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Die Busch-Trommel Neues aus Absurdistan

Das Haus brennt lichterloh, doch statt sofort die Feuerwehr zu alarmieren, legen die bedrohten Hausbewohner den Feuermelder lahm und drehen den Feuerwehrleuten das Löschwasser ab. Eine absurde Vorstellung? Sicher, aber Ähnliches geht zurzeit in Europa über die Bühne.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Nach den jüngsten Erkenntnissen der Troika von IWF, EZB und EU-Kommission sprengt die für das Überleben Griechenlands notwendige Finanzhilfe den Rahmen aller aktuellen und geplanten Rettungsprogramme. Damit müsste nun auch dem letzten Politiker in Europa klar sein: Griechenland ist pleite, und seine Gläubiger werden wohl auf mindestens 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssen.

Abgesehen von den griechischen Instituten, die diesen Verlust mit Sicherheit nicht ohne ihre Verstaatlichung überleben würden, wären in Europa an vorderster Front die großen französischen Banken von diesem drastischen Schuldenschnitt betroffen. Und ohne die Hilfe der französischen Regierung würden sie die fälligen Abschreibungsverluste kaum verkraften. Das wiederum brächte den französischen Staat, dessen internationale Bonität auch ohne diese zusätzlichen Belastungen gefährdet ist, in gewaltige Schwierigkeiten.

Die ersten Ratingagenturen denken bereits laut über eine Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit nach. Noch erfreut sich das Land, wie u.a. auch Deutschland, der höchsten internationalen Wertschätzung, sollte aber die gute französische Bonität schwinden, wäre das der endgültige K.o. für jedes europäische Rettungsprogramm. Nach Griechenland, Portugal, Irland und eventuell Spanien und Italien auch noch Frankreich helfen zu müssen, das würde selbst einen erweiterten Rettungsschirms hoffnungslos überfordern. Mit anderen Worten: Wenn die Ratingagenturen auch für Frankreich den Daumen senken, bleibt von der ganzen Euro-Zone nur noch die Asche.

Brandmelder abschalten

Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, kommt aus Brüssel ein besonders gelungener Vorschlag: Wenn verantwortungslose Ratingagenturen mit negativen Bewertungen Europa ins Unglück stürzen können, dann muss man ihnen halt verbieten, derartige Tatarenmeldungen zu veröffentlichen. Wenn's also brennt, ganz einfach den Brandmelder abschalten, und schon ist die Gefahr beseitigt! Klingt wie eine Meldung aus Absurdistan, ist aber tatsächlich ein Vorschlag aus der EU-Kommission.

Auch ohne Urteil der Ratingagenturen wird sich aber am gigantischen Rettungsbedarf in der Euro-Zone nichts ändern. Daher plant die Bundesregierung , den Rettungsschirm, soweit er noch nicht für den Kauf von Anleihen und für direkte Kredite verplant ist, möglichst effektiv wie eine "Versicherung" einzusetzen. Nicht der Fonds selber, sondern Banken oder andere private Investoren sollen künftig neue Staatsanleihen kaufen. Käme es nun während der Laufzeit einer Anleihe zu einer Staatspleite, übernähme der Rettungsfonds wie bei einer Teilkaskoversicherung einen vorher vereinbarten Teil der Verluste, den großen Rest trügen aber die Investoren. (Und wer rettet dann notfalls die Investoren?). Mit dieser Konstruktion erweitert die Politik den möglichen Wirkungsgrad des Fonds; zudem hofft man offenbar , mit der staatlichen Risikobeteiligung private Investoren leichter zum Kauf auch hochriskanter Staatsanleihen bewegen zu können. Das erinnert fatal an die schön verpackten, aber leider minderwertigen Hypothekendarlehen der US-Immobilienkrise, die manchen naiven Investor ruiniert und letztlich die große Finanzkrise verursacht haben.

Freiwillige Feuerwehr

Die Banken, wie auch andere private Investoren sollen also in diesem Konzept sozusagen als freiwillige Feuerwehr der Politik helfen, den Flächenbrand in der Eurozone zu löschen. Fragt sich allerdings, ob sie das überhaupt wollen und können. Warum sollen sie freiwillig ein hohes Verlustrisiko in ihre Bücher nehmen? Zumal ihnen gerade jetzt von den Politikern aller Couleur vorgeworfen wird, die gegenwärtige Staatsschuldenkrise mit verursacht zu haben. Die Staatsschulden seien doch erst nach der Lehman-Pleite so richtig explodiert, weil sich viele Banken mit zu geringen Eigenkapitalreserven in blinder Gier bei riskanten Immobilienkrediten verspekuliert hatten und am Ende auf Kosten der Steuerzahler gerettet werden mussten. Und jetzt drohten schon wieder Bankenpleiten, weil die Finanzmärkte auf riskante Staatsanleihen gesetzt haben, die nun u.U., wie im Falle Griechenland, zu existenzbedrohenden Verlusten führen, weil der Eigenkapitalpuffer der Banken nicht ausreicht. Stimmt! Staatsanleihen müssen nämlich in den Bankbilanzen gar nicht durch Eigenkapital abgesichert werden, weil nach herrschender Meinung Staatsanleihen- auch griechische - sicher sind. Das war in der Vergangenheit ein Vorteil für beide, für die Bank und den Staat. Die Bank konnte ihr kostbares, weil knappes Eigenkapital beim Kauf von Staatsanleihen schonen und bei anderen riskanten Engagements zur Absicherung einsetzen; und die Staaten profitierten von dieser Vorschrift durch günstige Zinskonditionen für ihre Emissionen.

Löschwasser muss im Speicher bleiben

Jetzt soll das plötzlich aber alles falsch gewesen sein. Jetzt sollen die Banken auch Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen. Wer, einem früheren Wunsch der Politik folgend, griechische Staatsanleihen in seiner Bilanz gehalten, also nicht schon längst verkauft hat, der muss nun schleunigst für zusätzliches Eigenkapital sorgen, um Verluste der bevorstehenden Griechenlandpleite auszugleichen. Wackeln demnächst die Staatsanleihen anderer Länder, müssen auch hierfür entsprechende Eigenkapitalpuffer aufgebaut werden. So entsteht bei den Banken ein gigantischer Bedarf an Eigenkapital. Wer das benötigte Eigenkapital nicht in Kürze beschaffen kann, muss halt Kapitalbeteiligungen des Staates akzeptieren. (Woher ein hoch verschuldeter Staat dann das Geld nimmt für derartige Beteiligungen, das bleibt ein Rätsel). Es bietet sich den Banken natürlich auch die Möglichkeit, die Kreditrisiken in der Bilanz so weit zu verringern, bis das vorhandene Eigenkapital die geforderten Normen erfüllt: Zum Beispiel die Kreditvergabe generell einschränken, das träfe allerdings die Wirtschaft allgemein, weil Investitionen künftig teurer finanziert werden müssten. Oder riskante Staatsanleihen aus dem Bestand verkaufen, was den betroffenen Ländern aber gar nicht gefallen dürfte, weil sich dann ihre Zinskonditionen schlagartig verschlechtern könnten.

Oder aber neue Staatsanleihen erst gar nicht kaufen, weil das entsprechende Eigenkapital nicht vorhanden ist. Damit wären dann alle Überlegungen zur Rettung der europäischen Schuldensünder Makulatur. Mit ihrer Forderung nach mehr Eigenkapital in den Bankbilanzen drehen die Politiker genau in diesem Moment den Banken das dringend benötigte Löschwasser ab. Auch das eine Meldung aus Absurdistan.

Quelle: ntv.de

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