Unterhaltung

70 Jahre Sucht nach Rock'n'Roll Alice Cooper wird nicht älter, sondern besser

Alice Cooper wird 70, an Rente denkt er aber nicht.

Alice Cooper wird 70, an Rente denkt er aber nicht.

(Foto: dpa)

Abgetrennte Puppenköpfe, Giftschlangen und Guillotinen - Schockrocker Alice Cooper sorgt seit mehr als 50 Jahren für eine atemberaubende Show. Nach vielen Höhen und Tiefen in seiner Karriere wird der eigentlich total normale Familienvater 70 Jahre alt.

Mit Frack, Zylinder und Peitsche unter dem Arm kommt Alice Cooper im April 2016 auf die Bühne. Mit seinem Outfit in den Farben und Mustern der US-Nationalflagge und den für ihn typischen schwarzumrandeten Augen sieht er aus wie ein durchgeknallter, patriotischer Zirkusdirektor. Die Zuschauer jubeln.

Während Cooper seinen 1972er Hit "Elected" (Gewählt) singt, kommen zwei Personen mit riesigen Schaumstoffköpfen auf die Bühne: Sie stellen Hillary Clinton und Donald Trump dar. Ihre Kleidungsstücke sind blutig und zerrissen, wie in einem schlechten Zombiefilm. Die Trump-Figur greift der Clinton-Figur zwischen die Beine, es folgt ein heftiger Schlagabtausch, der von einem kurzen, aber wilden Geknutsche unterbrochen wird, bevor Schaumstoffkopf-Trump seine politische Gegnerin mit Gewalt hinter die Bühne zerrt.

Dieser Auftritt ist einer der harmloseren. Denn Alice Cooper, der mit seiner gleichnamigen Band 1972 den Schock-Rock erfand, liebt große, theatralische Shows. Seine Bühne verzieren abgehackte Puppenköpfe, elektrische Stühle und literweise Kunstblut. "Einfach nur eine Jam-Session zu machen, war schon in den 60ern völlig out. Wir mussten etwas Neues, Einzigartiges erfinden, um das Publikum zu schocken und uns von anderen Rockbands zu unterscheiden", sagte Alice Cooper einmal in einem Interview.

Seitdem trägt er auf der Bühne meist eine Giftschlange um den Hals oder hat seinen Kopf in einer Guillotine stecken. Er "peitscht" seine Tänzerinnen aus und wird von ihnen "gefoltert". Zum Schluss jeder Show wird er "erhängt" - nach seinem Bühnentod folgt seine Auferstehung im weißen Frack. Seinen Fans will er bei Konzerten schlicht Show und Spaß bieten und nimmt sich dabei selber nicht besonders ernst. "Alles in allem bezahlt man bei einer Alice-Cooper-Show Eintritt für zwei Stunden Fahrt mit der Geisterbahn. Wer das wirklich ernst nimmt - den kann ich selbst nicht wirklich ernst nehmen."

Schockrocker und Familienvater

Von Teenies geliebt, von ihren Eltern gehasst zu werden - das ist es, was Alice Cooper schon immer wollte und was ihn auch nach 50 Jahren Karriere antreibt, seine Musik zu machen: Dem Establishment den Mittelfinger zeigen, das ihn nicht verstehen möchte. Seine Namenswahl war auch eine Reaktion darauf. "Ich wollte, dass sich die Eltern noch viel mehr darüber aufregen, dass der Rockstar, den ihre Kinder so anhimmeln, nicht nur Horrorshows macht und ein widerlicher Typ ist, sondern dazu einen völlig unpassenden Namen hat, den man sonst nur von weiblichen Country-Sängerinnen kennt." Dieser Art zu schocken verdankt er Tausende ausverkaufte Konzerte und etliche Nachahmer innerhalb der Musikindustrie wie etwa Marilyn Manson, Kiss, Ozzy Osbourne oder King Diamond.

Cooper trat auch in der Muppet-Show von Jim Henson auf.

Cooper trat auch in der Muppet-Show von Jim Henson auf.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Privat ist Vincent Damon Furnier dagegen ein ganz anderer Mensch. Er wurde am 4. Februar 1948 in Detroit geboren. "22 Stunden am Tag bin ich Vincent, der Familienmensch. Die zwei Stunden, die ich auf der Bühne stehe, verwandele ich mich in die Persona Alice Cooper", erklärt er häufig. Es mache ihm Spaß, eine Rolle zu spielen, die ganz anders sei als sein richtiges Leben.

Mit seiner Frau Sheryl, die er einst als Balletttänzerin für seine Bühnenshow engagierte, ist er seit 42 Jahren verheiratet - und treu. Das ist unüblich für einen Rockstar, der laut Klischee unter Alkohol- und Drogeneinfluss monatelang auf Tour ist und von Groupies begleitet wird. Gemeinsam hat das Paar drei Kinder und zwei Enkel. "Meine Karriere steht für mich an vierter Stelle. Vorher kommen meine Familie, Gott und Golf." Zu Hause sei er lieb und brav, beteuert Cooper. "Ich habe den merkwürdigsten Charakter des Planeten. Ich benutze keine Kraftausdrücke und ich werde nie sauer. Für meine Familie bin ich ein Held."

Immer wieder übernahm Cooper kleine Rollen in Horrorfilmen, hier in "Freddy's Finale - Nightmare on Elm Street 6".

Immer wieder übernahm Cooper kleine Rollen in Horrorfilmen, hier in "Freddy's Finale - Nightmare on Elm Street 6".

(Foto: imago/EntertainmentPictures)

Mit 16 Jahren nahm Vincent mit Freunden an einem Talentwettbewerb teil, den sie, verkleidet als die Beatles, gewannen. Sie gründeten die Band "The Spiders". Nach einigen Misserfolgen und Umbesetzungen änderten sie den Namen der Band in "Alice Cooper" und schon bald landeten sie 1972 mit "School's Out" ihren internationalen Durchbruch. Weitere Charthits wie "No More Mr. Nice Guy" folgten. Mit dem plötzlichen Erfolg konnte Vincent nicht umgehen und begann zu trinken. Seine Band löste sich auf und Vincent reklamierte den Bandnamen für sich als Persona - die beste Entscheidung, die er hätte treffen können, wie er später sagte.

"Welcome To My Nightmare"

Seine ersten Soloalben "Welcome To My Nightmare" und "Alice Cooper Goes To Hell" von 1975 und 1976 waren sehr erfolgreich, die nächsten weniger. Cooper trank viel Alkohol und die nächsten zehn Jahre sah man ihn nirgendwo ohne ein Glas in der Hand. "Es gibt ein paar Alben aus der Zeit und Tourneen, an die kann ich mich heute überhaupt nicht mehr erinnern", sagt er dazu. Nach einem ersten Entzug wurde er wieder rückfällig und kam mit Kokain in Berührung. Er sah viele seiner Freunde aus dem "Club 27" sterben, weil sie ihre Rolle lebten und diese sie kaputt machten. "Ich hatte Angst, Alice Cooper könnte mich kaputt machen", sagt er heute.

Seit Jahrzehnten ist Cooper trocken.

Seit Jahrzehnten ist Cooper trocken.

(Foto: imago/APress)

Doch dann merkte er, dass es Vincent war, der sich zerstörte: Er war es, der Alkohol trank, Alice Cooper trank auf der Bühne oder bei den Proben keinen Alkohol. "Ich konnte nicht schlafen gehen, ohne vorher ein Bier ans Bett zu stellen. Noch bevor ich morgens die Augen aufmachte, trank ich die halbe Flasche schon leer", erzählte er nach seinem zweiten und letzten Entzug, zu dem er sich 1983 von seiner Frau und seinem Manager überreden ließ, nachdem er häufiger Blut gespuckt hatte.

Seitdem hat Vincent Furnier alias Alice Cooper keinen Tropfen mehr angerührt, seit 35 Jahren ist er trocken. Die Kirche hätte ihm dabei maßgeblich geholfen, sagt der Schock-Rocker, da sie ihn vom Trinken abgehalten hätte. Als Sohn eines Priesters habe er nach dem Entzug Gott wieder in sein Leben lassen können. Heute spielt Religion in seinem Leben wieder eine wichtige Rolle. Cooper liest jeden Morgen für zwanzig Minuten die Bibel, bevor es auf den Golfplatz geht. "Ich golfe mindestens sechs Mal die Woche und ich habe ein Handicap von zwei. Das erstaunt die Leute meistens, die mich nur von der Bühne kennen und hier sehen", sagte er in einem Interview.

Die neue Kraft, die er durch die Unterstützung seiner Familie und die Kirche erhielt, war ausschlaggebend für den darauf folgenden Erfolg, der bis heute anhält. Mit insgesamt 27 Studioalben wie "Trash", "Hey Stoopid", "The Last Temptation" und "Paranormal" ist Alice Cooper einer der erfolgreichsten Rockstars aller Zeiten. Songs wie "Poison" eroberten die Charts.

Ans Aufhören denkt der nun 70-Jährige aber noch lange nicht. "Mick Jagger ist fünf Jahre älter als ich und steht immer noch auf der Bühne. Wenn er aufhört, bleiben mir also immer noch fünf Jahre, um weiterzumachen", sagt der Sänger. Auch seine Bühnenshow hat sich in den 50 Jahren seiner Karriere nicht sehr geändert. Mittlerweile tanzt seine Frau wieder mit ihm auf der Bühne und auch seine Tochter Calico hilft manchmal als Domina verkleidete Paris Hilton aus, die von ihrem Chihuahua in den Hals gebissen wird. "Rock'n'Roll, Horror, Comedy und Wodka gehören einfach zusammen. Solange die Musik wirklich gut ist, kannst du alles sein, was du willst: Dann kannst du die Musik zur Bühne bringen und mit allem dekorieren, was du willst", findet der Schock-Rocker. "Aber das Lied steht an erster Stelle. Der Kuchen kommt vor der Glasur. Und ich habe halt einen Kuchen mit sehr viel Glasur."

Quelle: ntv.de

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