Interview Darf Sie der Chef überwachen?
11.07.2001, 15:22 UhrJeder dritte Angestellte wird in den USA kontrolliert, wenn er im Internet surft oder E-Mails verschickt. Wie sieht die rechtliche Lage in Deutschland aus? Rede und Antwort stand Anja-Maria Gardain, Pressesprecherin des Berliner Datenschutzbeauftragten.
n-tv.de: Ist es überhaupt in Deutschland erlaubt, während der Arbeitszeit privat im Internet zu surfen?
Anja-Maria Gardain: Das hängt von der individuellen Regelung im Betrieb ab. Durch eine arbeitsrechtliche Regelung, zum Beispiel eine Betriebsvereinbarung, kann die private Nutzung des Internets - auch außerhalb der Arbeitszeit -untersagt werden.
n-tv.de: Darf ein Chef die E-Mails seiner Mitarbeiter lesen? Und ist er berechtigt, die elektronische Post nach bestimmten Suchworten filtern und eventuell aussortieren zu lassen?
Anja-Maria Gardain: Der Chef darf in gewissem Umfang eingehende dienstliche E-Mails kontrollieren. Wenn die private Nutzung untersagt ist, darf er die Einhaltung dieses Verbots ebenfalls in bestimmtem Umfang kontrollieren, beispielsweise wenn im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verstoß vorliegen. Daraus folgt, dass zur Umsetzung der vorgenannten Kontrollen gegebenenfalls auch nach Suchwörtern ausgerichtete Filtersoftware eingesetzt werden darf.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn die private Nutzung von E-Mails gestattet ist. Dann hat der Arbeitgeber hinsichtlich dieser privaten E-Mails das Fernmeldegeheimnis des Arbeitnehmers zu wahren. In diesem Fall darf er sich über den Inhalt privater E-Mails nur insoweit Kenntnis verschaffen, als dies für die ordnungsgemäße Zustellung der E-Mails erforderlich ist. Dann dürften private E-Mails nicht vom Systemadministrator geöffnet werden.
n-tv.de: Die Mitarbeiter könnten ihre E-Mails ja verschlüsseln, wie Datenschützer oft empfehlen. Dann wäre es für den Chef nicht möglich, den Inhalt zu überprüfen. Ist das erlaubt, oder kann verlangt werden, die Mails nicht zu verschlüsseln?
Anja-Maria Gardain: Die Verschlüsselung ist eine Methode zur Sicherung der Vertraulichkeit im Netz und daher grundsätzlich zulässig. Soweit es sich um dienstliche E-Mails handelt, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber den unverschlüsselten Text zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber kann auch anordnen, dass ein Schlüssel verwendet wird, den er selbst besitzt.
n-tv.de: Es lässt sich ja leicht nachvollziehen, wer welches Online-Angebot besucht hat. Einige Unternehmen sperren daher bestimmte Websites. Ist diese Beschränkung rechtmäßig? Und dürfen darüber hinaus Informationen, auf welchen Angeboten sich ein Mitarbeiter wie lange aufhält, erfasst werden? Kann dies berufliche Konsequenzen, schlimmstenfalls die Kündigung, zur Folge haben?
Anja-Maria Gardain: Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern die Einrichtungen zur Nutzung des Internets zur Verfügung stellt, darf zugleich auch bestimmte Beschränkungen in Bezug auf die Sperrung bestimmter Websites vornehmen. Informationen darüber, auf welchen Angeboten sich ein Mitarbeiter wie lange aufhält, dürfen jedenfalls dann nicht gespeichert werden, wenn die private Nutzung des Internets erlaubt ist. Denn in diesem Fall greift das Fernmeldegeheimnis entsprechend.
Aber auch bei nur dienstlicher Nutzung wäre eine vorauseilende, flächendeckende Kontrolle des Nutzungsverhaltens der Arbeitnehmer etwa zu Zwecken der Verhaltens- und Leistungskontrolle aus unserer Sicht unzulässig. Ein Verstoß gegen die Beschränkungen des Chefs kann – mit oder ohne vorherige Abmahnung – eine Kündigung zur Folge haben. Ob sie gerechtfertigt ist, hängt natürlich von den Umständen des Einzelfalls ab.
n-tv.de: Müssen die Mitarbeiter von solchen Maßnahmen informiert werden? Woran merkt ein Mitarbeiter, dass er überwacht wird?
Anja-Maria Gardain: Es entspricht einem tragenden Grundsatz im Datenschutzrecht, dass personenbezogene Daten grundsätzlich beim Betroffenen selbst erhoben werden müssen. Hinter seinem Rücken darf dies nur im Ausnahmefall erfolgen, etwa wenn ein konkreter Verdacht besteht und der Mitarbeiter bei einer angekündigten Maßnahme nicht überführt werden könnte. Grundsätzlich gilt aber, dass Mitarbeiter zumindest darüber informiert werden müssen, dass bestimmte Überwachungsmaßnahmen des Chefs beabsichtigt sind und durchgeführt werden.
n-tv.de: Frau Gardain, wir danken Ihnen für das Gespräch.
(Die Fragen stellte Tatjana Brode)
Quelle: ntv.de