Unterwäsche auf den Ayatollah 10 Fakten über Rudi Carrell
07.07.2016, 15:57 Uhr
Rudi Carrell starb am 7. Juli 2006 im Alter von 71 Jahren.
(Foto: imago stock&people)
Rudi Carrell bleibt als einer der größten Showmaster der deutschen Nachkriegsgeschichte in Erinnerung. Und das als Holländer. Zehn Jahre ist es her, dass er dem Lungenkrebs erlag. Wir haben zehn Fakten, die sie vielleicht noch nicht über Carrell wussten.
1. Carrell und die Mullahs
Lange vor Jan Böhmermann löste schon einmal ein deutscher Satire-TV-Beitrag beinahe eine Staatskrise aus. Rudi Carrell zeigte 1987 eine Bildmontage verschleierter Iranerinnen, die Unterwäsche auf den damaligen Staatschef Ayatollah Khomeini warfen. Der Iran zog daraufhin seinen Botschafter in Deutschland ab und schloss seine Konsulate - sogar das Teheraner Goethe-Institut musste schließen. Carrell entschuldigte sich später für den Beitrag. Er habe niemanden damit verletzten wollen.
2. Die Tochter tritt nach
"De mortuis nil nisi bene" heißt ein bekanntes lateinisches Sprichwort, das rät, über Tote nur Positives zu berichten. Das hat sich Carrells Tochter Caroline Kesselaar allerdings nicht auf die Fahnen geschrieben. In einem im März erschienenen Buch zieht sie in deutlichen Worten über ihren Vater her. Rudi Carrell sei privat scheinheilig, narzisstisch und gefühllos gewesen - ein echter Tyrann. Zahlreiche private Geschichten werden dort breit ausgerollt, in denen sie Carrell als bösartig beschreibt. Er kann sich ja nun nicht mehr rechtfertigen ...
3. Vom Erntehelfer zum Showstar
Rudi Carrell gilt als Autodidakt, der sich all sein Können im Prinzip selbst angeeignet hat. Eine Geschichte ist dabei äußerst bemerkenswert: Nachdem er mit 15 die Schule verließ, jobbte er als Erntehelfer. Mit dem Geld wollte er unbedingt nach Paris. Was er dort machte? Er beobachtete drei Monate lang Passanten, um sein späteres Publikum besser kennenzulernen. Anschließend ging er nach Hause und begann eine Banklehre, die er allerdings abbrach. Am 29. September 1956 mit 22 Jahren stand Carrell dann erstmals vor einer Fernsehkamera.
4. Carrell bei der Eurovision
Carrells bekanntester Song "Wann wird's mal wieder richtig Sommer" hat sich in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt. Was hingegen nicht jeder auf dem Schirm hat: 1960 trat er, damals schon ein viel beachteter Radiomoderator in den Niederlanden, mit dem Song "Wat een geluk (Was für ein Glück)" für sein Heimatland beim "Grand Prix Eurovision de la Chanson" an. Er wurde Zweitletzter und nahm sich anschließend in seinen Radioshows selbst auf den Arm. Das alles brachte einen enormen Popularitätsschub, was ihn langsam aber sicher auch in den Fokus der deutschen TV-Macher rückte.
5. Carrell als Werbestar
Carrell war einer der ersten deutschen Entertainer und Komiker, der auch als große Werbefigur wahrgenommen wurde. Die Produkte, für die er warb, hätten unterschiedlicher nicht sein können: Strumpfhosen, VW-Käfer, Likör, Hemden oder Supermärkte. Seine bekanntesten Spots waren die für die Einzelhandelskette Edeka, die von 1977 bis 1982 entstanden. Carrell drehte sie mit Überzeugung, da er selbst das Einkaufen in seiner eigenen Familie übernahm - seine Frau besaß keinen Führerschein.
6. Ein Mann ohne Hobbys
Carrell lebte für seinen Beruf. Viele seiner Wegbegleiter berichten, dass er im Prinzip keine anderen Interessen hatte, geschweige denn Hobbys. Erst im späten Alter interessierte er sich für das Golfspielen. Sein Kollege Jochen Busse sagte einmal: "Ich weiß nicht, was Rudi Carrell für ein Mensch ist, ich kenne Rudi nur beruflich. Ich glaube, Rudi ist auch nur beruflich." Carrell beschäftigte sich auch in seiner Freizeit nahezu rund um die Uhr mit dem Fernsehen. Er galt zudem als Fachmann für internationale Shows.
7. Der mysteriöse Schattenmann
In seiner größten Zeit wurde Carrell von seinem Jugendfreund Dick Harris gemanagt, der ihm alle finanziellen Dinge abnahm. In seiner Biografie sagte Carrell über diese Zeit: "Er bekam 10 Prozent von all meinen Einnahmen. Ich machte Shows, er machte die Geschäfte." Doch 1983 verschwand Harris von einem Tag auf den anderen. Ein Abschiedsbrief legte einen Selbstmord nahe. Doch Harris floh vor seinen Steuerschulden. Erst acht Monate später meldete er sich bei Carrell, der ihn wieder anstellen wollte. Doch Harris konnte wegen eines Haftbefehls nicht nach Deutschland einreisen. Er starb 2010 - vier Jahre nach Carrell.
8. Ein deutscher Perfektionist
Carrell galt unter Kollegen als absoluter Perfektionist, der im TV-Studio keine Fehler duldete. Er selbst war immer perfekt vorbereitet. Dieser Charakterzug war ihm teilweise sogar selbst fremd. So fremd, dass er vermutete, deutscher Abstammung zu sein. 1979 begab er sich deswegen auf die Suche nach seinen Vorfahren. Tatsächlich hat die Familie väterlicherseits ihre Wurzeln in Schlesien. Carrells Ur-Ur-Urgroßvater, Jakob Kesselaar, wurde 1805 in Neustadt, Oberschlesien geboren.
9. Lustig bis in den Tod
Im Februar 2006 kam es zu einem letzten, spektakulären Fernsehauftritt von Rudi Carrell. Er erhielt die Goldene Kamera für sein Lebenswerk und ließ es sich nicht nehmen, trotz seiner schweren Lungenkrebserkrankung, den Preis persönlich entgegen zu nehmen. Was folgte, war eine der Sternstunden deutscher TV-Geschichte: Mit Selbstironie und Witz begeisterte er zum letzten Mal sein Publikum. Sein Einstieg: "Die Tatsache, dass ich hier heute Abend sein kann, verdanke ich vor allem meiner Krankenversicherung, dem Klinikum Bremen-Ost und der deutschen Pharmaindustrie ..."
10. Bloß nicht die Jacob Sisters!
Carrell machte sich ziemlich genau Gedanken darüber, wie seine Beerdigung aussehen soll. So wies er seine Kinder an, auf eine öffentliche Beisetzung zu verzichten. Der "Süddeutschen Zeitung" verriet er in einem seiner letzten Interviews mit dem üblichen Augenzwinkern den Grund dafür: "Aus Angst vor den Jacob Sisters! Mit ihren komischen Pudeln zerstören sie doch jede Atmosphäre. Die sind auch bei Moshammer aufgetaucht! Deshalb: keine öffentliche Beerdigung aus Angst vor den Jacob Sisters. Das können Sie ruhig schreiben."
Quelle: ntv.de, vpr/spot