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Markus Zschaber, V.M.Z. Endzeitstimmung in Griechenland

Die Hauptprobleme der Griechen liegen nicht in Korruption oder Steuerhinterziehung, sagt Finanzexperte Markus Zschaber. Die Einheitswährung habe die Ungleichgewichte der Eurozone zu lange verdeckt. Zur Bewältigung der Krise legt er Europa einen detaillierten Fahrplan vor.

Das Geschehen an den internationalen Kapitalmärkten, der "EU-politische Zirkel" und womöglich ein Großteil der europäischen Gesellschaft werden derzeit gegeißelt von der Verschuldungsstruktur einer Nation, die circa 10 Millionen Einwohner hat und circa 2,5 Prozent zum europäischen Bruttoinlandsprodukt beiträgt: Griechenland.

Markus Zschaber, V.M.Z. Vermögensverwaltung

Markus Zschaber, V.M.Z. Vermögensverwaltung

Erst jüngst wurde die Bonität Griechenlands erneut herabgesetzt, nun auf die Bonitätsnote "Caa1" mit negativem Ausblick. Diese Bonität wird für extrem spekulative Anlagen mit hohen substanziellen Risiken vergeben. Der negative Ausblick bedeutet, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft noch weitere Herabstufungen folgen werden. Selbst Pakistan wird derzeit durch die vermeidlichen Ratingagenturen mit einer höheren Bonität eingestuft als Griechenland. Eurokrise beziehungsweise Verschuldungskrise lautet also das Echo, welches derzeit über alle Informationskanäle an die Weltbevölkerung herantritt und die Kapitalmärkte immer wieder mit starken Schwankungen und schlagartiger Risikoaversion und gleichzeitiger Liquiditätspräferenz belastet.

Oftmals werden die sicherlich zu hinterfragenden Tatsachen, dass Steuerhinterziehung sowie Korruption mit dafür verantwortlich sind, in der Öffentlichkeit herangezogen, dass Griechenland da ist, wo es heute steht. Natürlich haben diese Vorgehensweisen auch einen ökonomischen Schaden verursacht. Dieser gilt aber, hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Gesamtstruktur, nicht wirklich als relevante Größe zu bemessen. Dennoch werden diese Faktoren immer wieder durch die Medien aufgeputscht. In den letzten fünfzig Jahren hat Griechenland immer seine Schulden aus dem Ausland pünktlich zurückzahlen können, trotz der hohen Staatsverschuldung. Das Hauptproblem, das Griechenland hatte, war die jüngste Finanzkrise, welche sich zu einer Weltwirtschaftskrise hin entwickelte und die verbliebenen Einkunftsarten aus Handel, Schifffahrt und Tourismus markant reduzierte. Für die Weltwirtschaftskrise sind sicherlich andere Akteure die Schuldigen und mit Sicherheit nicht die griechische Regierung beziehungsweise die griechische Bevölkerung.

Die richtige Wahrnehmung entscheidet

Trotzdem ist der Krisenmittelpunkt dieser Eurokrise, vielleicht sogar der weltweiten Verschuldungskrise, aktuell die Volkswirtschaft Griechenland, zumindest, wenn man die Reaktionen der Marktteilnehmer und die Berichterstattung einiger bedeutender Medien heranzieht. Für eine wirkliche Einschätzung der aktuellen Lage Griechenlands benötigt es aber nach unserer Auffassung eine sehr umfangreiche und vielseitige Begutachtung der Volkswirtschaft - aus mehreren Perspektiven und Blickwinkeln.

Es besteht eine strukturelle Ineffizienz im gesamten Wachstumsmodell aufgrund fehlender oder mangelhafter Produktionsstrukturen in Griechenland. Es existiert ein absoluter Schuldenstand, welcher mehrdimensional auf die Volkswirtschaft einwirkt. Zum einen durch die, in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, zu zahlende hohe Zinslast und der daraus resultierenden zunehmenden sich verschlechternden Bonität, welche wiederum die Refinanzierung sowie Neuverschuldung in sehr hohem Maße durch dynamisch ansteigende Zinsaufwendungen negativ beeinträchtigt. Zum anderen wird die Volkswirtschaft durch einen überproportional großen Staatsapparat mit extrem hohen bürokratischen Hürden gelähmt.

Dies sind die Fakten, die immer wieder durch Experten jeglicher Couleur aufgegriffen und angeprangert werden. Es herrscht eine gewisse Endzeitstimmung in Griechenland, die durch die besagten defizitären Problematiken eine besorgniserregende Eigendynamik erreicht.

An dieser Stelle müssen, im Hinblick aller politischen und außerpolitischen Debatten, die Grundprinzipien der Wertschöpfung in den Vordergrund gerückt werden, denn nur eine effiziente Wertschöpfung mit gesunder Produktivität innerhalb Griechenlands wird diesen spiralenförmigen Verschuldungsprozess beschränken und bestmöglich sogar soweit umkehren lassen, so dass die Transferzahlungen durch Deutschland & Co., welche nichts anderes als eine Verlagerung von privaten Gläubiger auf öffentliche Gläubiger darstellen, reduziert werden.

In drei Schritten aus der Krise

Mit Blick auf die Krisensystematik in Griechenland sollte nach unserer Auffassung, unter Berücksichtigung aller relevanten Einflüsse, folgender Fahrplan umgesetzt werden:

1. Der absolute Schuldenstand Griechenlands muss reduziert werden, um die schweren Lasten, die dieses Land zu tragen hat, zu reduzieren. Die derzeitige Entwicklung, dass eine Verschiebung der Gläubigerstrukturen von "privaten" auf "öffentliche" Gläubiger stattfindet, muss ein Ende haben. Die Solidarisierung von Risiken und Verlusten erzielt nicht nur falsche Anreize in Bezug auf die spekulative Orientierung der Marktteilnehmer (in erster Linie großer privater Banken), sondern führt auch zu ineffizienten Verschuldungsanreizen im nationalen, europäischen und weltweiten Finanzsystem, was in keiner Weise der freien Marktwirtschaft entspricht. Ohne eine wesentliche Beteiligung der privaten Gläubiger, welche horrende Zinsprämien in der Vergangenheit erzielt und bewusst dieses Risiko gesucht haben, ist eine nachhaltige Reformierungen nicht möglich. Eine solche Beteiligung an den Verlusten gleicht einem Schuldenverzicht, welcher nach unseren Auswertungen in einer Größenordnung von circa 50 bis 60 Prozent erfolgen muss. Die dadurch in Mitleidenschaft gezogenen Bankhäuser aus der ganzen Welt müssen, insoweit diese nicht ausreichend über Eigenkapital verfügen, durch Beteiligungen der nationalen Regierungen restrukturiert werden und nachhaltig daran erinnert werden, wenn nicht sogar gezwungen werden, ihr eigenes bilanzielles Buch im homogenen Gleichgewicht in Bezug auf Risiko, Ertrag, Liquidität und Sicherheit zu halten. Dies wird zwar die Märkte beunruhigen, doch diese müssen auch in ihre Schranken verwiesen werden und Griechenland bekommt die Luft zum Atmen, die es unbedingt braucht.

2. In Bezug auf die Restrukturierung der Neuverschuldung in Griechenland muss man den derzeit eingeschlagenen Weg der griechischen Regierung auch in der öffentlichen Wahrnehmung hervorheben und würdigen. Nicht nur, dass diese es geschafft hat, die Neuverschuldung um circa 5 Prozent in 2010 zu reduzieren, auch die Staatseinnahmen stiegen im letzten Jahr um 1,8 Prozent, was im europäischen Vergleich wirklich sehr solide ist. Außerdem stiegen alleine in den letzten sechs Monaten die Exporte um über 30 Prozent bei weiter ansteigender Dynamik, was nach unseren Annahmen, bei gleichzeitig abnehmender Importquote, zu einer Reduzierung des Handelsbilanzdefizits gegenüber dem Jahr 2008 von über 50 Prozent führen sollte. Interessanterweise werden diese Erfolge, durch die bereits angelaufenen Reformen nicht oder nur unzureichend in der öffentlichen Wahrnehmung beziehungsweise durch die Märkte honoriert. Insofern erachten wir die Diskontierungen beziehungsweise Abschläge, die immer wieder panikartig einsetzen, als oftmals nicht gerechtfertigt. Diese Entwicklung entspricht exakt dem sehr eintönigen Blickwinkel, welchen die Märkte derzeit verfolgen, nämlich die Reduzierung des griechischen Problems auf die absolute Verschuldung. Den Nährboden für eine nachhaltige Verbesserung der strukturellen Defizite liegen aber exakt in diesen Reformierungen. Nur durch diese wird Griechenland die unbedingt notwendige Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig wiedererlangen. Die Reformierungen müssen durch die EU, den IWF und alle anderen Vertretern honoriert, gestützt und gemeinsam mit der griechischen Regierung weiter vorangetrieben werden. Dies ist die unvermeidbare Bedingung des hier angesprochenen Fahrplans.

3. Aufgrund der hohen Ungleichgewichte in Bezug auf Produktivität, Wachstum, Inflation und Handelsbilanz innerhalb der nationalen Wirtschaftssysteme in der Eurozone wurde durch die Euroeinführung um die Jahrtausendwende der Nährboden für die gegenwärtige fragile Verfassung der südeuropäischen Staaten geschaffen. Diese markanten Ungleichgewichte, welche zu früheren Zeiten durch Abwertungen der nationalen Währungen gewissermaßen ausgeglichen wurden, spitzten sich unter dem Geldmantel der Einheitswährung Euro bis zum heutigen Tage zu und neutralisierten nahezu jegliche Art von Produktionsstrukturen in den südeuropäischen Regionen aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Um dem Wachstumsmodell Griechenlands wieder eine Perspektive zu geben, müssen zum einen die oben genannten zwei Bedingungen, Umschuldung der Altlasten und weitere Unterstützung (auch medialer Natur) beziehungsweise Erweiterungen der bestehenden Reformen, umgesetzt werden. Der wichtigste Schritt, den es zu verfolgen gilt, ist, dass die Lohnkosten weiter gesenkt werden müssen, die Gewerbesteuern reformiert und Investitionen in Ausrüstung und Erweiterungen umgesetzt werden. Der Produktionsstandort Griechenland muss nachhaltig an Attraktivität hinzugewinnen. Große europäische Konzerne müssen die Vorteile aufgezeigt bekommen, beziehungsweise Anreize erlangen, ihre Fabriken und Herstellungszentren nicht in Asien beziehungsweise in Osteuropa zu bauen, sondern zum Beispiel in Griechenland mit europäischen Rechtsstandart. Grundvoraussetzung hierfür ist aber die Produktivität des Landes. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie in Bildungsstrukturen sind hierbei ebenfalls wichtige Schlüssel für den Erfolg. Die Produktivität muss massiv gesteigert werden, was nur durch Senkung der Lohnkosten beziehungsweise durch Investitionen in Firmeninfrastruktur gelingen kann. Nur durch ein effizientes und konkurrenzfähiges Wachstumsmodell wird es gelingen den Standort Griechenland für Unternehmen auf der ganzen Welt nachhaltig interessant zu machen.

Wenn diese drei Bedingungen erfüllt werden, dann bestehen durchaus sehr gute Chancen, dass Griechenland es schaffen kann ein funktionierendes und profitables Wachstumsmodell zu entwickeln. Dieser Prozess gelingt mit Sicherheit nicht von heute auf morgen, doch wenn alle Kräfte gebündelt werden und der hier dargestellte Fahrplan stringent eingehalten wird, sieht die Perspektive Griechenlands deutlich optimistischer aus. Die Griechen brauchen wieder eine Perspektive, um die teilweise aufflackernde Endzeitstimmung zu überwinden.

Ihr Dr. Markus Zschaber

Dr. Markus C. Zschaber ist leitender Fondsmanager der V.M.Z Vermögensverwaltungsgesellschaft (www.zschaber.de) in Köln. Bereits mehrfach ausgezeichnet für sein Portfoliomanagement, zuletzt mit dem Prädikat "magna cum laude" durch den "Handelsblatt-Elite-Report 2011", kennen ihn die n-tv-Zuschauer seit 1997 als Experte unter anderem in der Telebörse, dem Investment-Check, Börse@n-tv oder dem Geldanlagecheck. Drei seiner Fachbücher konnten Leser bereits in den Bestseller-Listen finden u.a. "Der Börse voraus" als Gemeinschaftsproduktion mit dem Nachrichtensender n-tv. Sein aktuelles Buch "Der Aufschwung kommt" war bereits vier Wochen nach Erscheinen ein Bestseller.

Quelle: ntv.de

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