Wachstumslokomotive Investoren setzen auf China
28.11.2008, 12:59 UhrInternationale Investoren haben den Braten als erste gerochen: Sie kehren trotz der anhaltenden Finanzkrise zu Dutzenden nach China zurück. Es lockt die Konjunkturspritze der Regierung. Die Volksrepublik steckt 470 Milliarden Euro in ihre Wirtschaft und könnte damit nicht nur der gesamten Region, sondern auch dem Rest der Welt eine Initialzündung geben. Anders als die USA, Europa oder viele andere Schwellenländer haben China und einige weitere Volkswirtschaften Asiens die finanziellen Reserven für Großausgaben, ohne dadurch gleich ihren gesamten Haushalt aus dem Gleichgewicht zu bringen. "An den Märkten wird gesehen, dass Asien angefangen hat, die Konjunktur auf aggressive Weise zu stimulieren", sagt Anthony Chan, Anleihenstratege bei AllianceBernstein in Hongkong. "Der entscheidende Punkt ist: Die Staaten könnten sogar noch mehr ausgeben." Niemand werde Länder wie China, Südkorea oder Taiwan kritisieren, wenn deren Haushaltsdefizite auf etwa zwei Prozent der Wirtschaftsleistung stiegen.
Noch im Oktober haben die Investoren die asiatischen Märkte in Scharen verlassen, als sich die Finanzkrise nach dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers zuspitzte. In der vergangenen Woche floss jedoch nach einer Statistik des Forschungsinstituts EPFR Global erstmals seit September wieder mehr Geld aus dem Ausland in die chinesischen Aktienmärkte, als abgezogen wurde - unter dem Strich blieb ein Plus von 300 Millionen Euro.
Asien im Vorteil
Die asiatischen Staaten haben gegenüber vielen westlichen Ländern den Vorteil, dass sie keine Milliardenbeträge in ihre Finanzbranchen stecken mussten. Sie können ihr Geld nun in Straßen, Gleise und andere Projekte investieren und damit ihre Wirtschaft stützen. Chinas Konjunkturpaket beläuft sich nach den Berechnungen von Merrill Lynch auf 15 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Riesenreiches. Wenn man nur die neu beschlossenen Maßnahmen zähle, seien es zwar nur noch drei Prozent - aber dennoch: Die Volksrepublik könne damit im kommenden Jahr 60 Prozent des weltweiten Wachstums ankurbeln, hieß es in den Berechnungen weiter. Auch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hofft auf weltweite Impulse durch das Konjunkturpaket.
Der Löwenanteil der Ausgaben fließt in Großprojekte wie die 820 Kilometer lange Bahnlinie von Chongqing in das entlegene und verarmte Lanzhou im Westen. Allerdings sollte man davon keinen schnellen Wirtschaftsboom erwarten: Bis derartige Projekte das Wachstum beleben, kann es Monate dauern. Eine Erholung der Wirtschaft dürfte damit bis weit ins kommende Jahr hinein auf sich warten lassen.
Es keimt Hoffnung
Doch die Hoffnung steht gleich am Anfang. Der Investmentfonds Marco Polo erhöht etwa seine Anteile an Baufirmen. Die Kollegen von JPMorgan empfehlen ihren Kunden die Beteiligung an chinesischen Konsumunternehmen. Selbst Finanztitel sind wieder interessant geworden, seit die Zentralbank am Mittwoch die Leitzinsen so drastisch wie seit der Asienkrise 1997 nicht mehr gesenkt hat. "Sollten sich die Anzeichen für eine Stabilisierung der chinesischen Wirtschaft mehren, dann wäre das ein mächtiges Signal an die Märkte Asiens und der Schwellenländer insgesamt", sagte Adrian Mowat, Chef-Stratege der US-Bank für die Region.
Chinas Impuls kann sich nach Einschätzung von Experten auf doppelte Weise über die Grenzen des Riesenreiches hinaus fortsetzen: Die Region profitiert von der höheren Nachfrage nach Rohstoffen und die internationale Exportwirtschaft vom größeren Bedarf an Gütern. "Das kommt Volkswirtschaften zugute, denen es gelingt, sich auf den chinesischen Bedarf einzustellen", sagt Hans Genberg, geldpolitischer Berater Hongkongs.
Quelle: ntv.de