgenannte Einstellung ist eine Art Sport-Plus-Variante, die alle Komponenten deutlich nachschärft und die kleinen Helferlein in den Hintergrund rücken lässt.
Gepflegte Drifteinlagen
Wer die Möglichkeit hat, der kann gerne durch langes Drücken auf den ESP-Off-Knopf den elektronischen Eingriff in Gänze deaktivieren. Das macht für kleine Drifteinlagen mit dem Allradantrieb, der beim ST optional angeboten wird, mehr Spaß als mit dem Coupé, das es ausschließlich als Fronttriebler gibt. Für schnelle Kurvenfahrten hat das aber ein Sperrdifferenzial bekommen. Ist der Spanier über beide Achsen mit dem Antriebsstrang verbunden, kann man auf der richtigen Strecke und mit Hilfe der 380 Newtonmeter maximalem Drehmoment das Heck schön kommen lassen, wobei die sehr direkte und mit guter Rückmeldung arbeitende Progressivlenkung das ihre dazu beiträgt, dass der Cupra immer wieder in die Spur zurückfindet. Wer vermehrt den sportlichen Lauf sucht, der sollte sich überlegen, ob er nicht zusätzlich eines der Cupra Performance Pakete ordert. Darin enthalten sind nämlich auch 4-Kolben-High-Performance-Bremsen von Brembo in der Dimension 370 x 32 Millimeter vorne. Die hacken richtig zu, kosten aber zusammen mit 19-Zoll-Rädern und entsprechender Sonderlackierung wie zum Beispiel dem neuen und wirklich schicken Desire Rot zusätzlich 3255 Euro.
Das einzige Manko, das der Testwagen mit Doppelkupplungsgetriebe und Allradantrieb hatte, waren die viel zu kleinen Schaltwippen. Die sitzen so weit hinter dem Lenkrad, dass das manuelle Einlegen der Gänge zum fummeligen Fingerspiel wird. Hinzu kommt, dass die Paddles so dicht an den Lenkradspeichen anliegen, dass sie keinen wirklichen Druckpunkt bieten. Insofern fährt man hier deutlich besser, wenn die Automatik sich selbständig die Schaltpunkte sucht. Obgleich es für den flotten Antritt und das weite Ausdrehen des Drehzahlmessers schon ganz schön wäre, könnte man locker mit den Fingern spielen. Ein Umstand, der an anderer Stelle auch beim Octavia RS bemängelt wurde. Was einfach daran liegt, dass sich beide Hersteller aus dem VW-Baukastens bedienen.

Aus dem 2.0-Liter-Vierzylinder schöpft der Cupra ST 300 PS und generiert ein maximales Drehmoment von 380 Newtonmeter.
(Foto: Holger Preiss)
Nun ist natürlich der Seat Leon ST auch als Cupra nicht dazu angetan, ihn pausenlos mit dem Heck wedeln zu lassen oder überhaupt in Grenzbereichen zu bewegen. Dagegen spricht schon der Verbrauch. Wer ordentlich Leistung fordert, muss mit einem Schnitt von 11 Litern auf 100 Kilometer rechnen. Der durchschnittliche Testverbrauch lag bei 9,3 Litern Super Plus. Das Benzin mit 98 Oktan wünschen sich die Spanier für ihr Hochleistungstriebwerk nicht aus Jux und Tollerei. Der Vierzylinder, der seine opulente Leistung von 300 PS nur dank der Zwangsbeatmung durch die Turbolader bekommt, verdichtet deutlich höher als herkömmliche Triebwerke. Wer Super tankt, wird den Motor nicht töten, aber den Verbrauch nach oben und die Leistung nach unten korrigieren.
An vielen Stellen nachgeschärft
Nachgebessert haben die Ingenieure auch beim Sound. Der ST konnte seinerzeit in der Variante mit 265 PS wegen der Länge nicht mit einer Sportabgasanlage ausgerüstet werden. Die bekam nur das Kürzere Cupra Coupé. Für den ST wurde seinerzeit ein Kunstgriff mit Aktuatoren ersonnen, der wenigstens die Insassen glauben machen wollte, dass auch ein Vierzylinder sportlich wie ein V6 klingt. Dieses Kunststück ist aber seinerzeit – jedenfalls in den Augen des Autors – deutlich in die Hose gegangen. Außer nervendem Lärm im Innenraum brachte diese Beigabe nämlich nichts. Beim 300 PS starken Nachfolger kann man aus Kostengründen immer noch nicht mit einem Sportauspuff dienen, aber die Soundbeigabe ist in ihrer Amplitude deutlich gespreizt und tonal weiter in den Bassbereich gerückt worden. Diesem sonoren Klang kann man auch über längere Strecken lauschen. Zudem unterstreicht sie das Understatement des Cupra ST. Denn nach außen gibt er sich mit dezenten Hoheitszeichen und optischen Verschärfungen eher unauffällig. Umso erheiternder die langen Gesichter der Boliden- und Oberklasse-Reiter, wenn der Spanier mit Gewalt nach vorne drängt.

Die Sportsitze sind ausgesprochen bequem. Wer sich richtig einschalen möchte, der bestellt Integralsitze.
(Foto: Holger Preiss)
Auch die Polster erfreuen die Passagiere inzwischen nicht mehr nur mit Alcantara-Bezügen, sondern sind so angenehm geformt, dass es kein Problem ist, größere Distanzen in ihnen zu bewältigen. Wer es optisch dynamischer mag und noch einen Tick mehr Seitenhalt in den durchheizten Kurven braucht, der kann für 1505 Euro zusätzlich Schalensitze bestellen. Häufig fühlen sich vor allem weibliche Reisebegleiter derart verschalt nicht wirklich wohl, freuen sich aber vielleicht über das für 990 Euro angebotene Panorama-Glas-Schiebedach mit Sonnenschutzjalousie und LED-Innenlicht. Für entsprechenden Spaß auf der Langstrecke sorgt auch ein neues Multimediasystem. Das kabellose Laden von Mobiltelefonen ist bis dato nur wenigen Modellen vorbehalten, im Cupra würde es aber in der Mittelkonsole funktionieren.
Zudem bietet der Cupra unterteilt in vier Pakete ein reichhaltiges Angebot an Assistenzsystemen, die die Fahrt abseits etwaiger Rennstreckeneinsätze oder der oben geschilderten fröhlichen Drift um ein Vielfaches angenehmer machen. Preislich reicht die Spanne der Pakete von 310 bis 750 Euro. Allerdings ist das teuerste auch das umfänglichste, war im Testwagen verbaut und erfreute vor allem durch den Stauassistenten, die Verkehrszeichenerkennung und die automatische Distanzregelung bis 210 km/h. Hinzu kommen ein Spurhalte-, ein Fernlicht- und ein Notfallassistent. Insgesamt ein empfehlenswertes Paket zu einem super Preis, das auch in allen Belangen während der Testfahrten zur vollen Zufriedenheit funktionierte.
Auch im Vergleich ganz vorn
Ebenso sinnvoll ist die Ultraschall-Einparkhilfe mit Sensoren an Bug und Heck für 525 Euro. Wer absolut auf Nummer sicher gehen möchte, der wählt für weitere 260 Euro auch noch die Rückfahrkamera. Tut aber nicht not. Was der Cupra ST nicht bietet, ist eine elektrisch aufschwingende Heckklappe. Das kann man unterdessen bei einem Kombi bemängeln, muss es aber nicht. Denn die 587 Liter Kofferraumvolumen, die bei umgelegter Rückbank auf 1470 Liter anwachsen, lassen sich auch bestücken, wenn der Heckdeckel per Hand auf- und zugeklappt wird. Beim Test-Cupra fraß das Notlaufrad den Stauraum, der sonst als doppelter Ladeboden zur Verfügung steht. Das bringt im Alltagsbetrieb aber keine Platznot und könnte höchstens bei der Urlaubsfahrt mit viel Kleinkram als Mangel empfunden werden.
Kein Mangel hingegen ist der Einstiegspreis von 35.780 Euro. Dafür gibt es den Leon ST Cupra mit Frontantrieb und manueller Sechsgangschaltung. Wer ihn mit DSG und Allrad ordert, zahlt 39.480 Euro. Das hört sich nach viel Geld an, ist es aber gemessen an der Motorleistung und der Serienausstattung nicht. Zu der gehört das Sportfahrwerk ebenso wie die Sportsitze, das Media System Plus mit 8 Zoll großem Touchscreen, CD-Player, SD-Karten-Slot, Multifunktionslenkrad und Sprachsteuerung, Bluetooth-Schnittstelle und Freisprecheinrichtung, Voll-LED-Scheinwerfer und elektronische Parkbremse. Wer sich die oben beschriebenen Feature noch ins Auto holt, landet bei einem Endpreis von 46.080 Euro.
Nur zum Vergleich: Der Skoda Octavia RS 245 mit 245 PS steigt mit 34.640 Euro ein. Der Ford Focus RS mit 320 PS kostet ab 40.675 Euro und ein Golf R Variant mit 310 PS gibt es ab 44.800 Euro. Die stärkste Motorisierung für den Astra Sports Tourer liegt bei 200 PS und selbst hier starten die Preise mit Automatikgetriebe ab 33.075 Euro.
Fazit: Man kann es drehen und wenden, der Seat Leon ST Cupra bleibt mit einem Einstiegspreis von 35.780 Euro und allen Leistungsparametern eine echte Alternative zu den Mitbewerbern. Außerdem bleibt der verschärfte spanische Lastesel bei allen optischen Zutaten eines Cupra durchaus ein Understatement, was dem einen oder anderen sicher entgegenkommen dürfte. Auch bei den technischen Zugaben sollte der Cupra ST zuverlässig sein. Denn sein Beigaben stammen wie beim Octavia aus dem VW-Regal.
DATENBLATT | Seat Leon ST Cupra 300 |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,55/1,97/1,43 m |
Radstand | 2,63 m |
Leergewicht (DIN) | 1545 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 587 / 1470 Liter |
Motor | Vierzylinder mit 1984 ccm Hubraum |
Getriebe | 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Systemleistung | 221 kW / 300 PS |
Kraftstoffart | Super Plus |
Antrieb | Allradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Tankvolumen | 50 Liter |
max. Drehmoment | 380 Nm / bei 1800 - 5500 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 4,9 Sekunden |
Normverbrauch (kombiniert) | 7,2 l |
Testverbrauch | 9,3 l |
Effizienzklasse | D / EU6 |
Grundpreis | 39.480 Euro |
Preis des Testwagens | 46.080 Euro |
Quelle: ntv.de