Der Tag Der "Große Bruder" sieht alles - wie in China soziale Kontrolle gehandhabt wird
13.10.2022, 08:09 UhrNachdem er einen Strafzettel kassiert hatte, machte Chen seinem Ärger darüber im Internet Luft: Wie einfältig doch die Verkehrspolizisten seien, lästerte der Mann aus der chinesischen Provinz Henan auf seiner Seite bei Wechat. Wenige Stunden später stand die Polizei vor seiner Tür, nahm Chen wegen Beamtenbeleidigung fest und ließ ihn erst fünf Tage später wieder frei. Die Lokalzeitung der Kommunistischen Partei berichtete über diesen Vorfall im Juni. Eines von vielen Beispielen für die immer umfassendere Überwachung in China - online und auf der Straße.
Soziale Kontrolle ist schon lange ein wichtiger Pfeiler des Systems. Doch seit dem Amtsantritt von Xi Jinping 2012 hat sie ein nie gekanntes Ausmaß erreicht. In den Jahren vor dem Machtwechsel an der Staatsspitze herrschte sogar eine gewisse Entspannung: Die Zivilgesellschaft testete die Grenzen aus, in Internetforen wurde über die Zensur gespottet. Unter Xi sorgte der Staatsapparat dann mit Gesetzen, neuer Technologie und Ideologie dafür, dass kein Verstoß unentdeckt bleibt - egal ob es sich um Kriminelle, Oppositionelle oder einfache Bürger handelt.
Die Überwachung beginnt auf der Straße: In chinesischen Städten gibt es laut dem Forschungsinstitut Comparitech durchschnittlich 370 Kameras pro 1000 Einwohner, die Gesichter, Kleidung und sogar das Alter von Passanten erkennen. Während der Pandemie wurde die staatliche Kontrolle noch weiter verschärft: Eine Corona-App bestimmt seitdem, wer wohin gehen darf. Xi habe die Gesellschaft so umgestaltet, dass "die Partei vorschreibt, was das Volk wissen, fühlen, denken, sagen und tun soll", urteilt Vivienne Shue, emeritierte Professorin für zeitgenössische Chinastudien in Oxford. "Noch beunruhigender als die Zensur ist aber, wie diese Ideologie die Menschen prägt, vor allem die Generation Z, die mit dieser strengen Zensur aufgewachsen ist."
Quelle: ntv.de