Blankoscheck für Griechenland EZB in Erklärungsnot
03.05.2010, 17:18 UhrEZB-Präsident Trichet wird viele kritische Fragen zur Griechenland-Strategie der EZB beantworten müssen. Einmal mehr geht es um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Hüter des Euro. Es steht viel auf dem Spiel für die EZB, für Trichet und nicht zuletzt für den Euro.
Jean-Claude Trichet wird am Donnerstag das gegenwärtige Zinsniveau in der Euro-Zone wie seit einem Jahr als "angemessen" bezeichnen - und niemanden wird es wirklich interessieren. Denn die Fragen, mit denen Journalisten den Präsidenten der Europäischen Zentralbank dann löchern werden, dürften sich vor allem mit der Position der Notenbank zu Griechenland beschäftigen.
Nur ein paar Wochen ist es nämlich her, als Trichet in aller Öffentlichkeit versprach, die EZB werde nichts tun um einzelne Länder zu retten - gemeint war das schon damals tiefer und tiefer in den Schuldenstrudel rutschende Griechenland. Bis dato hat die EZB in der Griechenland-Frage ein ums andere Mal ein vormaliges Tabu gekippt. Sie hat ihre Regeln für die Akzeptanz von Sicherheiten immer weiter aufgeweicht und nun Athen dann sogar einen Blankoscheck ausgestellt. Bis auf weiteres akzeptiert die EZB alle vom griechischen Staate ausgegebenen oder garantierten Staatspapiere, egal wie deren Rating aussieht.
Begründet hat die EZB dies mit dem 110 Mrd. Euro schweren Sicherheitsnetz, das Euro-Zone und Internationaler Währungsfonds unter Griechenland spannen. Und tatsächlich scheint das Risiko für die Zentralbank nun überschaubar. Doch was ist, wenn den Griechen auch das viele Geld der Nachbarschaft und des IWF nicht mehr hilft? "Die Fiskalpolitik alleine könnte damit überfordert sein", schreibt Claudia Windt von der Helaba in einer Vorschau auf die Sitzung des EZB-Rats. "Selbst der direkte oder indirekte Kauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt ist mittelfristig nicht auszuschließen." Im Klartext: Wenn es noch schlimmer kommt, könnte sich die EZB eines Tages gezwungen sehen, Athens Staatspapiere zu kaufen um den Krisenstaat am Leben zu erhalten.
Schwache Kreditvergabe dürfte bremsen
Dass angesichts eines wahrscheinlich in letzter Minute verhinderten Staatsbankrotts eines Euro-Landes die Zentralbank der Währungsunion nicht an der Zinsschraube drehen kann, versteht sich fast von selbst. Seit genau einem Jahr liegt der Leitzins bei genau einem Prozent. Dies hat politische, aber auch ökonomische Gründe, auf die Michael Schubert von der Commerzbank hinweist: Einerseits sind nach seiner Einschätzung die Inflationserwartungen auf einem weiterhin beruhigend niedrigen Niveau. "Und auch die schwache Kreditvergabe spricht für eine abwartende Haltung der EZB." Die Experten der Postbank billigen der klassischen Geldpolitik bei der Diskussion des EZB-Rats, der dieses Mal turnusmäßig nicht am Hauptsitz der Notenbank in Frankfurt tagt, sondern in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon, nur eine "Nebenrolle" zu.
Freilich dürfte hinter der imposanten Fassade der Banco de Portugal nicht nur um den richtigen Kurs in der Schuldenkrise gestritten werden - auch wenn es für das Gastgeberland eines Tages selbst einmal eng werden könnte. Denn die zwei deutschen Inflationshardliner, EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark und Bundesbank-Chef Axel Weber, gossen zuletzt wieder einmal Wasser in den Wein. Weber erklärte, die Inflationsrisiken seien zwar gering, aber aufwärtsgerichtet. Stark malte das Schreckgespenst der Stagflation an die Wand. Unter dem Eindruck der akuten Griechenland-Krise könnten ihre Mahnungen verhallen. Ein Schwenk in der Zinspolitik steht ohnehin wohl noch bis zum ersten Quartal 2011 nicht auf der Agenda, wie eine Reuters-Umfrage vergangene Woche ergab.
Ob sich die EZB allerdings bei ihrem begonnen Ausstieg aus den Krisenmaßnahmen von den Schuldenproblemen einzelner Länder wird bremsen lassen, ist eine völlig offene Frage. Zwar hat die Unsicherheit vor der Einigung auf das Hilfspaket für Athen für erneute Verspannungen am Geldmarkt gesorgt. Doch die magere Beteiligung der Banken am jüngsten Drei-Monatsgeschäft der EZB - dem ersten nach der Finanzkrise mit variablem Zinssatz - lässt hoffen, dass immer weniger Geldhäuser den Tropf der Notenbank brauchen. Erst im Oktober steht nach bisherigem Plan die Rückkehr zum normalen Zuteilungsverfahren bei den wöchentlichen Hauptrefinanzierungsgeschäft auf der Agenda - die eigentliche Nagelprobe für den Exit. Bis dahin sollten die Probleme der EZB hoffentlich gelöst sein - auch ihr "Kommunikationsproblem". So hatte jüngst Chefvolkswirt Stark die Schwierigkeiten der EZB bezeichnet, ihre Griechenland-Strategie zu vermitteln.
Quelle: ntv.de, rts