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Die Busch-Trommel Die dunkle Seite der Integration

Die Schuldenkrise in Europa zeigt: Integration hat ihre Tücken. Nationalstaatliches Denken sei aber die falsche Antwort, betont Friedhelm Busch und setzt auf eine engere Verzahnung der europäischen Finanzpolitik. Unabdingbar sei jedoch ein strikter Sparkurs - auch in Deutschland.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Seit dem Ende des 2. Weltkrieges sieht die freie Welt in der Integration der Weltmärkte eine wichtige Voraussetzung für wachsenden Wohlstand. Die europäische EU, die nordamerikanische Nafta oder auch der Asean-Verbund südostasiatischer Staaten, alles internationale Organisationen, die für freien Welthandel , für Niederlassungsfreiheit ausländischer Investoren wie für den grenzüberschreitenden freien Kapitalverkehr stehen. Als dann 2002 auch der Euro in unser Leben trat, wurde das als Beginn einer langen und ungetrübten Freundschaft begrüßt.

Doch seit der Finanzkrise 2008 wird diese helle Seite der Integration von ihrem dunklen Widerpart Schritt für Schritt getilgt. Und jetzt könnte ihr die Staatsschuldenkrise den endgültigen Garaus bereiten.

EZB kann nicht helfen

Als die Finanzinvestoren den hochverschuldeten Griechen nur noch zu untragbar hohen Zinsen Geld leihen wollten, weil sie bei einer möglichen Pleite des Landes um die Rückzahlung ihrer Kredite bangten, sprangen die Europartner entgegen aller vertraglichen Vereinbarungen mit zinsgünstigen Finanzhilfen in die Bresche. Doch wohl kaum aus Solidarität mit dem wirtschaftlich eher unbedeutenden Griechenland; vielmehr sollte mit dieser Rettungsaktion den Finanzmärkte die Botschaft übermittelt werden, dass in der Eurozone kein Land pleite gehen werde, seien seine Schulden auch noch so hoch. Also gebe es auch keinen Grund für überhöhte Zinsforderungen.

Doch leider haben sich die Investoren bislang weder von milliardenschweren Finanzhilfen noch von geplanten Rettungsschirmen in Billionenhöhe beeindrucken lassen.

Allmählich sollte auch der letzte Politiker begriffen haben, dass kein Rettungsschirm, sei er auch noch so groß, keine EZB und keine noch so raffinierten Eurobonds ausreichen werden, den Finanzmärkten die Ängste vor möglichen Staatspleiten zu nehmen. Und diese Ängste laufen wie ein Tsunami rund um die Welt.

Vom Einsturz bedroht

Jetzt zeigt sich immer deutlicher die dunkle Seite der Integration. Die weltweite Vernetzung der Finanzmärkte ist inzwischen so engmaschig, dass es längst nicht mehr nur um die Euro-Zone und deren Banken und Versicherungen geht, betroffen sind auch britische, amerikanische oder asiatische Institute. Sie alle sind über ein ständiges Geben und Nehmen eng miteinander verbunden. Wird auch nur ein Stein aus dem Mauerwerk herausgezogen, ist das gesamte Gebäude vom Einsturz bedroht.

In einem ersten Reflex denken nun einige europäische Politiker laut über eine Auflösung der internationalen Integration nach. Raus aus dem Euro-Verbund! Warum nicht ganz raus aus der EU? Jetzt kommt die Stunde der seit jeher europa-skeptischen Briten. Und nimmt man die täglichen Talkshowpalaver der deutschen Fernsehsender und die Schlagzeilen der Boulevardpresse für bare Münze, steigt auch in Deutschland die Europamüdigkeit.

Das hieße aber nichts anderes, als zu nationalstaatlichem Denken zurückzukehren, zurück in die Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Die möglichen Konsequenzen sind hoffentlich noch nicht vergessen.

Unpopulär ist nicht gleich falsch

Die andere Denkschule, der offenbar oder auch nur scheinbar der deutsche Finanzminister zuneigt, sucht dagegen das Heil in einer vertieften Integration auf dem Gebiet der europäischen Finanzpolitik, zu Lasten nationaler Selbständigkeiten. Dieser Weg könnte in der Tat in 10 bis15 Jahren durchaus zu dem Ziel einer europaweit harmonisierten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung führen und so den Geburtsfehler des Euro beheben. Vielleicht aber verleiht die gegenwärtige Hilflosigkeit der Politiker dieser unpopulären aber deswegen ja nicht gleich falschen Idee ungeahnten Auftrieb, und es geht ein wenig schneller.

Doch werden sich die Finanzmärkte wohl kaum in der jetzt gebotenen Eile auf vage politische Versprechungen einlassen. Sie werden auch weiterhin nüchtern ihre Zinsforderungen am Risiko einer Staatspleite ausrichten. Wer so hoch verschuldet ist, dass er ohne neues Geld in absehbarer Zeit zahlungsunfähig werden könnte, der muss halt auch künftig mit entsprechend hohen Zinsforderungen seitens der Gläubiger rechnen. Man mag das gierig schimpfen, in Wirklichkeit aber ist diese Einstellung nur konsequent. Wenn doch die Finanzinvestoren dieser Einstellung schon früher gefolgt wären, dann hätten die Euro-Staaten vermutlich erst gar nicht die Möglichkeit gehabt, diese Schuldenberge anzuhäufen, von denen sie heute erdrückt werden!

Deutschland ist kein Vorbild

Um sich aus der Zinsfalle zu befreien, muss die Politik also jetzt ! ihren Willen zur Umkehr glaubwürdig belegen. Jetzt muss die Rückkehr zur finanzpolitischen Vernunft einsetzen. Bloße Absichtserklärungen reichen nicht. Auch nicht abrupte Regierungswechsel oder Fensterreden auf Parteitagen. So könnten die Regierenden unbezahlbare Wohltaten aus den Haushalten kippen oder von der Agenda absetzen, selbst wenn sie mit Blick auf den politischen Machterhalt wünschenswert wären. Nur durch konkrete Beschlüsse dieser Art wird man die Investoren von ihren Ängsten um einen Staatsbankrott befreien können.

Das gilt auch für Deutschland. Unsere Staatsverschuldung ist mit deutlich mehr als 80 % der jährlichen Wirtschaftsleistung längst aus dem Ruder gelaufen. Doch unsere Staatsschulden steigen weiter, trotz erheblicher Steuermehreinnahmen. Trotz Schuldenbremse. Von tatsächlichen oder auch nur geplanten Sparmaßnahmen ist weit und breit wenig zu sehen. Die jüngsten Parteitagsbeschlüsse der Unionsparteien in Sachen Mindestlohn und Betreuungsgeld gehen wohl kaum in diese Richtung.

Noch sieht sich der deutsche Finanzminister als Gewinner der Krise, weil die internationalen Anleger auf deutsche Staatsanleihen setzen und dadurch die Zinsen für seine steigende Staatsschulden drücken. Er irrt sich. Deutschland ist nicht das leuchtende Vorbild für Stabilität und deshalb so attraktiv, Deutschland zieht vielmehr das internationale Geld an, weil der deutsche Rentenmarkt über die größte Liquidität in der Eurozone verfügt. Man kann selbst mit viel Geld einsteigen, ohne dadurch die Kurse übermäßig zu erhöhen. Umgekehrt aber geht es ebenso so leicht. Wir werden das bald merken.

Quelle: ntv.de

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