Die Busch-Trommel Der kurze Atem der Börse
12.04.2010, 09:01 UhrDie Wirtschaftskrise verschwindet, doch nun zieht ein Sturmtief herauf, das alle Hoffnungen auf eine rasche Erholung zunichte machen könnte: Die staatliche Verschuldungskrise. Und die betrifft nicht nur die Griechen.
Überall auf der Welt zappeln die Regierungen in den Schuldenfallen, die sie selber durch ihre überhasteten, milliardenschweren Rettungsprogramme aufgestellt haben. Zwar ist trotz all der Kapitalhilfen und Bankgarantien, trotz Abwrackprämien und Investitionshilfen, noch nirgendwo ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum ohne diese staatlichen Aufputschmittel in Sicht, für weitere Drogenhilfe aus Staatskassen aber fehlen jetzt überall die Mittel. Im Gegenteil, nun sind drastische Sparprogramme zur Konsolidierung der hoch verschuldeten Staatshaushalte angesagt.
Erst wenn die Regierungen ihren Bürgern den kalten Entzug zumuten, also Ausgaben senken und gleichzeitig Steuern und Abgaben erhöhen, nur dann werden die Finanzmärkte Kredite zu leidlich erträglichen Zinsen gewähren. Aber selbst das angezählte Griechenland scheint von dieser Einsicht noch weit entfernt zu sein. Kein Wunder, denn die Euro-Partner und die EZB sind offenbar wild entschlossen, selber mit zinsgünstigen Milliardenkrediten einzuspringen. Und nach den Griechen kommen die Portugiesen, die Spanier, die Italiener… und so weiter.
Letzte Dämme brechen
Angesichts dieser düsteren Aussichten ist das nicht unbedingt die Stunde der Optimisten an den Börsen. Sollte man meinen. Doch weit gefehlt: Überall steigen die Aktienkurse in Richtung Jahreshöchstkurse, untermauert von positiven Unternehmensergebnissen des laufenden Jahres. Dass die Zuwachsraten bei Gewinn und Umsatz ihren Glanz in erster Linie einem katastrophalen Vorjahr verdanken, stört nicht. Auch nicht die böse Ahnung, dass die Regierungen sich am Ende wohl nur mit Hilfe einer kräftigen Inflation ihrer langfristigen Staatsschulden entledigen werden, da sie vom Sparen nur auf den Marktplätzen wählernah palavern. Denn in Wirklichkeit sind sie gerade dabei, weiterhin Öl ins Feuer zu schütten und mit den Milliarden wie mit den „Kamellen“ auf den Rosenmontagszügen um sich zu werfen. Mit kräftiger Unterstützung aller Notenbanken.
Auch die EZB ist jetzt offenbar bereit, die einst beschworene Stabilität des Euro der Politik zu opfern. Damit drohen nun auch die letzten Dämme zu brechen, durch die Europas Sparer und Rentner vor einer Enteignung durch die Inflation geschützt werden. Sicher, angesichts hoher Arbeitslosigkeit und ungenutzter Produktionskapazitäten mag es durchaus noch ein, zwei Jahre dauern, bevor die aktuellen Preiserhöhungen richtig Fahrt aufnehmen, doch bereits die Furcht davor treibt schon heute vor allem die deutschen Anleger in leidlich inflationsresistente Sachwerte, also in Immobilien, Gold oder andere Rohstoffe. Doch leider kaum in Aktien.
Schutz vor Inflation
Dabei sind auch Aktien Sachwerte und als Schutz vor der Inflation geeignet. Die deutschen Kleinanleger haben diesen grundsätzlichen Charme einer Aktienanlage seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes zu Beginn dieses Jahrtausends konsequent aus ihren Köpfen verbannt und wollen seitdem von der Aktie als Instrument langfristiger Vermögensplanung nur noch wenig wissen.
Ganz anders die ausländischen Investoren. Wer den täglichen Rhythmus an der Frankfurter Börse regelmäßig beobachtet, stellt schnell fest, dass sich der große Dax im Takt der Wall Street bewegt. Die deutsche Börse führt halt kein Eigenleben mehr, sie ist nur noch ein Anhängsel der amerikanischen Aktienmärkte. Nicht die enttäuschten deutschen Kleinanleger, sondern die nüchternen Finanzinvestoren aus den USA bestimmen bei uns Umsatz und Kursrichtung: Die High-Tech-Blase ist längst vergessen. Die Lehman-Pleite abgehakt, die Inflation- wenn überhaupt- ein Thema von morgen. Griechenland wird schon überleben, weil es in einem Boot mit seinen europäischen Partnern sitzt.
Was alleine zählt, das sind die Notenbanken. Und die werden wohl auch für die nächsten Wochen und Monate bei ihrer Politik des billigen Geldes bleiben, schon weil die Staaten bei der Finanzierung ihrer Schulden auf niedrige Zinsen angewiesen sind. Das große Problem dieser Investoren aber ist: Wohin mit all dem gepumpten billigen Geld? Da die Wirtschaftskrise offenbar überwunden ist, spricht vieles für Aktien.
Höchste Wachsamkeit ist dennoch geboten. Keimt irgendwo in den Massenmedien dieser Welt die Furcht vor steigenden Zinsen, werden umgehend Gewinne realisiert. Sobald sich diese Ängste dann verflüchtigt haben, steigt man genau so schnell wieder ein. Mit fundamentalen Überlegungen hat dieses Aktiengeschäft im Stunden- und Minutentakt wenig zu tun. Dazu braucht es keinen langen Atem, keinen Sachverstand. Nur billiges Geld, Nachrichtenagenturen und einen schnellen Finger, um die richtige Computertaste zu drücken. Als Langfristanlage hat die Aktie bei uns gegenwärtig keine Chance. Zu Unrecht!
Quelle: ntv.de