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Kutzers Woche Bauchgefühle

Die 6000er Marke hat der Dax tatsächlich noch erklommen – und dann ging dem Leitindex die ohnedies schon dünne Luft aus. "War’s das auch mit Blick auf das neue Jahr?", fragt sich Hermann Kutzer.

Kapitalmarkt-Kommentator Hermann Kutzer

Kapitalmarkt-Kommentator Hermann Kutzer

Sicher nicht, aber die inzwischen vorliegenden Prognosen der Banken sind kein Stimulans, schon deshalb nicht, weil sie sich mehrheitlich in der absehbaren Spanne bewegen und im rechnerischen Durchschnitt einen Schlussstand des Deutschen Aktienindex in 2010 von 6340 Punkten (Handelsblatt-Umfrage) vorhersagen; andere Erhebungen liegen noch niedriger. Die Experten sind sich mit ihren Argumenten weitgehend einig. Und es gibt nur wenige Ausnahmen – durchaus prominente Adressen! –, die Aktien entweder sehr viel mehr Potenzial bescheinigen (bis 7500) oder vor einem empfindlichen Rückschlag warnen (4500). Mich erinnert das an die Usance der Banken vor drei, vier Jahrzehnten: Für das kommende Jahr wurden stets "vorsichtig optimistische" Prognosen gestellt, diese aber vorsorglich eingeschränkt durch die Warnung vor möglichen Schwächephasen und den Hinweis, dass man sich auf eine nach Branchen und Einzelwerten differenzierte Entwicklung einstellen sollte. Alles klar? Fangen Sie damit etwas an … Seit Längerem halte ich mich selbst mit konkreten Indexprognosen zurück – nicht etwa aus Feigheit, sondern weil einerseits die medienübliche Fokussierung auf Jahresschlussvergleiche kaum nützlich ist (siehe das Ab und Auf in 2009) und andererseits zu viele Privatanleger ihre Strategie an solchen Vorhersagen orientieren.

Für die aktuelle Meinungsbildung gibt es besonders viele Bausteine. Dem entgegen stehend möchte ich heute meine allgemeine Einschätzung – in eigentlich unzulässiger Weise – auf einen einzigen Punkt komprimieren, den "monetaristischen" Ansatz nach dem Motto: Der Preis des Geldes entscheidet über den Börsentrend! Zur Erinnerung: Hätte man 2009 die gewiss berechtigten Bedenken im Zusammenhang mit der beispiellosen Finanz- und Wirtschaftskrise einfach über Bord geworfen, dann wären viel mehr Marktteilnehmer schon früher und massiver in Aktien eingestiegen.

Meine Empfehlung: Beobachten Sie noch genauer als sonst das Verhalten der mächtigen Notenbanken beiderseits des Atlantiks! Denn deren Geldmengen- und Zinspolitik ist der entscheidende Aktienmarktfaktor – nicht die Konjunktur? Natürlich wäre fatal, wenn die wenigen ökonomischen Kassandras mit ihrer Warnung vor einem "W"-Verlauf unserer Konjunktur anstelle der "V"-Formation (steiler Absturz und gleich anschließend steile Erholung) Recht bekommen sollten. Schließt man diese These aus, dann ist es sekundär – jedenfalls aus Börsensicht – mit welchem Prozentsatz genau unsere Wirtschaft 2010 wachsen wird. Wichtiger erscheint die Frage, wie viel Liquidität zu welchem Preis für die Anlagemärkte zur Verfügung stehen wird.

Es kommt also darauf an, dass die Währungshüter mit großem Geschick und Gefühl für die Märkte im Laufe der kommenden Monate die monetäre Schraube langsam wieder anziehen. Im Interesse anhaltender Geldwertstabilität gilt es, die in den Bankenapparat gepumpten Mega-Milliarden wieder vorsichtig aufzusaugen. Andererseits wird es aber auch Zeit für eine Entspannung in der Kreditvergabe an die Wirtschaft. Was die Notenbanken betrifft, dürfen wir optimistisch sein, denn die ersten Anzeichen sprechen dafür, dass sie tatsächlich behutsam und kreativ ihre Aufgabe lösen werden.

Staatsverschuldung und Steuerpolitik, fundamentale Daten und Charts also vergessen und historische Wellen außer Acht lassen? Nein, aber sich des Gewichts von Inflation und Zinsen bewusst werden, denn: Deutlich steigende Zinsen wären Gift für die Börse und würden dem Dax die Kondition rauben – selbst wenn die Güterwirtschaft wieder richtig in Schwung kommen sollte. Entspannung und Normalisierung sind nach einem Jahr der Extreme gefragt. Das muss durchaus nicht negativ für die Aktie interpretiert werden, denn sie wird auch 2010 wenig Konkurrenz haben – schon gar nicht vom Rentenmarkt. Dennoch, die geldpolitische Wende wird, muss kommen und droht dann den Höhenflug der Aktien zu beenden. Man sollte seine Performance also möglichst im ersten Halbjahr einfahren, denn es fällt mir bei aller Zuversicht schwer, die Mehrheitsmeinung zum Dax-Endstand (deutlich über 6000) zu teilen.

Quelle: ntv.de

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