Die Busch-Trommel Die Börse dankt Merkel
05.10.2009, 08:19 Uhr Zu Recht erhofft sich die deutsche Wirtschaft nach dem klaren Sieg des konservativ-liberalen Lagers von der neuen Bundesregierung all die Korrekturen, die in den vergangenen Jahren offenbar an der SPD gescheitert waren. Befreit vom sozialistischen Ballast und unterstützt von einer erstarkten FDP könne Frau Merkel - so die Erwartung der Wirtschaft und wohl auch der Mehrheit der Wähler- endlich all das in die Tat umsetzen, was ihr in der großen Koalition von der SPD verwehrt worden war.
Vielleicht ein Trugschluss! Denn die CDU-Chefin fühlt sich nach der Wahl dem ganzen deutschen Volk verpflichtet und nicht nur der Wirtschaft und den Wählern, denen sie immerhin ihren Wahlsieg zu verdanken hat. Zudem pressen sich jetzt auch noch die Gewerkschaften in die Verhandlungsrunde und drohen der Kanzlerin ganz offen mit der Mobilisierung der Straße, wenn sie Abstriche an Arbeitnehmerrechten plane. Mit anderen Worten: Auf unabsehbare Zeit wird es wohl nichts mit all den frommen Wünschen der Wirtschaft, die übrigens auch in der CDU insgeheim eine Heimat haben. Also: Keine grundlegende Steuerreform, kein reduzierter Kündigungsschutz, keine Abschaffung der Mindestlöhne oder gar Einschränkung der Mitbestimmung. Über eine verlängerte Laufzeit von Kernkraftwerken wird man vielleicht reden, aber trotz der verbalen Muskelspielereien der FDP nichts beschließen. Auch mit dem bürokratischen Monster "Gesundheitsfonds" kann Frau Merkel gut leben. Ein großer Teil der konservativen Bevölkerung aber offensichtlich nicht! Wie wäre sonst die Massenflucht ehemaliger CDU-Wähler ins FDP-Lager zu erklären? Doch wohl nicht nur mit taktischen Zweitstimmen-Überlegungen!
Frau Merkel aber ficht das alles nicht an. In den jetzt beginnenden Koalitionsverhandlungen könnte dem konservativ-liberalen Lager sehr bald dämmern, dass die CDU-Chefin und Bundeskanzlerin ihren einstigen Koalitionspartner SDP gar nicht als Bremsklotz, sondern eher als Zugpferd gesehen hat und auch als künftige Bundeskanzlerin den wärmenden Schulterschluss mit den Sozialdemokraten und Gewerkschaften nicht missen möchte.
So werden die erforderlichen strukturellen Veränderungen am Wirtschaftsstandort Deutschland leider auch in den nächsten Jahren wohl nur als galaktische Visionen am Himmel kreisen. Und mit ihnen die vergeblichen Hoffnungen auf ein kräftiges Wachstum am deutschen Binnenmarkt, zum Ausgleich für den schwächelnden Export. Die Folge: Die internationale Wirtschaftskrise wird gerade Deutschland nicht so schnell aus ihren Klauen lassen.
Aber so paradox es klingen mag, diese eingetrübten Aussichten für den bedeutendsten Wirtschaftsstandort in Europa könnten sich in den kommenden Monaten als Kursstütze für deutsche Aktien erweisen. Zwar werden auch in den nächsten Wochen negative Wirtschaftsmeldungen, ob sie nun aus Deutschland kommen oder aus dem Ausland, immer wieder Anlass bieten für schnelle Verkäufe weltweit, doch - so die Erfahrung der letzten Monate- steigen nach nur wenigen schwachen Tagen kapitalkräftige Spekulanten auf der Suche nach günstigen Anlagemöglichkeiten auch genauso schnell wieder ein. Nicht trotz, sondern wegen der schlechten Meldungen. Eine gewisse Logik kann man ihnen dabei nicht absprechen: Signalisieren die Fakten ein Andauern der Krise, werden die Notenbanken gezwungen sein, ihre Politik des billigen Geldes fortzusetzen, wird also die internationale Liquidität weiter ansteigen und sich folglich der gegenwärtige Anlagenotstand und damit der Run auf Aktien verschärfen.
Grundsätzlich sollten sich Privatanleger bei steigenden Kursen, die lediglich von der Liquidität und nicht von fundamentalen Daten getrieben werden, zurückhalten. Kann doch über Nacht die internationale Geldschwemme versiegen, wenn beispielsweise die Notenbanken einen Wechsel in ihrer Geldpolitik ankündigen, weil die Krise an Dynamik verloren hat. Ein Kurssturz der überteuerten Aktien wäre dann die wahrscheinlichste Folge. Allerdings überwiegen im Augenblick die Indizien für eine Fortsetzung der bisherigen Notenbankpolitik: So macht die Marschrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik kaum Hoffnung auf einen kräftigen Aufschwung in nächster Zukunft. Das Geld bleibt auch in den kommenden Monaten billig. Die internationalen Spekulanten können sich dafür auch bei Frau Merkel bedanken.
Quelle: ntv.de