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Das Elend der Prognosen Konjunkturforscher in der Kritik

Konjunkturforscher haben es derzeit wirklich nicht einfach, sie müssen ihre Wachstumsprognosen ständig nach unten korrigieren. Das ist nicht nur schlecht für ihren Ruf, sondern auch schlecht für uns alle - bedeutet das doch, dass sich die Wirtschaft hierzulande schlechter entwickelt als erwartet. Wirtschaftsforscher vermitteln den Eindruck, sie würden den aktuellen Entwicklungen lediglich hinterherlaufen. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Prognosen seien wertlos, da sie permanent korrigiert werden müssten.

Als Beispiel für die Zunft sei das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung herausgepickt. Jeden Monat veröffentlichen die Forscher ein so genanntes Konjunkturbarometer, in dem das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Quartal geschätzt wird. Wohlgemerkt: geschätzt. Im Januar und Februar sagte das DIW ein Plus von 0,3 Prozent für die ersten drei Monate des Jahres voraus. Im März rechnete es mit einem Plus von 0,5 Prozent. Das Statistische Bundesamt ermittelte später ein Wachstum von 1,3 Prozent. Von April bis Juni erwarteten die Forscher ein Wachstum der Wirtschaft, sie schrumpfte allerdings.

Die führenden Wirtschaftsinstitute gingen in ihrem Frühjahrsgutachten noch davon aus, dass das BIP im kommenden Jahr um 1,4 Prozent zulegen wird. In ihrem Herbstgutachten ist nunmehr von einem Plus von 0,2 Prozent die Rede. Das ist Munition für die Vorwürfe an die Konjunkturforscher.

Die Wirtschaft lebt

Doch halt! Zunächst einmal: Es handelt sich um Schätzungen oder Prognosen, nicht um Gewissheiten. Konjunkturforscher werden deshalb nicht müde zu betonen, dass Prognosen eine Ungenauigkeit von mindestens 0,5 Prozentpunkten haben. Sagen sie also ein Wachstum von einem Prozent voraus, dann gehen sie davon aus, dass die Wirtschaft zwischen 0,5 und 1,5 Prozent wachsen wird. Außerdem bereitet die gegenwärtige Finanzkrise den Konjunkturexperten massive Probleme. Denn Voraussagen sind besonders schwierig, wenn seltene Ereignisse auftreten - und auch noch solche massiven Auswirkungen haben. Es mag banal klingen, aber jede Aussage über die Zukunft ist unsicher. Schätzungen und Prognosen fußen auf Daten, die zusammengetragen und aufbereitet werden müssen. Stehen weitere oder aktuellere Daten zur Verfügung, wird die Prognose dementsprechend angepasst.

Die Wirtschaft ist ein Prozess, auf den ständig eine endlose Zahl von Faktoren einwirkt. Sie ist ein Ergebnis vieler individueller Entscheidungen. Das in exakte Formeln zu packen, ist unmöglich. Daran ändern auch immer kompliziertere Modelle nichts. Denn Prognosen beruhen immer auf Annahmen. Spielen die Ölpreise beispielsweise wie Mitte des Jahres verrückt, dann verhagelt das manche Prognose. Außerdem können unerwartete Ereignisse nicht in die Modelle einfließen. Das sind nicht nur Ereignisse wie die Terroranschläge vom 11. September, die die Konjunktur massiv beeinträchtigten. Auch die Auswirkungen der gegenwärtigen Finanzkrise lassen sich nicht exakt vorhersagen, die Forscher sind auf Wahrscheinlichkeiten angewiesen. Auch Entscheidungen von einzelnen Menschen, Konzernen oder Organisationen machen Prognosen oft zur Makulatur. So hat der Zusammenbruch von Lehman Brothers das Finanzsystem in den Grundfesten erschüttert, das Beben ist noch immer zu spüren. Wie sich die einzelnen Rettungspakete auf die Konjunktur auswirken, lässt sich schwerlich ausreichend in Modelle und Formeln fassen.

Doch was nützen Prognosen, die nicht zutreffen? Manche fühlen sich bei Wirtschaftsforschern an Bankanalysten erinnert, die Aktien nach einer Gewinnwarnung zum Verkauf empfehlen, nachdem sie zuvor monatelang eisenhart empfohlen hatten, das Papier zu kaufen. Der Fehler liegt hier darin, sich auf eine konkrete Zahl zu versteifen. Das gilt allerdings nicht nur für diejenigen, die die Prognosen lesen, sondern auch für diejenigen, die die Prognosen erstellen. Letztlich ist es egal, ob die Wirtschaft im kommenden Quartal wahrscheinlich um 0,3 oder 0,2 Prozent wachsen wird. Viel erhellender sind die Erläuterungen der Prognosen. Dort legen die Institute unter anderem dar, warum sie welche Entwicklung erwarten. Und das kann richtig aufschlussreich sein.

Quelle: ntv.de

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