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Die Busch-Trommel Ein Marshallplan für Griechenland

Griechenland wird die dringend benötigten Milliardenhilfen wohl bekommen. Das grundlegende Problem bleibt indes bestehen. Langfristig helfe Athen nur eine "grandiose Idee". Eine, die bereits nach dem Zweiten Weltkrieg Wunder bewirkt habe, sagt Börsenkommentator Friedhelm Busch.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Jetzt wird es ernst für die Griechen. Allein für fällige Gehälter und Renten ist die griechische Regierung dringend auf die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem vor einem Jahr beschlossenen Hilfsprogramm von 110 Mrd. Euro angewiesen. Liefe alles nach Plan, könnte der IWF, der mit 30 Mrd. Euro an diesem Paket beteiligt ist, dem angeschlagenen Staat die benötigten 12 Mrd. Euro  noch im Juni zur Verfügung stellen. Aber leider läuft nichts nach Plan. Die griechische Regierung spare nicht genug, hört man aus Brüssel, der versprochene Verkauf von Teilen des Staatseigentums werde nicht ernsthaft genug betrieben, zudem seien die Steuereinnahmen geringer als erwartet. Folglich steige das Haushaltsdefizit, statt, wie versprochen, zu sinken. Dem Land drohe innerhalb der nächsten 12 Monate der Konkurs.

Erhärten sich in den kommenden Tagen diese Befürchtungen, hätte das katastrophale Folgen für die Griechen. Denn entsprechend seiner Satzung darf der Internationale Währungsfonds einem Staat nur dann einen Kredit gewähren, wenn für mindestens ein Jahr die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Schuldnerlandes gewährleistet ist. Im Falle Griechenlands wäre das unter den jetzigen Umständen nicht gegeben. Die Regierungen der solventen EU-Partnerländer, allen voran die Bundesrepublik, scheuen sich jetzt aber, als Ersatz für den IWF einzuspringen, da sie den Protest der eigenen Wähler befürchten.

In der Zwickmühle

Und die EZB, längst voll gestopft mit angekauften griechischen Staatsanleihen, erinnert sich plötzlich an die Fragwürdigkeit ihres bisherigen Tuns und verweigert sich als Lückenbüßer. Nun dämmert allen Beteiligten, dass Griechenland von Anfang an nicht in der Lage war, jemals die bereits empfangenen Kredite zurückzuzahlen; die Finanzmärkte haben sowieso nie an dieses Geschwätz aus der Politik geglaubt. Steht also der endgültige Zusammenbruch Griechenlands vor der Tür? Trotz all der Milliardenhilfen?

Wohl kaum, denn bräche Griechenland  zusammen, müssten die europäischen Staaten ihren Bürgschaftsverpflichtungen für die bereits ausgezahlten Kredite nachkommen, müsste die EZB ihre aufgekauften griechischen Staatsanleihen, vermutet wird ein Bestand von 40 Mrd. Euro, in den Kamin schreiben, wären die Banken in aller Welt gezwungen, ihre Forderungen gegenüber griechischen Banken und Unternehmen abzuschreiben und selbst um staatliche Überlebenshilfe zu bitten. Die Finanzmärkte würden nach dem Reinfall mit griechischen Staatsanleihen umgehend auch Portugal, Spanien und Italien die rote Karte zeigen und für weitere Kredite unbezahlbare Zinsen fordern. Kurz: Die Folgen der Lehman-Pleite wären ein laues Frühlingssäuseln gewesen gegen den Sturm, der dann weltweit ausbräche. Ähnliche Auswirkungen hätten wahrscheinlich die viel diskutierten Umschuldungsmaßnahmen griechischer Verbindlichkeiten, wie hart oder weich  auch immer sie sein würden.

Geld fließt so oder so

Was aber nicht sein darf, das wird folglich auch nicht geschehen. Vieles spricht dafür, dass IWF, EU und EZB nun Hals über Kopf ein völlig neues Kreditpaket über knapp 80 Mrd. Euro schnüren, und diesmal den Griechen aber wirklich und ganz bestimmt die Daumenschrauben anlegen. Das Geld gibt's nur, wenn die Griechen noch größere Anstrengungen unternehmen, um Wirtschaft und Staatsfinanzen zu sanieren.

Das alles ist, mit Verlaub gesagt, ein unglaublicher Bluff, der vermutlich nur dem Zweck dient, der Wahlbevölkerung in den Geberstaaten das Hirn zu verkleben. Das wissen natürlich die Griechen auch. Folglich könnten sie im Grunde ruhig alles akzeptieren, was man von ihnen jetzt verlangt. Auch wenn sie ihre Zusagen später nicht erfüllen werden. Das Geld wird in den nächsten Wochen so oder so fließen. Wahrscheinlich auch, wenn sie gar nichts versprächen.  

Bürgerkrieg und Rezession

Machen wir uns nichts vor: Noch mehr sparen, zusätzliche Steuererhöhungen, weitere Kürzungen der Gehälter und Renten und ein beschleunigter Abbau der Beschäftigtenzahl in der öffentlichen Verwaltung, das alles mögen zwar mit Blick auf die griechische Vergangenheit verständliche Forderungen aus dem Ausland sein, doch können derartig rigide Maßnahmen zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen, wie die letzten Wochen gezeigt haben. Eine Bevölkerung, deren Wohl- und Wahlverhalten über Jahrzehnte mit einem Wohlfahrtsstaat auf Pump erkauft wurde, lässt sich nicht über Nacht in eine eisige Realität treiben, ohne sich zu wehren. Das gilt im übrigen nicht nur für Griechenland! 

Zudem führt eine derartige Sparpolitik zwangsläufig in die Rezession. Die sinkenden Steuereinnahmen in Griechenland und das steigende Staatsdefizit  sind auch diesem Umstand geschuldet und nicht nur der anhaltenden Steuerhinterziehung.

Langfristiges Denken

Es ist auch irreführend, von der Privatisierung staatlichen Vermögens bereits auf kurze Sicht eine wirksame  Konsolidierung der Staatsfinanzen zu erwarten. Nach unseren eigenen leidvollen Erfahrungen mit der Abwicklung des DDR-Vermögens sollten wir wissen, dass ein solches Unterfangen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern kann und am Ende nur einen geringen Bruchteil der erwarteten Erlöse bringen wird. Den Griechen wird es kaum helfen, wenn nun kränkelnde Unternehmen wie die griechische Telekom verschleudert werden.

Wirklich sinnvoll ist allein eine auf Jahre angelegte Umstrukturierung der griechischen Wirtschaft. Griechenland hat mehr zu bieten als Sirtaki, Feta und Retsina. Die Sonne dient doch nicht nur dem Tourismus, sie könnte auch für den europäischen Stromverbund genutzt werden. Es wäre besser, die EU-Milliarden kontrolliert und gezielt für den Aufbau einer produktiven  und exportfähigen Industrie in Griechenland einzusetzen, statt weiterhin für eine am Ende doch vergebliche Brandbekämpfung zu vergeuden. In einer ungleich dramatischeren Zeit hat schon einmal eine ähnliche Strategie funktioniert:     

Beide Seiten müssen profitieren

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA sich selbst und dem völlig zerstörten Europa durch eine grandiose Idee wieder auf die Beine geholfen: Produkte aus der schlecht ausgelasteten eigenen Industrie wurden vom Staat aufgekauft und nach Europa verschifft. Vor allem nach Großbritannien, Frankreich und Deutschland und auf den dortigen Märkten verkauft. Teile der Erlöse aus dem Verkauf dieser Produkte  wurden dann in einen Fonds eingezahlt, der anfänglich unter amerikanischer Führung stand. Die Amerikaner waren zunächst auch zuständig für die Verwendung der Gelder.

 Im völlig zerstörten Deutschland wurden mit Krediten dieses Fonds Unternehmen gegründet, Rohstoffe gekauft und moderne Industrieanlagen aufgebaut. Zusammen mit der Wirtschaftsreform Ludwig Erhards hat dieser Marshallplan das deutsche Wirtschaftswunder ermöglicht.

Auch wenn das Griechenland von Heute natürlich nicht im Geringsten mit dem Europa nach dem 2. Weltkrieg zu vergleichen ist, das Land braucht einen neuen Marshallplan, an dem sich neben der EU auch die bisherigen Kreditgeber aus dem Bankenbereich und private Investoren beteiligen könnten, indem sie beispielsweise die Zinserträge ihrer Kredite und Tilgungsraten wieder in Griechenland investieren. Am Ende könnten beide Seiten davon profitieren: Schuldner wie Gläubiger. 

Quelle: ntv.de

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